Der verlorene Whisky: Schottland belebt eine alte Tradition wieder
Schottische Whiskyhersteller gehen in der Vergangenheit auf Spurensuche, um alte Geschmacksrichtungen und Techniken wiederzuentdecken.
In den letzten 50 Jahren wurde fast die Hälfte aller Destillerien in Schottland geschlossen. Viele wurden zerstört oder gerieten in Vergessenheit, nicht zuletzt aufgrund der weltweiten Rezession, der Weltkriege und der Überproduktion. Mittlerweile finden Whisky-Hersteller ihre Inspirationen in den Geschmacksprofilen dieser geschlossener Destillerien.
In Städten wie Auchtermuchty erlebt der traditionelle Geist des Landes im Vereinigten Königreich eine Wiedergeburt. Bei einer Fahrt durch Schottlands ehemalige Hauptstadt Fife bietet sich ein kurzer Abstecher in das benachbarte Städtchen Auchtermuchty an. Die meisten der 2.000 Einwohner wissen gar nicht, dass die Industrie ihres Heimatortes einst von einer Destillerie geprägt wurde, deren mintgrüne Lagerhäuser auf der Distillery Street längst mit Brettern vernagelt sind.
Drei Generationen der Bonthrone-Familie – die zu den ersten kommerziellen Mälzern Schottlands gehörte – stellten dort ihren international exportierten Whisky her, bevor ihr Geschäft während der Prohibition einbrach. „Das waren wegweisende Marken, die etwa 100 Jahre überdauert haben, weil die Leute in ihrem Fach einfach wirklich gut waren. Mittlerweile wurde die Hälfte der Destillerien des Landes zerstört und geschlossen“, sagt Scott Watson, der Mitbegründer der Lost Distillery Company. „Das ist ein großer Teil unserer Identität und unseres kulturellen Erbes, der da ausrangiert wurde.“
Mehr als 150 Jahre lang war der Schmuggel in Schottland die Norm. Rund um Auchtermuchty versteckten sich kleine, mobile Destillerien in den Hügeln und umgingen die stetig steigenden Steuern, indem sie ein codiertes Signalsystem entwickelten. Von Kirchenkanzeln bis hin zu Särgen nutzten sie dabei alles Mögliche als Lagerraum für ihre Erzeugnisse. Trotz des harten Vorgehens gegen fast 14.000 unerlaubte Destillerien pro Jahr stammte in den 1820ern etwa die Hälfte des konsumierten Whiskys aus Schwarzbrennereien. „Die Whiskybrennerei geht auf Profitjäger im Norden des Landes zurück“, erklärt der Aktivist Joseph Trotter. „Für die Menschen war das eine Möglichkeit, noch mehr aus ihrer Gerstenernte herauszuholen.“
Als die kleinen Brennereien 1823 legalisiert wurden, ging der Schmuggel langsam zurück und Blend-Whiskys wie John Walker wurden von einem lokalen Produkt aus Familienbetrieb zu einem weltumspannenden Unternehmen. Die Blends aus rauchigem Scotch und Grain-Whisky eröffneten einen größeren Markt für das Produkt. In den 1860ern wurde Dank der Einführung der Eisenbahn zudem die Auslieferung erleichtert. Eine unheilvolle Kombination aus historischen Ereignissen (die Prohibition in den USA, die Wirtschaftskrise im Vereinigten Königreich und der Zweite Weltkrieg) lösten jedoch einen Dominoeffekt aus, sodass eine Destillerie nach der anderen schloss. „Die ganzen Experten mit ihrem Wissen rund um die Whiskyherstellung gingen nach Übersee, um im Krieg zu kämpfen, und viele kehrten nicht zurück“, erzählt Watson.
200 Jahre alte Gehöfte wie Torabhaig auf der Isle of Skye zählen nun zu den „neuen“ Destillerien, während die Lindores Abbey Distillery in Fife Whisky aus lokaler Gerste noch genauso herstellt wie die Mönche vor 500 Jahren. Brennereien mit Ladengeschäften wie Lost Distillery sowie einige von Schottlands ältesten Herstellern, darunter Diageo, sind dabei, die „verlorenen“ Destillerien wiederzubeleben. Dazu befragen sie beispielsweise die Einwohner von Destilleriestädten zu ihren Trinkgewohnheiten, um jene Techniken aufzudecken, die dem Whisky im 19. und frühen 20. Jahrhundert seinen Geschmack verliehen.
In Campbeltown, das zu Schmugglerzeiten ein wichtiger Zwischenhalt war, entdeckten Archivare Kassenbücher und Briefe der lokalen Destillerie Dalaruan. Darin erwähnt der Besitzer, dass er Whisky in alten Rumfässern reifen ließ, was ihm ein Aroma tropischer Früchte verlieh. „Die verlorenen Geschmacksrichtungen wiederzuentdecken, ist genauso wichtig, wie die alten Techniken wiederzubeleben. Schließlich geht es um ein Getränk“, erklärt Trotter. „Der Heilige Gral wäre es, einen dieser alten Whiskys kosten und zu analysieren. Den meisten Menschen würde er heutzutage aber vermutlich nicht schmecken, da sich der Geschmack im Laufe der letzten hundert Jahre verändert hat.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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