Krieg am Himmel: Die neuen Drohnen-Killer
Die Zahl privater Drohnen steigt. Am Boden sorgt die stetig voranschreitende Technologie für ein Wettrüsten bei Militär und Behörden.

Wie viele Drohnen kreisen derzeit weltweit über den Himmel? Hunderttausende? Vielleicht gar Millionen? Laut Prognosen der Bundesluftfahrverwaltung der USA (Federal Aviation Administration) werden es bis zum Jahr 2020 allein in Amerika fast sieben Millionen sein. In Deutschland sind es ungefähr eine Million.
Der überwiegende Teil der Maschinen ist harmlos. Aber in den Händen böswilliger Steuerer können sie gelegentlich auch für Chaos sorgen. Erst im vergangenen Dezember mussten am Gatwick Airport in Großbritannien mehrere Tage lang rund 1.000 Flüge gestrichen oder umgeleitet werden, weil wiederholt Drohnen über dem Flughafengelände gesichtet wurden.
Auch in Deutschland kommt es regelmäßig zu Vorfällen. Im Jahr 2018 registrierte die Deutsche Flugsicherung 158 Vorfälle, wie Das Erste berichtete, und allein von Januar bis März 2019 kam es an deutschen Flughäfen zu 17 Vorfällen mit Drohnen.
Andy Morabe ist der Geschäftsführer von IXI Technology. Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien stellt Geräte her, die die Funkverbindung von Drohnen unterbrechen und sie somit unschädlich machen sollen. Ihr klangvoller Name: Drone Killers. „Wir sortieren Drohnenbetreiber in die Kategorien ‚ahnungslos‘, ‚achtlos‘ und ‚kriminell‘“, erzählt er, wobei er die Gatwick-Problemverursacher in die letzte Kategorie stecken würde.
Morabe erklärt, dass die Technologie im Bereich der unbemannten Flugobjekte in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat – die Geräte wurden immer kleiner, billiger und leichter zu bedienen. Wenn ein Terrorist ein solches Gerät mit Sprengsätzen oder chemischen Kampfstoffen ausstatten sollte, könnte er damit zweifellos Chaos verursachen. Aber selbst, wenn irgendein Witzbold seine Drohne aus Spaß in der Nähe eines Flughafens oder Sportstadiums fliegen lässt, kann er damit den gesamten Betrieb lahmlegen.

„Stellen Sie sich mal vor, eine Drohne würde während des Starts von einer Flugzeugturbine angesaugt werden“, so Morabe. „Eine kleine Drohne könnte ein ganzes Triebwerk lahmlegen. Das wäre katastrophal. Und die Lithiumbatterien, mit denen sie betrieben werden, sind explosiv.“
Aktuelle Tests der Regierung Großbritanniens und der University of Dayton in Ohio haben gezeigt, dass selbst kleine Drohnen die Tragflächenverkleidung und die Frontscheiben von Flugzeugen durchbrechen können.
In den letzten Jahren gab es glücklicherweise nur eine Handvoll Zusammenstöße zwischen Flugzeugen und Drohnen (darunter einer in New York City, einer in Québec und einer am Londoner Flughafen Heathrow, allesamt ohne tödlichen Ausgang), aber Dutzende Beinahezusammenstöße.


Für die britischen Behörden besteht das Problem darin, dass diese Geräte als Luftfahrzeuge eingestuft werden. Für einen Abschuss wäre eine staatliche Genehmigung nötig – ganz zu schweigen davon, dass die herabfallende Drohne Kollateralschäden nach sich ziehen könnte.
Allerdings gibt es andere Methoden der Neutralisation: Man kann ihre Signale unterbrechen, wie es der Drone Killer tut. Man kann sie spoofen – ihr GPS also austricksen und ihnen vormachen, sie würden sich an einem anderen Ort befinden. Man kann ihre optischen Sensoren, über die sie gesteuert werden, mit Lasern durcheinanderbringen. Man kann sie mit Netzen fangen, die von speziellen Netzkanonen verschossen werden. Man kann sogar Greifvögel darauf trainieren, Drohnen aus der Luft zu fangen. Allerdings verweist Morabe darauf, dass „die Drohnenpropeller ihre Greiffüße verletzten können“, sodass die Vögel sich irgendwann vor dem Zupacken scheuen.

Er bevorzugt Störsignale, wie sein Drone Killer sie nutzt. Das Gerät wurde vor drei Jahren entwickelt, ist batteriebetrieben und erinnert an ein futuristisches Gewehr. Anstatt Patronen verschießt es jedoch niederfrequente Radiowellen, die denen ähneln, mit denen die Drohnen gesteuert werden. Sie verzerren die Daten, die von der Drohne empfangen werden, sodass die Drohne laut IXI Technologie in einen „Notfallmodus“ umschaltet und „zu ihrem Startpunkt zurückkehrt oder langsam absinkt“.
Dem Hersteller zufolge haben die Radiowellen eine Reichweite von 1.000 Metern, ohne sich dabei auf Breitbandübertragungen, den Mobilfunk oder andere Radiofrequenzen auszuwirken.
Ein Drone Killer kostet 33.000 Dollar. Derzeit macht Morabe durch seine Verkäufe etwa 2 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr. Allerdings rechnet er damit, dass diese Zahl bald auf 100 Millionen Dollar ansteigen wird, da Flughäfen, Sportstadien und Kraftwerke mögliche Drohnenanschläge vermehrt als Gefahr einstufen.

Seine Geräte haben bereits namhafte Abnehmer gefunden: das japanische Verteidigungsministerium, Indiens National Security Guard, Thailands Royal Thai Air Force und ein halbes Dutzend US-Behörden, darunter Sicherheitskräfte an der Grenze zu Mexiko sowie Behörden in den Bundesstaaten Kalifornien, Arizona und Nevada, die mit den Drone Killers für mehr Sicherheit in Sportstadien sorgen wollen.
Aus Sicherheitsgründen kann Morabe keine genauen Details nennen, aber er zeichnet ein beunruhigendes Bild davon, wie Terroristen Drohnen mit Sprengsätzen oder chemischen Kampfstoffen ausstatten könnten.
„Die Behörden befürchten, dass Drohnen mit [einem bestimmten Opioid] versehen werden könnten“, erzählt er. „Ein Teelöffel davon reicht, um einen ganzen Raum voller Menschen umzubringen. Eine Drohne mit ein oder zwei Kilogramm könnte ein ganzes Stadion ausrotten.“
Morabe gibt zu, dass sein Drone Killer kein Erfolgsgarant ist: Es gibt zahlreiche Frequenzen, auf denen Drohnen betrieben werden können, weshalb es unmöglich sei, alle davon zu stören.



Aus diesem Grund empfiehlt er besonders kritischen Anlagen wie Flughäfen oder Kraftwerken, sich mit einer Kombination aus verschiedenen Drohnenabwehrgeräten zu verteidigen.
James Cross ist der Direktor des Unternehmens OpenWorks mit Sitz in Northumberland im Norden Englands. Er stellt zwei Modelle von Anti-Drohnen-Netzkanonen her, die tragbare Skywall 100 und die Skywall 300, die auf einem Fahrzeug oder einem Gebäude montiert werden kann. Beide nutzen Druckluft, um eine Kunststoffkapsel abzufeuern, die ein Netz enthält. Die Kapsel öffnet sich in der Luft, um die Drohne einzufangen, die im Anschluss an einem Fallschirm zu Boden segelt. Die intelligente Zielvorrichtung berücksichtigt die Fluggeschwindigkeit der Drohne, um sie an der richtigen Stelle ihrer Flugbahn abzufangen.
Die Skywall 300 steht aktuell noch nicht zum Verkauf. Die Skywall 100, die seit 2016 auf dem Markt ist, wurde weltweit jedoch schon an mehr als 50 Kunden versendet. Ihren ersten Einsatz hatte die Technologie im November 2016, als die deutsche Bundespolizei den Staatsbesuch des damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Berlin absicherte.
„Die hatten sie dabei, als der Präsident die Treppe der Air Force One hinabstieg“, sagt Cross. „Und sie haben sie im Stadtgebiet eingesetzt, auf Dächern und aus Fahrzeugen heraus.“
Was passiert, wenn eine Drohne in der Luft mit einem Flugzeugflügel kollidiert, zeigt dieses Video der der University of Dayton von einem Labortest im Windkanal.
Darüber hinaus wurde die Skywall 100 bei der Berliner Air Show im April 2018 eingesetzt, bei einer Sicherheitskonferenz in Hamburg 2016 und von der Polizei in Washington, D.C., sowie vom Pentagon. Auch bei anderen Staatsbesuchen und auf Flughäfen und Kraftwerken gehört sie zum Repertoire der Sicherheitskräfte.
Cross rechnet damit, dass er im Laufe des Jahres die ersten Skywall 300-Modelle an das US-Militär und europäische Behörden verkaufen wird.
Auch andere britische Unternehmen stellen Drohnenabwehrtechnologie her, darunter Störgeräte wie die DroneGun von Beechwood Equipment, Sky Net von Kirintec und das AUDS (Anti-UAV Defense System) von Chess Dynamics. Letzteres ist nun Teil eines etwa 5 Millionen Pfund teuren Drohnenabwehrsystems, das infolge des Debakels vom letzten Dezember am Gatwick Airport installiert wurde.
Aber kann man Flughäfen überhaupt zu 100 Prozent vor bösartigen Drohnen schützen? Morabe verweist darauf, dass gerade Flughäfen sich über große Bereiche erstrecken, weshalb es unmöglich ist, sie vollständig vor Drohnenangriffen zu schützen. Der britische Flughafen Heathrow erstreckt sich auf 1.214 Hektar, der Flughafen Frankfurt am Main auf 2.260 Hektar und Denver International Airport, der zweitgrößte Flughafen der Welt, deckt mehr als 13.000 Hektar ab.

Morabe erklärt, dass es selbst mit hunderten teurer Drohnenabwehrgeräte und Sicherheitsangestellten immer Lücken im Verteidigungssystem geben wird, durch die kleine Drohnen hindurchschlüpfen können. Er hat 30 Jahre lang mit der US-Marine zusammengearbeitet und war als Berater für Verteidigungssysteme tätig.
„Ich habe mit vielen Verteidigungsunternehmen gearbeitet“, sagt er. „Ich habe mit Lockheed Martin gearbeitet. Ich habe mit Radarsystemen gearbeitet, die auf unseren Schiffen eingesetzt werden. Wir haben immer Lücken in der Abdeckung.“
Selbst die britische Regierung gibt zu, dass sie keine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann. „Die Weiterentwicklung von Drohnenabwehrtechnologie ist eine komplexe Aufgabe“, sagt Ben Wallace, der britische Minister für Sicherheit und Wirtschaftsverbrechen. „Viele Drohnenabwehrsysteme kommen gerade auf den Markt, und uns ist klar, dass es keine Wunderwaffe gibt, die vor allen Möglichkeiten der illegalen und bösartigen Nutzung von Drohnen schützt.“

Die Verursacher des Chaos am Gatwick Airport haben zumindest keine technischen Schäden verursacht – es schien sich wohl nur um ein paar Witzbolde mit zweifelhaftem Humor zu handeln. Aber terroristische Vereinigungen wie ISIS und al-Quaida haben Drohnen in mehreren Fällen bereits erfolgreich als Waffen eingesetzt. Darüber hinaus wurde im August 2018 ein mutmaßlicher Anschlag auf den venezolanischen Präsidenten Maduro verübt: Eine Drohne mit einem Sprengsatz detonierte in der Nähe Maduros.
Sowohl Morabe als auch Cross geben zu bedenken, dass sich die Drohnentechnologie konstant weiterentwickelt, weshalb aktuelle Verteidigungssysteme schnell überholt sind.
„Wenn die bösen Jungs ihre Drohnentechnologie verbessern, erfinden wir neue Abwehrmethoden“, sagt Morabe. „Das ist elektronische Kriegsführung. Wir befinden uns in einem Rüstungswettlauf.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.co.uk veröffentlicht.
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