Frauen im Gefecht

Als Soldatinnen spielen Frauen heute eine immer aktivere Rolle. In bewaffneten Konflikten stehen sie an vorderster Front oder arbeiten bei den Truppen der UN, um die Brennpunkte der Welt zu befrieden.

Von Lynsey Addarig
bilder von Lynsey Addarig
Veröffentlicht am 25. Okt. 2019, 00:14 MESZ
Im Notfall müssen weibliche Mitglieder des Marines Corps, einer Elite-Einheit der US-Armee, Verletzte auch alleine retten. ...
Im Notfall müssen weibliche Mitglieder des Marines Corps, einer Elite-Einheit der US-Armee, Verletzte auch alleine retten. Während ihrer Vorbereitung auf die Stationierung auf einem Schiff der US-Navy in Camp Lejeune, North Carolina, trägt die Gefreite Gabrielle Green einen Marine auf dem Rücken. Von den 38.000 Rekruten, die jährlich in das Corps aufgenommen werden, sind etwa 3500 Frauen.
Foto von Lynsey Addario

Zwei Männer kauern in einem Wüstenstädtchen an der Grenze zum Irak auf dem Boden, bewacht von einem Dutzend kurdischer Soldaten, die triumphierend auf sie herabblicken. Die Männer hatten sich zuvor der vorwiegend kurdischen Volksverteidigungseinheit YPG ergeben, als diese bei der Einnahme von Baghus, der letzten Stellung des IS in Syrien, IS-Kämpfer aufstöberten. Die Gefangenen warten auf den Abtransport in ein Lager, in dem sich schon Zehntausende andere IS-Anhänger und ihre Angehörigen befinden.

Hundert Meter weiter bewachen Kämpferinnen der YPJ genannten Fraueneinheit der YPG mit Kalaschnikows über ihren Schultern Frauen und Kinder der gefangenen Soldaten. Einige ziehen an ihren Zigaretten – unter dem IS war Frauen das Rauchen verboten. Andere zupfen sich das Haar zurecht. Unter dem IS wäre eine Frau ohne Schleier ausgepeitscht worden. Ab und an spricht eine YPJ-Kämpferin zu den Frauen, die wirken wie unter einem Meer aus schwarzen Stoff verborgen.

Im Laufe des Vormittags schauen sich einige der YPJ-Kämpferinnen den Feind von Nahem an. Sie bilden einen engen Kreis um die Männer und mustern sie. Vor Kurzem wären sie in diesem Dorf als Frau für solches Verhalten vielleicht hingerichtet worden. Aber die letzte Bastion des IS in Syrien ist gefallen – auch dank ihnen.

Die kurdischen Soldatinnen sind nur ein Beispiel von vielen. Von der Wüste Syriens und den Grassavannen im Südsudan bis zum kriegsgebeutelten Dschungel im Westen Kolumbiens stehen immer mehr Frauen in militärischen Konflikten an vorderster Front. Sie wollen ihrem Land dienen. Sie wollen Kompetenz und Stärke demonstrieren, ihren Kindern ein Vorbild sein, vielleicht auch selbst etwas beweisen. Einige haben aber auch noch ein anderes Ziel: Sie wollen für ein besseres Leben für Frauen und Mädchen kämpfen – in ihrem Land und auf der ganzen Welt.

In mindestens 16 Industrienationen ist es Soldatinnen erlaubt, auch an der Front eingesetzt zu werden. Die Bundeswehr musste nach einem Urteil des Euopäischen Gerichtshofs 2001 in allen Bereichen Frauen zulassen. Im US-amerikanischen Militär dienen Frauen schon seit der Gründung des Army Nurse Corps durch den Kongress im Jahr 1901, allerdings lange Zeit nur als Nicht-Kombattantinnen.

Inzwischen sind sie auch Pilotinnen und Panzermechanikerinnen oder Ausbilderinnen – so wie etwa Oberstleutnant Misty Posey, Kommandantin der weiblichen Marine-Corps-Rekruten im Grundausbildungslager Parris Island, in dem viele der hier gezeigten Fotos entstanden. Posey will vom Klischee des „schwachen Geschlechts“ nichts wissen: „Die Schwäche ist bei uns Frauen nur erlernt. Also können wir sie auch verlernen.“ Am Ende der Ausbildung, so Posey, hätten die meisten weiblichen Marines Vertrauen in ihre Fähigkeiten, „und sie wissen, dass sie genauso ihren Beitrag leisten können“ wie Männer.

Ähnliches sagt auch die Ruanderin Josephine Muhaweniman. Die zweifache Mutter ist Oberfeldwebel in einer UN-Friedensmission im Südsudan. Das Land leidet unter Bürgerkrieg und ethnischen Konflikten. Muhaweniman weiß nur zu gut, wie das ist. Sie hat den Völkermord in Ruanda 1994 erlebt. „Daran erinnere mich noch genau“, sagt Muhaweniman. Jetzt hofft sie, dass die Friedenstruppen ein solches Blutbad im Südsudan verhindern können. Die Frauen dort scheinen stolz auf sie zu sein, erzählt sie. Mütter hätten ihr dafür gedankt, dass sie ihren Töchtern eine Alternative zu einer viel zu frühen Heirat aufzeigt.

Eine Kämpferin in Kolumbien, die sich Comandante Yesenia nennt, gehört seit 20 Jahren zur ELN, einer linken paramilitärischen Gruppierung, die gegen die Nationalregierung kämpft. Ihre Tochter hat sie im Wald geboren und als Säugling monatelang mit sich herumgetragen. Yesenia sagt, sie kämpfe für die Gleichberechtigung der Armen, der Ureinwohner und der Frauen. „Jeder Mensch hat seinen eigenen Grund“, sagt sie. „Von verschiedenen Positionen aus kämpfen wir alle zusammen.“

Als die gefangenen IS-Kombattanten in der syrischen Wüste auf den Abtransport ins Gefangenenlager warten, denkt eine YPJ-Kämpferin namens Nuda Zagros über die Zukunft nach. „Egal wo Frauen unterdrückt werden, da wollen wir hin,“ sagt sie. „Wir wollen für Gleichberechtigung kämpfen. Wir wollen uns nicht über andere stellen, und wir wollen niemanden über uns. Wir sind alle gleich.“

Mehr über Frauen steht in der Ausgabe 11/2019 des National Geographic Magazins mit dem Titel "Frauen: Warum die Zukunft weiblich ist".

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