Neujahr historisch: Warum der 1. Januar nicht immer der erste Tag des Jahres war

Heute hat der 1. Januar im Kalender einen exponierten Platz direkt an seinem Anfang. Eine beeindruckende Karriere, wenn man bedenkt, dass der Monat im Alten Rom zunächst nicht einmal einen Namen hatte.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 29. Dez. 2021, 11:18 MEZ
Der frühe römische Kalender, der sich an der Erntesaison orientierte, ließ die Wintermonate unbenannt.

Der frühe römische Kalender, der sich an der Erntesaison orientierte, ließ die Wintermonate unbenannt – dies änderte sich erst im 7. Jahrhundert v. Chr. und es sollte noch einige Jahrhunderte dauern, bis sich der 1. Januar als erster Tag des neuen Jahres etablierte. Frühe Darstellungen der Monate – wie diese auf einem Buntglasfenster der Kathedrale St. Etiennes in Bourges, Frankreich – zeigen typischerweise Feste.

Foto von Photograph, via Bridgeman Images

Heutzutage beginnt das neue Jahr im dunklen, kalten Winter. Doch der Januar war nicht immer der erste Monat des Jahres: In der Anfangsphase der modernen Kalender wurden die Wintermonate nicht einmal benannt.

Erst kommen die Weihnachtstage, dann, eine Woche später, geht das alte Jahr zu Ende und ein neues beginnt. Dass der erste Tag des Jahres immer auf den ersten Januar fällt, ist für viele Völker und Kulturen heute eine Selbstverständlichkeit.

Doch als sich der moderne Kalender noch ganz am Anfang seiner Entwicklung befand, hatten die Wintermonate nicht einmal Namen. Es war, als gäbe es den Januar – der nach Janus, dem Gott des Anfangs und des Endes in der römischen Mythologie benannt ist – gar nicht. Die Geschichte dieses Monats ist seitdem eine voller verwirrender Höhen und Tiefen, astronomischer Rechenfehler und politischer Einflussnahme.

Das Alte Rom und sein erster Kalender

Kalender helfen den Menschen seit ungefähr 10.000 Jahren dabei, einen Überblick über zeitliche Abläufe zu gewinnen. Ihre Formen und die Methoden, auf denen sie basierten, unterschieden sich jedoch von Anfang an stark: Im England der Mittelsteinzeit orientierten sich die Menschen an den Mondphasen, die Alten Ägypter hingegen an der Sonne. Die Chinesen kombinierten beide Methoden in ihrem Lunisolarkalender, der auch heute noch verwendet wird.

Der Kalender, der heute in den meisten Teilen der Welt zum Einsatz kommt, wurde in der Römischen Republik entwickelt. Der Legende nach soll ihn der sagenhafte erste römische König Romulus erfunden haben, wahrscheinlicher ist jedoch, dass er auf Datierungssystemen beruhte, die die Babylonier, Etrusker und Alten Griechen entwickelt hatten.

Der erste Monat eines neuen Jahres ist der Januar, benannt nach Janus, dem römischen Gott des Anfangs und des Endes. Er ist einer der ältesten Götter der römischen Mythologie und wird meist – wie auf dieser römischen Metallmünze, die zwischen 753 v. Chr. und 476 n. Chr. gefertigt wurde – mit zwei Gesichtern dargestellt.

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So wie sich der Stand der Wissenschaft und die sozialen Strukturen im Alten Rom wandelten, so tat dies auch der Kalender. Mehrere Male zwischen der Gründung der Republik im Jahr 509 v. Chr. und ihrer Auflösung im Jahr 27 v. Chr. nahmen die Römer Änderungen an ihrem kalendarischen System vor.

Die Ursprungsversion umfasste nur 10 Monate und orientierte sich an den Grundlagen der römischen Gesellschaft: an der Landwirtschaft und an religiöse Ritualen. Der 304 Tage lange Kalender begann mit dem März – Martius –, der nach dem römischen Kriegsgott Mars benannt war. Er endete mit dem Dezember – dem Erntemonat in Rom und Umgebung.

Beginn der römischen Zeitrechnung war das Gründungsjahr der Stadt. Das moderne Jahr 753 v. Chr. war demnach im Alten Rom das Jahr eins.

Der erste Kalender bestand aus sechs Monate, die eine Länge von 30 Tagen hatten, und vier Monate, die 31 Tage lang waren. Die ersten vier Monate waren nach Göttern benannt: beispielsweise der Juni nach Juno, der Göttin der Ehe, Fürsorge und Geburt. Die restlichen sechs waren durchnummeriert. Der September war im altrömischen Kalender der siebte Monat, Grundlage für seinen Name ist das lateinische Wort für die Zahl sieben: septem. Mit dem Ende der Erntesaison war auch das Ende des Kalenders erreicht: Die heutigen Wintermonate Januar und Februar blieben namenlos.

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    Mond zu ungenau

    Der Zehnmonatskalender wurde jedoch bald abgelöst: Im siebten Jahrhundert vor Christus – ungefähr während der Regierungszeit des sagenhaften zweiten römischen Königs Numa Pompilius – Begann man, die Mondphasen miteinzubeziehen. Im Zuge dieser Modernisierung wurde der Kalender um 50 Tage erweitert und jeder der bereits existierenden zehn Monate um einen Tag verkürzt. So entstanden zwei neue, 28-tägige Wintermonate: Ianuarius, zu Ehren des Gottes Janus, und Februarius in Anlehnung an Februa, das Sühne- und Reinigungsfestes im Römischen Reich, der als damals letzter Monat des Jahres den Ruf hatte, Pech zu bringen.

    Aber der neue Kalender war weit davon entfernt, perfekt zu sein. Weil der Kalender sich nicht an der Sonne, sondern dem Mond orientierte und der Mondzyklus eine Länge von 29,5 Tagen hat, kam der Kalender in Bezug auf die Jahreszeiten, die er eigentlich kennzeichnen sollte, regelmäßig aus dem Takt.

    Diese Szene aus dem Stundenbuch Très Riches Heures des Herzogs von Berry aus dem 15. Jahrhundert zeigt europäische Bauern auf ihrem Hof zeigt und steht für den Monat Februar. Das reich verzierte Werk, in dem christliche Gebete und Andachten festgehalten sind, die zu bestimmten Zeiten am Tag aufgesagt werden sollen, ist eines der berühmtesten Stundenbücher der Welt.

    Foto von Illustration via Bridgeman Images

    Um diesem Durcheinander entgegenzuwirken, wurde ein Schaltmonat – Mensis intercalaris oder auch Mercedonius – eingeführt, der im Wechsel mal 27 und mal 28 Tage lang war. Da er aber nicht konsequent zum Einsatz kam und verschiedene Herrscher die Monate außerdem immer wieder umbenannten, blieb die Verwirrung weiterhin bestehen.

    „Die Tatsache, dass Kalender nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich waren, machte die Situation noch schlimmer“, sagt der Historiker Robert A. Hatch. „Kalender unterlagen der Kontrolle der Priester, die die Daten religiöser Feiertage festlegten und bestimmten, an welchen Tagen Geschäfte gemacht werden durften und an welchen nicht.“

    Der Julianische und der Gregorianische Kalender

    Im Jahr 45 v. Chr. kam es auf Verlagen von Julius Cäsar zu einer Kalenderreform, die den sogenannten Julianischen Kalender zum Ergebnis hatte. Der 365-tägige Kalender mit einem alle vier Jahre stattfindendem Schaltjahr wurde von dem späthellenistischen Astronomen und Mathematiker Sosigenes aus Alexandria entworfen. Obwohl er die Länge eines Jahres um 11 Minuten überschätzte, gelang es ihm doch, seinen Kalender mit der Sonne zu synchronisieren.

    Im Julianischen Kalender ist der 1. Januar als Jahresbeginn festgelegt: Der Tag, an dem die zwei Konsule – deren Amt das höchste im Römischen Reich war – traditionell ihren Dienst antraten. Zwar wurde der Julianische Kalender im Laufe seiner jahrhundertelangen Geschichte von vielen Kulturen übernommen, den 1. Januar als Start des neuen Jahres ignorierten aber einige.

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    Obwohl der ein oder andere auf Cäsar folgende römische Herrscher Einfluss auf den Kalender nahm, blieb er doch im Großen und Ganzen bis ins Jahr 1582 unverändert. Dann aber ließ Papst Gregor XIII. einige Änderungen vornehmen, durch die Zeit, die es brauchte, bis die Erde die Sonne umrundet hatte, präziser abgebildet werden sollte. Der Julianische Kalender war 365,25 Tage lang gewesen, der neue Gregorianische war nun 365,2425 Tage lang. Seit der Einführung des Julianischen Kalenders hatten sich die Daten aufgrund der Ungenauigkeit um etwa zwei Wochen verschoben. Dies ließ Papst Gregor XIII. anpassen, sodass der Kalender wieder mit den Jahreszeitenwechseln im Einklang war.

    Erst mit dieser Reform im Jahr 1582 wurde der 1. Januar universell und dauerhaft zum ersten Tag des neuen Jahres erklärt – für die meisten, zumindest. Nicht alle vollzogen den Wechsel zum Gregorianischen Kalender, sodass in der Orthodoxen Kirche zum Beispiel das Weihnachtsfest in den Januar fällt.

    Obwohl sich der Gregorianische Kalender in den meisten Teilen der Welt durchgesetzt hat, sind nach wie vor auch andere Kalendersysteme in Verwendung. Das hat zur Folge, dass der Jahreswechsel und die mit ihm verbundenen Feste und Rituale in verschiedenen Kulturen auf verschiedene Tage im Jahr fallen: Am 21. März feiert man im persischen Kulturraum zum Beispiel das Fest Nouruz, der jüdische Neujahrstag Rosch ha-Schana liegt im September und die Chinesen begrüßen das neue Jahr zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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