800.000 Jahre alte Spuren des Feuermachens gefunden
Seit wann kann der Mensch Feuer kontrollieren? Eine der bisher wohl ältesten Spuren des Feuermachens entdeckten Forschende nun im Westen Galiläas. Mithilfe eines KI-Programms wollen sie 800.000 Jahre alte Feuerrelikte von Frühmenschen identifiziert haben.
Diese prähistorischen Werkzeugüberreste fanden Archäologen bereits 1976 und 1977 im Evron-Steinbruch. Bei der erneuten Untersuchung wurde deutlich: Die Werkzeuge wurden vor etwa 800.000 Jahren auf bis zu 600 °C erhitzt.
Obwohl die Wichtigkeit des Feuers für die menschliche Evolution mittlerweile mehrfach wissenschaftlich bestätigt wurde, sind tatsächliche Feuerrelikte und -spuren, die menschlichen Vorfahren zugeordnet werden können, extrem selten. Denn bisher wurden diese hauptsächlich durch die visuelle Bewertung von Fundstücken durch Archäologinnen und Archäologen bestimmt – also auf sichtbare Rauch- und Feuerrückstände untersucht. Forschende aus Israel haben nun eine neue Methode entwickelt, auch nicht-sichtbare Feuerspuren erkenntlich zu machen – mithilfe Künstlicher Intelligenz.
So hat das Team um Filipe Natalio, Ido Azuri und Zane Stepka vom Weizmann-Institut für Wissenschaften aus Israel vermutlich einen der bisher ältesten Belege für die Feuernutzung menschlicher Vorfahren entdeckt – und den ersten, den man mit bloßem Auge nicht erkennen kann. „Bisher beruht die Identifizierung von Feuer in frühen Hominini-Fundstätten in erster Linie auf einer ersten visuellen Bewertung der physischen Veränderungen von Artefakten“, sagt das israelisch-kanadische Forschungsteam. Das sei aber nicht der einzige Weg, derartige Spuren zu identifizieren.
Konkret handelt es sich bei dem aktuellen Fund um mehrere etwa 800.000 Jahre alte Werkzeugüberreste aus einer Fundstelle im Evron-Steinbruch im Norden Israels, an denen mithilfe der KI-Methode Spuren von Hitzeeinwirkung durch Feuer festgestellt werden konnten. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forschenden im Fachmagazin PNAS.
Der Mensch und das Feuer
Die Unabdingbarkeit des kontrollierten Feuers für die menschliche Evolution wird mithilfe der sogenannten Koch-Hypothese nach Richard Wrangham deutlich. Sie besagt, dass sich der moderne Mensch nur durch die Bändigung des Feuers entwickeln konnte, weil er so seine Nahrung genießbarer und haltbarer machen konnte – und der Körper weniger Energie für die Nahrungssuche und -Verdauung aufbringen musste. Nach und nach konnte so das Gehirn der menschlichen Vorfahren wachsen – und sich weiterentwickeln.
Trotz dieser weitestgehend anerkannten Theorie sind tatsächlich gesicherte Nachweise über die Feuernutzung menschlicher Vorfahren eher selten. „Nur fünf archäologische Stätten auf der ganzen Welt liefern zuverlässige Beweise für antikes Feuer aus der Zeit vor über 200.000 Jahren“, so die Forschenden. Sie vermuten, dass diese Knappheit an Funden auch darauf beruht, dass bisher hauptsächlich nach visuellen Zeichen der Feuernutzung an Ästen, Knochen- oder Blattmaterial gesucht wurde. „Das führt dazu, dass die Häufigkeit von Feuer in den archäologischen Aufzeichnungen möglicherweise unterschätzt wird”, so das Team.
Doch nun kommt zu der Reihe der Feuerrelikte womöglich der erste mithilfe von KI identifizierte Nachweis der Feuernutzung hinzu. „Unsere Studie enthüllt das Vorhandensein von Feuer in einer Fundstätte aus dem Jungpaläolithikum und fügt eine neue Fundstätte zu einer Handvoll anderer hinzu, die Beweise für die Verbindung zwischen von frühen Hominini hergestellten Artefakten und Feuer liefern“, so die Forschenden.
Neben dem bisher ältesten Nachweis für die menschliche Nutzung von Feuer, der 2011 in Südafrika entdeckt wurde und auf verbrannten Pflanzen- und Knochenteilen beruht, könnten die in Israel identifizierten Feuerspuren nun einen weiteren Beweis dafür erbringen, dass menschliche Vorfahren vor über 800.000 Jahren bereits Feuer kontrolliert nutzen konnten – also zur Zeit des Frühmenschen Homo erectus. Die meisten weiteren Beweise menschlicher Feuernutzung stammen ansonsten hauptsächlich aus der Zeit von bis vor 200.000 Jahren im Zusammenhang mit Neandertalern oder frühen Formen des modernen Menschen.
Feuernachweis durch Künstliche Intelligenz
Die Entdeckung der Spuren war laut den Forschenden ein Erfolg wider Erwarten. Denn für ihre Untersuchung nutzten sie Werkzeugüberreste aus dem Evron-Steinbruch, die bereits bei Ausgrabungen in den 1970er Jahren geborgen und untersucht worden waren. „Die Archäologen, die die Funde aus dem Evron-Steinbruch analysiert haben, sagten uns, wir würden nichts finden“, sagt Azuri, Wissenschaftler für Künstliche Intelligenz und einer der Hauptautoren der Studie. Doch mithilfe der eigens für die Fundstücke aus dem Evron-Steinbruch entwickelten Methode belehrten er und sein Team ihre Kollegen eines Besseren.
“ Wenn wir diese Methode an archäologischen Stätten anwenden, die eine oder zwei Millionen Jahre alt sind, könnten wir über frühes Feuer vielleicht etwas ganz Neues lernen.”
Die Methode beruht auf sogenanntem Deep Learning, also einer Art der Informationsverarbeitung, bei der künstliche neuronale Netze genutzt werden, die Daten analysieren können. An die entscheidenden Ergebnisse kamen die Forschenden mithilfe eines solchen sogenannten 1D-CNN, das hitzebedingte strukturelle Veränderungen an den Komponenten der Werkzeugüberreste erkennen kann – eben genau solche, die für unser Auge unsichtbar bleiben. So wurde deutlich: Die im Steinbruch gefundenen Werkzeuge wurden in der Zeit vor etwa 800.000 Jahren auf bis zu 600 Grad Celsius erhitzt. Laut den Forschenden liegt nun die Vermutung nahe: Das Feuer, das dazu genutzt wurde, muss von Menschen gemacht worden sein.
Sicher ist das bisher jedoch nicht. Die Forschenden räumen ein, dass es bisher auch möglich sei, dass Buschfeuer für die Erhitzung der Fundstücke verantwortlich waren. Azuri und seinen Kolleginnen und Kollegen ist das aber gar nicht so wichtig, denn: Ihre Methode funktioniert – und kann nun weiter dazu genutzt werden, frühe Feuerstellen zu finden.
Stepka, die ebenfalls Hauptautorin der Studie war und Doktorandin am Weizmann Institut ist, sagt: „Wenn wir diese Methode an archäologischen Stätten anwenden, die eine oder zwei Millionen Jahre alt sind, könnten wir über frühes Feuer vielleicht etwas Neues lernen.“