Elfenringe und Teufelskreise: Die Geschichte der Kornkreise

Menschengemachte Landschaftskunst oder eine Nachricht von Außerirdischen? Sommer für Sommer landen neue Kornkreise in den Medien. Doch wie Märchen und Legenden zeigen, könnte das Phänomen der Kornkreise älter sein als gedacht.

Von Isabella Neber
Veröffentlicht am 28. Juli 2022, 13:31 MESZ
Kornkreis auf Milk Hill, Wiltshire 2001

Dieser gewaltige Kornkreis auf dem Milk Hill in Wiltshire im August 2001 bestand aus 409 Einzelkreisen und bedeckte eine Fläche von mehr als 50.000 Quadratmetern.

Foto von Andreas Müller

Sommer für Sommer tauchen in Getreidefeldern Kornkreise auf, die viele Schaulustige anlocken. Über ihr Entstehen wird viel diskutiert und spekuliert. Denn häufig entstehen die komplexen Muster innerhalb kurzer Zeit. Stehen sie in Verbindung mit außerirdischem Leben, sind sie ein noch unerklärbares Naturphänomen oder werden sie von Menschen gemacht?

Die Kornkreissaison beginnt in England und auf dem europäischen Festland in der Regel mit der Rapsblüte im April und dauert bis zum Abmähen der Getreidefelder im August. Die meisten Kornkreise werden in den Monaten Juli und August gesichtet. Für das Jahr 2022 verzeichnet das im englischen Wiltshire ansässige Crop Circle Exhibition & Information Centre bis Juli bereits 10 Kornkreise in Großbritannien. In früheren Jahren konnten Kornkreisforscher weltweit teilweise bis zu 300 neue Kornkreismuster pro Jahr dokumentieren. Die Anzahl ist jedoch stark rückläufig.

Unerklärliche Bodenveränderungen geben Rätsel auf

Obwohl die meisten Kornkreise, die wie außerirdisch wirkende Piktogramme in die Felder gepresst sind, wohl heimlich von menschlichen Künstlern angelegt werden, haben sich auch Wissenschaftler mit dem Phänomen der Kornkreise beschäftigt, Proben entnommen und diese untersucht. Das Ergebnis erstaunt: Einige Kornkreise wiesen teils schwer erklärbare Veränderungen in der Bodenstruktur auf, wie sie nicht durch die Bearbeitung von Menschen entstehen. Gibt es also doch „echte“ Kornkreise, die nicht von Menschenhand gemacht werden?

Auch Kornkreisforscher gehen davon aus, dass die meisten Kornkreise heute von Menschen gemacht sind – doch eben nicht alle. „Es gibt bei untersuchten Kornkreisen Eigenschaften auf mineralogischer oder pflanzenphysiologischer Ebene, die menschengemachte Kornkreise nicht aufweisen“, berichtet Kornkreisforscher und Buchautor Andreas Müller gegenüber National Geographic. Die im Labor untersuchten Veränderungen der Tonerdemineralien auf kristalliner Strukturebene aus einigen Kornkreisen wiesen auf sehr hohe und zugleich extrem kurzfristig einwirkende Temperaturen hin. „Diese Veränderungen kann man bei derzeitigem Stand der Wissenschaft einfach nicht erklären, sie tauchen nicht auf, wenn Menschen mit der Hand oder mit Maschinen Muster in Felder pressen“, so Müller.

Andreas Müller, 1976, ist Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor. Seine Bücher ("Kornkreise - Geometrie, Phänomene, Forschung" und "Phänomen Kornkreise") gehören zu den Standardwerken zum Thema. Er ist zudem Herausgeber des Nachrichtenportals www.grenzwissenschaft-aktuell.de (GreWi).

Foto von Andreas Müller

Kornkreise: Ein altes Phänomen?

Ein ebenfalls spannender Aspekt der Kornkreisforschung ist, dass das Phänomen des Kornkreises bereits sehr alt scheint. Beschreibungen von Kornkreisen mitsamt Erklärungstheorien über ihre Entstehung tauchen, wenn auch unter anderem Namen, schon in Legenden und alten Geschichten auf – und das in unterschiedlichen Kulturkreisen rund um den Globus.

In seinem Hexentraktat Démonolâtrie, das im Jahr 1590 in lateinischer Sprache erschien, beschreibt der herzoglich-lothringische Geheimrat und Generalankläger Nicolas Rémy den Prozess um eine Gruppe Personen, die in einem Kornkreis bockshufige Wesen angerufen haben sollen. Richter und Zeugen hätten, laut dem Bericht aus der frühen Neuzeit, den Kornkreis besucht und nach verdächtigen, übernatürlichen Spuren abgesucht. Die Originalquelle beschreibt hier einen runden, niedergelegten Kreis in einem Getreidefeld.

Kornkreisforscher diskutieren dieses Dokument als älteste mögliche Schriftquelle der Beschreibung eines Kornkreises. Dass das runde Muster im Kornfeld wirklich von einer Gruppe teufelsanbetender Menschen ausgetreten wurde, erscheint zur Zeit der großen Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, als kaum jemand vor Verleumdung und Anklage sicher war, sehr riskant. Alleine der Geheimrat Rémy soll während seiner Amtszeit über 900 Personen wegen Hexerei zur Hinrichtung gebracht haben.

2022 wurde diese 250 Meter durchmessende Kornkreisformation nahe Stonehenge entdeckt.

Foto von Andreas Müller

Wenn der Teufel selbst das Feld mäht

 „Eine erste grafische Umsetzung solcher Kornkreisgeschichten sehen wir auch in der Flugschrift The Mowing Devil aus dem Jahr 1678“, erklärt Kornkreisforscher Andreas Müller. Das Flugblatt berichtet von einem Bauern im englischen Hertfordshire, der mit einem Erntehelfer über die Bezahlung in Streit geraten war. Dessen Lohnforderung lehnte er ab – er ließe sich lieber vom Teufel persönlich das Feld mähen. Am nächsten Tag lag der Hafer auf seinem Feld kreisrund abgemäht, jeder Halm aber so präzise platziert, wie es kein Mensch in einer Nacht geschafft hätte. Einbringen konnte der Bauer seinen vom Teufel gemähten Hafer nicht. Waren die Pflanzen also doch nicht geschnitten, sondern lediglich in Kreisform niedergelegt?

Flugschrift von 1678 mit dem Titel "The Mowing Devil".

Foto von Gemeinfrei

„Diese und viele weiteren mündlichen Erzählungen und Überlieferungen zeigen immer wieder, dass das Phänomen der Kornkreise offenbar auch in vergangenen Jahrhunderten schon auftrat,“ so der Kornkreisforscher. Im Rahmen seiner Forschungen konnte er gerade in ländlichen Gebieten immer wieder mit Bauern sprechen, denen das Phänomen der Kornkreise nicht primär aus den Medien, sondern aus alten Erzählungen von Eltern oder Großeltern bekannt war. Aber auch wissenschaftliche Quellen beschreiben schon früh ein historisches Phänomen. So berichtete 1880 sogar die altehrwürdige Wissenschaftszeitschrift „Nature“ über ein Feld voller Kreise im britischen Guildford.     

Wenn nicht der Teufel und seine Anhänger für die Entstehung der kreisförmigen Muster im Feld verantwortlich gemacht wurden, ist in den Erzählungen auch häufig von Feen und anderen übernatürlichen Wesen die Rede. In irischen Märchen tauchen beispielsweise immer wieder Riesen auf, die nachts Muster in Felder trampeln. „Selbstverständlich sind die Geschichten und Legenden kein Beweis für die Existenz eines historischen Kornkreisphänomens – aber sie beschreiben sehr übereinstimmend den Sachverhalt, den wir heute als Kornkreis untersuchen,“ meint der Kornkreisforscher.

Dass zu früheren Zeiten der Teufel und andere Sagengestalten verdächtigt wurden, die kreisförmigen Muster in die Felder zu mähen, liegt für Müller auf der Hand: „Alles, was man sich nicht erklären konnte, hat man erst einmal mystifiziert. Und weil mit der Zerstörung des Feldes immer auch ein schädlicher Ernteausfall verbunden war, vermutete man natürlich böse und übermächtige Kräfte hinter dieser Tat.“

Die Geometrie des Kornkreises ist meist nur aus der Luft zu erkennen.

Foto von Andreas Müller

Teufel und Feen werden zu Außerirdischen

Eine ähnliche Faszination scheint das Phänomen der Kornkreise auch heute noch auf die Menschen zu haben. Teufel, Hexen oder Feen aus alten Geschichten wurden im Laufe der Zeit zu Außerirdischen, die Kornkreise ihre Art der Kontaktaufnahme mit den Menschen oder Abdrücke ihrer Raumschiffe. „Der mähende Teufel von damals ist das Alien von heute,“ meint Andreas Müller. „Um das Rätselhafte zu erklären, nutzen wir gerne die möglichst exotischsten, aber immer noch denkbaren Konzepte aus unserem eigenen sozio-kulturellen Kontext.“

Die Spekulationen und Geheimnisse, die sich auch heute noch um das Phänomen der Kornkreise ranken, faszinieren viele Menschen jedenfalls so sehr, dass sie sogar in Bussen anreisen, um Kornkreise zu besuchen und die Aura der Kreismuster im Feld zu spüren.

Und auch wenn es am naheliegendsten scheint, dass es sich bei dem Phänomen Kornkreis um von Menschenhand gemachte „Kunstwerke“ handelt, bleibt ein Teil geheimnisvoll und unerklärbar, sodass wir heute mit ähnlich faszinierenden Geschichten und Erklärungen von Außerirdischen zu tun haben, wie die Menschen vor vielen Jahren mit Feen, Riesen oder gar dem Teufel persönlich. 

Kornkreis mit Sonnensymbolik am Old Village of Shaw in Wiltshire.

Foto von Andreas Müller
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