Der fränkische Panzerreiter als Retter Europas? Wie die ersten Ritter der Geschichte an Bedeutung gewinnen

Die fränkischen Panzerreiter stoppten im 8. Jahrhundert den Vormarsch der Mauren in Europa und gelten seitdem als Vorläufer der ersten Ritter.

Von Florian Gahn
Veröffentlicht am 23. Juni 2023, 12:59 MESZ
fränkische Panzerreiter in der Schlacht

Die schwer gepanzerten Reiter gelten als Vorläufer der ersten Ritter.

Foto von Erica Guilane-Nachez - Adobe Stock

Im 8. Jahrhundert war das Frankenreich gefordert: Die Mauren hatten große Teile Spaniens erobert und drängten nun Richtung fränkisches Reich. Insbesondere die wendigen maurischen Reiter waren eine ernste Gefahr für die fränkischen Truppen, primär für die langsamere Infanterie. In dieser schwierigen Lage entschied der fränkische Anführer Karl Martell, eine neue Truppe zu schaffen – die fränkischen Panzerreiter. Sie gelten als die ersten Ritter der Geschichte.

Vom Fußsoldaten zum gepanzerten Reiter

Vor der Zeit der fränkischen Panzerreiter sah die Ausrüstung von Soldaten anders aus: Die Krieger des Römischen Reiches im 3. und 4. Jahrhundert waren meist zu Fuß auf dem Schlachtfeld unterwegs und trugen nur eine leichte Rüstung, welche den Körper nicht komplett vor tödlichen Treffern schützte. Die römischen Soldaten zu Pferd, die „Equites", waren leichter bewaffnet und gepanzert als die fränkischen Panzerreiter. Vorwiegend trugen sie einen Helm und einen Schild, die Rüstung bestand aus Leder oder Kettenhemden. Als Hauptwaffen dienten Lanzen und Schwerter.

Auch wenn die römischen Streitkräfte oft siegreich kämpften, wappnete sie ihre Ausrüstung nicht so gut gegen schnelle, berittene Angriffe. Doch genau auf diese geschickte Taktik setzten die Mauren gezielt ab dem 8. Jahrhundert bei ihren Attacken an den Grenzen Europas.

Die Rüstungs- und Waffenentwicklung trug bei den fränkischen Panzerreitern wesentlich zu ihrer militärischen Schlagkraft bei. Bestanden die Rüstungen anfänglich aus Kettenhemden, wurden sie später durch Plattenrüstungen ergänzt oder ersetzt - denn sie boten einen deutlich besseren Schutz auf dem Schlachtfeld, da sie den ganzen Körper des Reiters schützen. Die Hauptwaffen der Panzerreiter waren Schwerter und Speere, wobei im Laufe der Zeit Streitäxte und Morgensterne hinzukamen, um ebenfalls gepanzerte Gegner effektiver zu bekämpfen. Zusätzlich trug der Einsatz von Steigbügeln zum Erfolg der Panzerreiter bei: Dadurch konnten die durch Rüstung und Waffen schwer beladenen Reiter möglichst schnell auf ihr Pferd steigen.

Die ständige Weiterentwicklung von Rüstungen, Waffen und Taktiken führte zur militärischen Überlegenheit der Panzerreiter und legte den Grundstein für die späteren Ritter des Mittelalters, die auf diesen Errungenschaften aufbauten und sie weiter perfektionierten.

Bedrohung durch die Mauren

Die Bedrohung durch die Mauren im 8. Jahrhundert wurde zur echten Herausforderung für das Frankenreich. Die muslimische Armee aus Nordafrika eroberte unter dem Befehl von Abd ar-Rahmen große Teile Spaniens und drang in Richtung des Frankenreiches vor. Ihre schnellen und geschickten Reiter gefährdeten die fränkische Armee, vornehmlich die langsamen und weniger beweglichen Fußsoldaten.

Die Mauren waren berühmt für ihre fortschrittlichen Taktiken und den effektiven Einsatz der Kavallerie. Ihre leichte Reiterei war extrem wendig und durchbrach zügig feindliche Linien, wodurch deren Kommunikation und Versorgung gestört wurde. Die schwere Kavallerie war in der Lage, feindliche Formationen aufzubrechen und entscheidende Schläge auszuführen.

Angesichts der Bedrohung durch die Mauren mussten sich die fränkischen Streitkräfte anpassen. Karl Martell, der fränkische Heerführer, erkannte die Notwendigkeit einer effektiven Antwort auf die flinken, maurischen Reiter und führte die fränkischen Panzerreiter ein. Ihr erfolgreicher Einsatz half dabei, die maurische Bedrohung abzuwenden und das Frankenreich zu sichern.

Entscheidende Schlacht von Tours und Poitiers

Die Schlacht von Tours und Poitiers im Jahr 732 zeugt als ein entscheidender Moment der europäischen Geschichte eindrucksvoll von der Bedeutung der fränkischen Panzerreiter: Hier stellten sich die Truppen des fränkischen Hausmeiers Karl Martell in der Schlacht den Mauren entgegen, die von Spanien aus nach Europa vordrangen. 

Das arabische Heer der Mauren bedrohte das Frankenreich und hatte bereits weite Teile Spaniens erobert. Die geschickten Reiter der Mauren stellten insbesondere die fränkische Infanterie vor große Herausforderungen. Karl Martell erkannte die Bedrohung und rüstete seine Armee auf, indem er die fränkischen Panzerreiter an die Front stellte. Eingesetzt in enger Schlachtordnung als Schockkavallerie, stellten sie ihre gewaltige Durchschlagskraft unter Beweis. Diese schweren Reiter, ausgerüstet mit Rüstungen und Waffen, waren im Kampf gegen die Mauren effektiver als die bisher eingesetzte Infanterie. So gelang es den fränkischen Panzerreitern in der Schlacht von Tours und Poitiers, die Mauren niederzuschlagen und deren weiteren Vormarsch in Europa zu stoppen. 

Dieser Sieg sicherte das Überleben des Frankenreiches und legte den Grundstein für das mittelalterliche Europa. Allein der Einsatz der Panzerreiter, ihre Taktik und Ausrüstung ermöglichten es, die Mauren erfolgreich zu bekämpfen und das Frankenreich zu retten. Die Schlacht von Tours und Poitiers belegt, wie wichtig die Reiter waren, warum sie als die ersten Ritter der Geschichte gelten und welche Rolle sie in der militärischen Geschichte Europas spielten.

In der Schlacht von Tours und Poitiers konnte man die Mauren entscheidend schlagen.

Foto von Erica Guilane-Nachez - Adobe Stock

Karl Martell und die Entstehung der schweren Reiterei

Als bedeutender fränkischer Heerführer war Karl Martell maßgeblich an der Entwicklung der schweren Reiterei beteiligt. Angesichts der Bedrohung durch die maurischen Reiter suchte er nach einer starken Gegenmaßnahme. Aus seiner strategischen Planung entstanden die fränkischen Panzerreiter.

Um die neue Kavallerie aufzubauen, setzte Karl Martell auf das Lehnswesen: Adlige bekamen Ländereien und mussten dafür eine bestimmte Anzahl schwerer Reiter für das Heer stellen. Das erlaubte den Aufbau einer gut ausgebildeten, ausgerüsteten und loyalen Kavallerie, die im Kampf entscheidende Vorteile bot. Ihre schweren Rüstungen, gut ausgebildeten Pferde und effektiven Kampftaktiken setzten den Standard für die Kavallerie in den kommenden Jahrhunderten und prägten die Kriegsführung im mittelalterlichen Europa.

Militärische Bedeutung und Rolle im Frankenreich

Die Panzerreiter galten als die Elitetruppen ihrer Zeit und waren sowohl für die Verteidigung als auch die Gebietseroberung unverzichtbar. Ihre Geschwindigkeit, Mobilität und Durchschlagskraft ermöglichten es den fränkischen Heerführern, entscheidende Siege zu erringen und die Grenzen des Reichs auszudehnen. Zudem kamen die Panzerreiter zur Grenzsicherung, sowie zur Durchsetzung der königlichen Autorität zum Einsatz. Ihre Präsenz an den Grenzen des Frankenreiches verhinderte Einfälle von feindlichen Truppen und schützte das Hinterland. Zugleich waren sie in der Lage, rasch auf Aufstände oder lokale Konflikte zu reagieren und für Ordnung und Stabilität zu sorgen. 

Durch ihre Erfolge auf dem Schlachtfeld trugen die fränkischen Panzerreiter maßgeblich zur Festigung der fränkischen Herrschaft bei. Ihre Loyalität gegenüber dem König und ihre militärischen Fähigkeiten wurden geschätzt und belohnt, wodurch ihre gesellschaftliche Stellung innerhalb des Reichs weiter stieg. Enge Verbindungen zum Adel und der königlichen Familie führten dazu, dass sie schließlich als Vorläufer für die späteren Ritter des Mittelalters gelten.

Karl der Große und die „ersten Ritter“

Über Generationen hinweg schützten die Reiter Dynastien: Karl der Große, der Enkel von Martell und ebenfalls einer der bedeutendsten Herrscher des Frankenreiches, nutzte das Potenzial der fränkischen Panzerreiter gezielt zur Stärkung seiner Macht und zur Sicherung seines Reichs. Unter seiner Führung wurden die Truppen der schwer gepanzerten Reiter weiter ausgebaut und perfektioniert. Er förderte ihre Ausbildung, sorgte für eine bessere Ausrüstung und setzte sie in entscheidenden Schlachten und Feldzügen ein. Die schweren Reiter wurden zu einer der zentralen Säulen seiner Kriegsmacht.

Als König des Reichs (768 bis 814 n. Chr.) integrierte Karl der Große die Panzerreiter auch in seine politische Strategie, indem er die Loyalität der Adligen und Krieger förderte, die zu seinen gepanzerten Reitern gehörten. Er belohnte sie mit Ländereien und Privilegien, wodurch er ihre Verbundenheit zum Herrscherhaus stärkte. Diese enge Bindung trug zur Festigung seiner Macht bei und unterstützte die Errichtung des Karolingischen Reichs, das als Vorläufer vom Heiligen Römischen Reich gelten kann. Mit viel militärischem und politischem Gespür legte Karl der Große den Grundstein für eine neue Ära in der Geschichte und die Panzerreiter wurden Ende des 9. Jahrhunderts zu den ersten europäischen Rittern.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Durch die schweren Rüstungen waren die Reiter gut geschützt in der Schlacht.

    Foto von Mr Doomits - Adobe Stock

    Das Erbe der fränkischen Panzerreiter

    Die fränkischen Panzerreiter gelten als Urväter der mittelalterlichen Ritter. Sie standen dem Adel nahe, prägten das Feudalsystem und das Lehenswesen. Ihre Fähigkeiten im Kampf, ihre Treue und ihr Mut dienten den Rittern des Mittelalters als Vorbild. Zudem beeinflussten sie stark die Kultur Europas, denn ihre Heldentaten und Geschichten inspirierten spätere Ritterdichtungen und höfische Literatur - bis heute prägen sie unsere Vorstellung von Rittern und mittelalterlicher Kultur. Die Werte, Tugenden und Kampfkünste der schweren Reiter wurden von Generation zu Generation weitergegeben und formten die Idee von Ritterlichkeit und Mut, die bis heute in der westlichen Kultur präsent sind.

    Zusammenfassung

    Die fränkischen Panzerreiter, die als die ersten Ritter gelten, spielten im 8. Jahrhundert eine entscheidende Rolle für das Frankenreich und die Festigung Europas. Sie entstanden, um der Bedrohung durch die Mauren entgegenzuwirken und das Reich zu schützen, wobei sie maßgeblich zur Verteidigung der Fundamente und Grenzen Europas beitrugen. Ihre Erfolge und ihre Stellung in der fränkischen Gesellschaft legten den Grundstein für die Ritterkultur und die militärische Geschichte des mittelalterlichen Europas. Die Panzerreiter übten einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Vorstellung von Ritterlichkeit und Tapferkeit aus, die bis heute in der westlichen Kultur präsent ist.

    Das National Geographic Magazin 6/23 ist seit dem 25. Mai im Handel erhältlich.

    Foto von National Geographic

    Noch mehr spannende Reportagen finden Sie im NATIONAL GEOGRAPHIC Magazin. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis!

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved