Überraschungsfund im Kreis Soest: Geheimnisvolle Kirche aus dem 9. Jahrhundert entdeckt
Archäolog*innen haben in einem Feld nahe der Stadt Erwitte die Überreste einer etwa 1.120 Jahre alten Kirche entdeckt. Über das Bauwerk gibt es bislang keine Aufzeichnungen – und auch ihre Bauart ist für die Region unüblich.
Um das Fundament des Kirchensaales mitsamt seinen Anbauten freizulegen, brauchten die LWL-Mitarbeitenden insgesamt fast drei Jahre.
Erst waren es nur ein paar Bruchstücke aus Kalkstein, die auf dem Feld östlich von Erwitte im Kreis Soest zum Vorschein kamen. Nach und nach offenbarte sich dann ein gesamtes Fundament – von einem großen Steinbau, der einst an dem Ort gestanden hat.
Entdeckt wurden die Kalksteine im Jahr 2021 zufällig von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter, der die Fachleute des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) auf den Plan rief. Diese stellten mehrere Ausgrabungen an, bis im Spätsommer 2023 klar wurde: Auf dem heutigen Feld stand vor etwa 1.120 Jahren eine für Westfalen bislang einzigartige Kirche.
Ungewöhnlicher Grundriss
Insgesamt brauchte es drei Grabungskampagnen in den Jahren 2021, 2022 und 2023, bis der Grundriss der ehemaligen Kirche vervollständigt werden konnte. Jetzt weiß man: Die Kirche bestand aus einem etwa 8,40 Meter breiten Saal, der an einen sogenannten Chor, den Altarraum, und einen ungewöhnlichen zweiten Raum, den Chorscheitelbau, anschloss. Insgesamt ist der Grundriss etwa 30 Meter lang.
Grundriss der alten Kirche. Ein solcher Kirchenaufbau ist für die Region Westfalen bislang einzigartig.
Ein solcher Kirchengrundriss ist in Westfalen bislang unbekannt – und macht den Fund zu einer kleinen Sensation. „Vergleichbare Kirchenbauten sind jedoch bekannt, beispielsweise von den Stiftskirchen in Bonn-Vilich und vom Niedermünster in Regensburg“, sagt LWL-Chefarchäologe Michael Rind. Für die Region sei die Kirche aber einzigartig.
Eine erste Datierung konnten die Archäolog*innen des LWL anhand von Keramiken, die ebenfalls an der Grabungsstelle gefunden wurden, und mithilfe erster Radiokarbondatierungen vornehmen. Sie schätzen, dass die Kirche Anfang des 9. Jahrhunderts genutzt wurde. Dafür sprechen auch Vergleiche mit ähnlichen Kirchenbauten aus anderen Regionen.
Keine Erwähnung in den Aufzeichnungen
Doch ihre Bauart ist nicht die einzige Besonderheit der Kirche. Ihre gesamte Existenz ist rätselhaft: schriftliche Quellen zu ihrem Bau und ihrer Nutzung gibt es bislang keine. Laut LWL stammen die frühesten Berichte aus der Region aus dem 11. Jahrhundert. In diesen wird von der Besiedlung einer Bachaue in der Region berichtet, allerdings nicht von einer Kirche.
Die Grabungen zeigen außerdem, dass die Region schon vor dem Bau der Kirche bereits einmal bewohnt gewesen sein muss. „Wir haben Baugruben von Pfostenbauten um die Kirche und unterhalb der Fundamente, die auf eine Besiedlung an diesem Ort schon seit der Römischen Kaiserzeit verweisen“, sagt Grabungsleiterin Eva Cichy von der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie.
Auch die nun entdeckte Kirche stand wohl nicht lange an ihrem Ort. Noch vor dem 12. Jahrhundert wurde sie vermutlich planmäßig wieder abgebaut – warum, hoffen die Archäolog*innen bei weiteren Untersuchungen herauszufinden.