Fake News in der Wissenschaft: 5 spektakuläre Fossilien-Fälschungen

Von den Würzburger Lügensteinen bis zum Giganten von Cardiff: Immer wieder gehen Forschende gefälschten Fossilien auf den Leim. Von absichtlichem Betrug, einem fiesen Streich und einem aufgemalten Fossil aus den Alpen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 22. Feb. 2024, 08:57 MEZ
Mehrere weiße Männer stehen und sitzen um einen Tisch, auf dem diverse Schädel liegen.

Gemälde einer Gruppe Wissenschaftler, die den Piltdown-Menschen untersuchen, eine der wohl berüchtigtsten Fälschungen der Wissenschaftsgeschichte. Wirklich aufgeflogen ist der Schwindel erst über 40 Jahre nach dieser im frühen 19. Jahrhundert einberufenen Zusammenkunft.

Foto von John Cooke, 1866-1932 / Public Domain

Fossilien-Fakes versetzen die Wissenschaftscommunity immer wieder in Aufregung. Eines der bekanntesten Beispiele ist wohl der Archaeoraptor, der von Wissenschaftler*innen 1999 als Bindeglied zwischen Vögeln und Dinosaurier vorgestellt wurde – bis nur ein Jahr später klar wurde, dass das Fossil gefälscht war. Der Finder des Fossils, ein chinesischer Landwirt, hatte lediglich die Knochen verschiedener anderer Fossilien zusammengeklebt.

Doch Archaeoraptor ist lange nicht die einzige Fälschung, der Wissenschaftler*innen zunächst eine ganze Zeit lang auf den Leim gegangen sind. Vier weitere Fossilien-Fakes, die noch weitere Kreise zogen als die Fälschung aus China.

Inhalt

  • Die Beringerschen Lügensteine
  • Der Piltdown-Mensch
  • Der Gigant von Cardiff
  • Fälschung aus den Alpen

Die Beringerschen Lügensteine

BELIEBT

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    Die Beringerschen Lügensteine gehören heute zur Sammlung des Naturalienkabinetts Waldenburg. Einige der Gebilde auf den Steinen sind klar als Spinnen oder Käfer zu identifizieren – andere stellten gar keine existierenden Tiere dar.

    Foto von Museum-Naturalienkabinett Waldenburg / CC BY-SA 4.0

    Eine der wohl bekanntesten Fälschungsgeschichten aus Deutschland spielte sich Anfang des 18. Jahrhunderts in Bayern ab. Der deutsche Arzt Johann Beringer grub nahe eines Weinbergs in Eibelstadt bei Würzburg nach und nach Fossilien verschiedenster Art aus, nachdem ihn Studierende auf den Fundort hingewiesen hatten. Gemeinsam mit seinen Helfern förderte Beringer insgesamt über 1.000 verschiedene Funde zutage.

    Kurz nach der Entdeckung der ersten Steine veröffentlichte der Arzt im Jahr 1726 eine wissenschaftliche Abhandlung zu den Funden. In seiner Lithographiae Wirceburgensis beschrieb Beringer die Fossilien und fügte Kupferstiche der Funde bei – darunter Spinnen, Frösche und Vögel, aber auch kuriose Motive wie Sonnen und Kometen mit hebräischen und arabischen Schriftzeichen. Laut Überlieferung bekam Beringer schon beim Ausgraben der seltsamen Fossilien Zweifel an der Echtheit der Funde, hielt an seinem Buch aber dennoch fest. Doch bald stellte sich heraus: Es handelte sich ausnahmslos um Fälschungen.

    Bis heute ist unklar, wer genau für die Fossilien-Fakes verantwortlich ist – und warum. Eine Theorie besagt, dass Beringer die Funde, die heute als Würzburger oder Beringersche Lügensteine bekannt sind, möglicherweise selbst gefälscht hat. Wahrscheinlicher ist, dass dem Arzt ein Streich gespielt wurde – entweder von den Studierenden, die ihn auf den Fundort hingewiesen hatten, oder von missmutigen Kollegen.

    Der Piltdown-Mensch

    Eine Rekonstruktion des Piltdown-Menschen.

    Foto von Public Domain

    Im Jahr 1912 präsentierte der Antiquitätensammler und Hobbywissenschaftler Charles Dawson gemeinsam mit dem Paläontologen Arthur Smith Woodward vom British Museum fossile Überreste, mit denen angeblich eine Lücke in der Evolutionsgeschichte zwischen Affe und Mensch geschlossen werden konnte – den Piltdown-Menschen. 

    Entdeckt hatte Dawson die skelettalen Überreste bei Grabungen nahe dem Dorf Piltdown in der Grafschaft Sussex in Südengland. Er stellte seinen Fund Smith Woodward vor, der die Rekonstruktion des Schädels übernahm. Benannt wurde der Affenmensch nach seinem vermeintlichen Entdecker und sollte als Eoanthropus dawsoni in die Wissenschaftsgeschichte eingehen.

    Zweifel an der Echtheit der Entdeckung gab es zwar schon damals, wirklich aufgeflogen ist der Schwindel aber erst im November 1953. Drei Wissenschaftler des British Museum of Natural History veröffentlichten einen Bericht, aus dem hervorging, dass das Fossil aus der Kombination von einem menschlichen Schädel mit dem Unterkiefer eines Affen bestand. Die Knochen waren behandelt worden, um sie farblich anzugleichen und die Zähne im Unterkiefer waren abgeschliffen. Neuen Erkenntnissen zufolge stammte der Kiefer von einem Orang-Utan aus Borneo, die menschlichen Überreste von mindestens zwei Individuen.

    Wahrscheinlich ist, dass Dawson selbst derjenige war, der die Fälschung erstellt hatte – da er sowohl am Fund und der Bekanntmachung als auch der Benennung des vermeintlichen Affenmenschen maßgeblich beteiligt gewesen war.

    Der Gigant von Cardiff

    Eine weitaus schlechtere Fälschung ist jene, die im Jahr 1869 in der Gemeinde Cardiff im US-Bundesstaat New York ausgegraben wurde: ein über drei Meter großer versteinerter Riesenmensch. Akribisch geplant wurde der „zufällige“ Fund des Riesen im Vorfeld von dem Tabakproduzenten George Hull, der auch für die Fälschung verantwortlich war. Auf die Idee kam er nach einer Diskussion mit einem Priester über eine Bibelstelle im Buch Genesis, in der die Existenz des „Geschlechts der Riesen“ erwähnt wird.

    Kurzerhand ließ er einen solchen Riesen von dem deutschen Steinmetz Edward Burghardt und dessen Kollegen aus Gips fertigen, behandelte die Statue mit Säuren und weiterem Werkzeug so, dass sie nach einer tatsächlich versteinerten Leiche aussah, und ließ den Riesen dann auf dem Farmgelände seines Bekannten William Newell in Cardiff begraben. Unter einem Vorwand kehrte Hull kurz darauf an die Stelle zurück und ließ sie ausheben – wodurch der „versteinerte Riese“ entdeckt wurde.

    Links: Oben:

    Der Gigant von Cardiff wird seit den 1940er-Jahren im Farmers’ Museum in Cooperstown im US-Bundesstaat New York ausgestellt.

    Foto von Martin Lewison / CC BY-SA 2.0
    Rechts: Unten:

    Ausgrabung des Giganten von Cardiff.

    Foto von Public Domain

    Es dauerte nicht lange, bis die Öffentlichkeit von der fossilen Sensation erfuhr – und in Scharen anreiste. Newell und Hull schirmten den Riesen ab und nahmen von den bis zu 500 Schaulustigen pro Tag Eintritt. Bereits früh aufkommende Stimmen, die den Riesen als Fälschung bezeichneten, konnten die Menschen nicht von ihrem Besuch abbringen. „Die Mehrheit des Volkes wollte, dass der Riese ein fossiler Mensch war, und nichts konnte sie von diesem Glauben abbringen“, schreibt die Historikerin Barbara Franco im Jahr 1969. George Hull habe das vorausgesehen und dieses Wissen zu seinen Gunsten genutzt. 

    Den Giganten von Cardiff kann man bis heute bestaunen: Seit dem 1940er-Jahren liegt er im Farmer’s Museum in Cooperstown, New York.

    Fälschung aus den Alpen

    Tridentinosaurus antiquus galt lange Zeit als wichtiges Exemplar für das Verständnis der frühen Reptilienevolution. Nun müssen Forschende das Fossil allerdings neu bewerten – denn ein Teil dessen besteht nur aus Farbe.

    Foto von Dr. Valentina Rossi

    Der aktuellste Fall eines Fake Fossils ist ein zuvor als bahnbrechend eingestufter Fund aus den Alpen aus dem Jahr 1931. Erst im Februar 2024 hat ein italienisches Studienteam durch Zufall entdeckt, dass es sich dabei teilweise um eine Fälschung handelt. Das in den italienischen Alpen entdeckte Fossil Tridentinosaurus antiquus galt als besonders, weil man glaubte, dass neben seinen Knochen auch Weichgewebe erhalten geblieben war – in Form des Körperumrisses des Tieres, der sich auf dem Gestein abzeichnete.

    Die neue Studie aus Italien zeigt nun aber: Die Umrisse des Körpers waren nur aufgemalt. Lediglich die aus dem Gestein herausragenden Hinterbeinknochen scheinen tatsächlich die 280 Millionen Jahre, die seit dem Tod des Tieres vergangen sind, überdauert zu haben. „Die merkwürdige Erhaltung von Tridentinosaurus hat Experten jahrzehntelang vor ein Rätsel gestellt. Jetzt ergibt alles einen Sinn. Was als verkohlte Haut beschrieben wurde, ist nur Farbe“, sagt Evelyn Kustatscher, Paläobotanikerin und Mitautorin der Studie. 

    Unklar ist noch, wer hinter dem historischen Schwindel steckt – und wann genau die Farbe angebracht wurde.

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