250 Jahre altes Graffiti: Soldaten ritzten historische Bilder in Burg-Tür

Forschende haben im mittelalterlichen Dover Castle in England über 50 Darstellungen gefunden, die Soldaten in eine Tür geritzt haben. Darunter mehrere Darstellungen von Erhängungen und möglicherweise ein Bild Napoleons mit charakteristischem Hut.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 24. Mai 2024, 08:36 MESZ
Mehrere eingeritzte Darstellungen im Holz der Tür.

Diese 250 Jahre alten Darstellungen sehen fast so aus, als wäre das Spiel Galgenmännchen schon damals beliebt gewesen.

Foto von English Heritage

Als Napoleon Ende des 18. Jahrhunderts versuchte, in Irland einzufallen, wuchs auch in England die Angst vor einem Angriff durch die Franzosen. Ein wichtiger Truppenstandort, der im Zuge der Verteidigungsmaßnahmen eingerichtet wurde, befand sich im Dover Castle, einer Burg an der Küste Englands – nur wenige Seemeilen von Frankreich entfernt.

Beim Warten auf den Feind hatten die mehreren Tausend Soldaten, die in der Burg stationiert waren, trotz der angespannten Situation viel Zeit totzuschlagen. Ein Forschungsteam aus England konnte nun einen Zeitvertreib der Männer aufdecken: Sie hatten über einen Zeitraum von etwa 60 Jahren unzählige kleine Bilder und wichtige Daten in die Tür eines Wachturms geritzt. Unter den 250 Jahre alten Darstellungen: Initialen sowie Nachnamen der Soldaten und das Datum der französischen Revolution.

Ein Wissenschaftler arbeitet mit Instrumenten vorsichtig an den Gravierungen in der Tür.

Die Forschenden restaurieren die Tür vorsichtig, um die Darstellungen genauestens untersuchen zu können.

Foto von English Heritage

Kritzeleien in der Wachturm-Tür

Entdeckt wurde die Tür von einem Team aus Archäolog*innen des englischen Amts für Denkmalschutz English Heritage. Paul Pattison, leitender Historiker bei English Heritage, und sein Team hatten die Tür im St John's Tower, einem der wichtigsten Wachtürme am großen äußeren Graben der Burg, entdeckt. Der Turm wurde laut ihm vermutlich zu jeder Zeit von zwischen sechs und 12 Soldaten bewacht, von denen ein oder zwei direkt auf dem Turm stationiert waren. 

Diese ließen während der langen Arbeitszeiten offenbar immer wieder ihrer Kreativität freien Lauf. So fanden die Forschenden auf der Tür neun Darstellungen von Erhängungen und die Nachnamen Downam und Hooper oder Hopper. Dazu Initialen und einzelne Wörter. Besonders spannend ist laut den Forschenden eine Figur, die mit mehr Detail ausgeschmückt wurde als die anderen. Laut Pattison trägt einer der dargestellten Männer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Militäruniform und einen sogenannten Zweispitz, einen Hut mit besonderer Krempe. In den Sinn kommt einem laut den Forschenden sofort eine Person: Napoleon, der bereits damals für seinen charakteristischen Hut bekannt war und der den Soldaten ohnehin im Sinn gewesen sein muss. 

BELIEBT

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    Die gesamte Tür vor einer grauen Wand.

    Die gesamte Tür. Unten auf dem zweiten Brett von rechts befindet sich die Darstellung des Mannes, der Napoleon sein könnte, links oben einer der Nachnamen.

    Foto von English Heritage

    Was die Soldaten beschäftigte, lässt sich so schnell erraten: der drohende Angriff und die Gewalt, die mit der Offensive Frankreichs auf sie zuzukommen schienen. „Diese Graffiti geben einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt dieser Soldaten, vor allem in einer so bewegten Zeit“, sagt Pattison.

    Dover Castle: Der Schlüssel zu England

    Aufgrund seiner geografischen Lage war Dover Castle in seiner 900-jährigen Geschichte verteidigungstechnisch immer wieder relevant, beispielsweise im ersten Krieg der Barone, einem Bürgerkrieg im frühen 13. Jahrhundert. Immer wieder wurde es von Königen ausgebaut, allen voran von Heinrich II. und Heinrich III. 

    Nach einiger Zeit der Vernachlässigung während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit wurde die Burg in den 1790er-Jahren dann aufgrund des drohenden Angriffs Napoleons erstmals wieder in großem Stil renoviert. Tausende Soldaten zogen ein, darunter auch die Graffiti-Künstler.

    Im Juli 2024 wird die Geschichte der Burg als wichtiger Ort der Verteidigung Englands im Rahmen einer Ausstellung von English Heritage aufgearbeitet. Für die Ausstellung Dover Castle Under Siege – zu Deutsch: Dover Castle im Belagerungszustand – wurde die Tür nun restauriert.

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