Spektakulärer Mosaikfund: So sah jüdisches Leben unter römischer Herrschaft aus

Archäologen entdeckten in Galiläa unter den Trümmern einer Synagoge kunstvolle Mosaike. Die Darstellungen werfen ein neues Licht auf das Leben der Juden unter römischer Herrschaft.

Von Ann R. Williams
Veröffentlicht am 22. Mai 2024, 22:25 MESZ
Mosaike in Galiläa

Archäologen entdeckten in Galiläa unter den Trümmern einer Synagoge kunstvolle Mosaike. Die Darstellungen werfen ein neues Licht auf das Leben der Juden unter römischer Herrschaft.

Foto von Paolo Verzone

Die Archäologin Jodi Magness wusste nicht, was sie erwartete, als sie im Sommer 2010 den Hügel mit Blick über den See Genezareth erklomm. Hier, im Nordosten Israels, hatte einst das jüdische Dorf Huqoq gelegen. Dessen oberirdisch erkennbare Reste bestanden aus jahrhundertealten Bausteinen, Schutt und wildem Senf. Magness, National Geographic Explorer und Professorin für Frühes Judentum an der University of North Carolina in Chapel Hill, hatte schon viele Ausgrabungen in Israel geleitet. Dass diese Hügelkuppe eine Erkundung wert war, ahnte sie. Im folgenden Sommer stieß sie mit ihrem Team etwa zwei Meter unter der Erdoberfläche auf eine Steinmauer.

​Überraschende Entdeckung

Mehrere Indizien – darunter ein nach Jerusalem ausgerichtetes Hauptportal – deuteten darauf hin, dass es sich dabei um die Umfriedung einer Synagoge handelte, die im frühen 5. Jahrhundert errichtet worden war. Ähnliche Gebäude aus der Zeit hatten einen mit Steinplatten gepflasterten Boden – doch hier stieß das Team beim Weitergraben auf immer mehr Mosaiksteinchen oder Tesserae. Ein Hinweis darauf, dass sich an diesem Ort etwas Besonderes befinden könnte. An einem heißen Tag im Juni 2012 entfernte Bryan Bozung, frischgebackener Absolvent der Brigham Young University, vorsichtig die Erde von seinem Grabungsplatz. Plötzlich stieß er auf etwas Hartes. Jodi Magness, die er alarmierte, fegte selbst den verbliebenen Schmutz fort.

Plötzlich blickte den beiden eine Frau entgegen: Ihr Gesicht, fein in Mosaiksteinchen gezeichnet, war der erste Teil des Mosaiks, das nach und nach zum Vorschein kommen sollte. In den folgenden zehn Jahren kehrte Magness jeden Juni mit einem internationalen Team von Experten und Studenten nach Huqoq zurück. Ihr ursprüngliches Projekt, die Ausgrabung, erweiterte sich um den Erhalt der Überreste des Mosaikfußbodens. Was davon in den folgenden Jahren freigelegt wurde, erwies sich als außergewöhnlicher Fund. Wie sich herausstellte, betrug der Umriss der Synagoge etwa 20 Meter Länge und 15 Meter Breite. Die ganze Fußbodenfläche war einst mit fachmännisch ausgeführten Mosaiken bedeckt, wobei nur etwa die Hälfte des ursprünglichen Fußbodens intakt geblieben war. „In einer gewöhnlichen Kirche oder Synagoge werden normalerweise eine, zwei oder drei Szenen dargestellt. Hier gibt es viel mehr“, sagt Gideon Avni, Chefarchäologe der Israelischen Altertumsbehörde.

​Motive: Von humorvoll bis grausam

„Es ist wahrscheinlich die beste und vielfältigste Konzentration von Mosaiken im ganzen Land.“ Viele der erhaltenen Mosaike stellen Geschichten aus dem Tanach dar, der hebräischen Bibel: Tierpaare, darunter Kamele, Esel, Elefanten und Löwen, die Noahs Arche zustreben. Das Rote Meer, das die ägyptische Armee verschlingt. Zimmerleute und Maurer beim Bau des Turms von Babel. Samson, der die Stadttore von Gaza auf seinen Schultern trägt. „In den Mosaiken findet viel Gewalt und Blutvergießen statt“, sagt Magness. „Doch es gibt auch Humor.“ Zu den grausamsten Szenen gehört eine Darstellung aus dem Buch der Richter, in der die Keniterin Jaël dem kanaanitischen Feldherrn Sisera einen Zeltpflock durch den Kopf hämmert. Im Gegensatz dazu steht die Darstellung einer skurrilen Variante der Jona-Geschichte, in der der unglückliche Prophet von drei immer größeren Fischen verschlungen wird. Daneben greifen die Mosaike bekannte Motive der klassischen Kunst auf, etwa Amoretten, Theatermasken und den griechischen Sonnengott Helios in seinem Wagen, umgeben von den Symbolen des Tierkreises.

Huqoq mag ein ländliches Dorf gewesen sein. Isoliert war es nicht, sagt Dennis Mizzi, stellvertretender Grabungsleiter und Dozent für Hebräisch und Altes Judentum an der Universität Malta. „Es stand in Verbindung mit dem erweiterten Mittelmeerraum. Das heißt, dass die Gemeinschaft ein breites Spektrum an Traditionen kannte und sich mit Ideen von außerhalb ihres eigenen Umfelds anfreunden konnte.“

Cover National Geographic 4/24

Foto von National Geographic

Die komplette Geschichte und eindrucksvolle Bilder der Mosaike finden Sie im National NATIONAL GEOGRAPHIC Magazin 4/24. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis! 

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