Antikythera: Wozu wurde der mysteriöse antike Computer genutzt?

Der Mechanismus von Antikythera versetzt die Forschungsgemeinschaft schon seit über 100 Jahren ins Staunen. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler eines der Geheimnisse des für seine Zeit extrem fortschrittlichen Computers gelüftet.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 16. Juli 2024, 10:35 MESZ
Die drei größten Fragmente des Antikythera-Mechanismus

Die drei größten Fragmente des Antikythera-Mechanismus befinden sich heute im Nationalen Archäologischen Museum in Athen.

Foto von Aleksandr Zykov / CC BY-SA 2.0

Im Film Indiana Jones und das Rad des Schicksals ist er eine mächtige Zeitmaschine, im wahren Leben zumindest ein Artefakt, das die Forschungsgeschichte neu geschrieben hat: der Mechanismus von Antikythera. Das über 2.000 Jahre alte Gerät aus Metall wurde von den Alten Griechen erschaffen und kann die Position und Laufbahn verschiedener Himmelskörper bestimmen, darunter die Tierkreiszeichen und einige Planeten. Heute gilt der Mechanismus von Antikythera als der ,erste Computer der Welt‘.

Erforschung eines Objekts, das es nicht hätte geben dürfen

Gefunden wurde der antike Rechner im Jahr 1901 von einem Taucher. Der entdeckte in einem Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera unzählige Artefakte – darunter auch den Mechanismus. Weil das Gerät teilweise stark beschädigt und nicht mehr vollständig war sowie Inschriften aufgrund der langen Zeit unter Wasser kaum noch lesbar waren, war lange Zeit unklar, welche Funktion der Fund einst erfüllte.

Männer auf einem Boot beobachten die Arbeiter, die das Wrack untersuchen.

Untersuchung des Schiffswracks im Jahr 1901, in dem neben dem Mechanismus auch Statuen aus Marmor, Münzen und Keramik gefunden wurden.

Foto von Public Domain

Eine Entdeckung versetzte die Forschungsgemeinde allerdings schon kurz nach der Bergung des Mechanismus in helle Aufregung: Zahnräder, die in dem Rechner verbaut waren. „Das war ein Schock, denn ein Gerät aus dem antiken Griechenland sollte einfach keine Zahnräder haben“, sagt Tony Freeth, Professor am University College London gegenüber der BBC. „Wir mussten die Geschichte der Technik aufgrund dieses einen Objekts völlig neu überdenken.“

Bestimmung kosmischer Zyklen und ein Mondkalender

Zu einem ähnlichen wissenschaftlichen Durchbruch in der Erforschung des Mechanismus kam es erst lange Zeit später. Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2006 konnte ein Team mithilfe moderner Bildgebungsverfahren neue Inschriften sowie die Funktion der Zahnräder im Mechanismus bestimmen. Mithilfe von diesen konnten die Alten Griechen kosmische Zyklen vorhersagen und die Position der fünf damals bekannten Planeten bestimmen – Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Mittlerweile weiß man außerdem: Der Computer war einst etwa so groß wie ein sehr dickes Buch, hatte eine Kurbel an der Seite und mindestens drei Zifferblätter, die mit Einkerbungen und Inschriften versehen waren.

BELIEBT

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    Die goldenen Einzelteile des Mechanismus in ihrer vermutlich ursprünglichen Form.

    Rekonstruktion des Mechanismus von Tony Freeth im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2021.

    Foto von Tony Freeth/UCL

    Eines dieser Zifferblätter steht schon lange im Zentrum der Forschung: der große Kalenderring. Erst im Jahr 2020 konnten Forschende mithilfe von Röntgenbildern neue Details offenbaren, darunter über 300 regelmäßige Löcher an der Unterseite des Rings, deren Menge sich aufgrund des unvollständigen Zustandes des Objekts allerdings nicht konkret bestimmen ließ.

    In einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin The Horological Journal erschien, konnte das Rätsel der Anzahl der Löcher nun allerdings gelöst werden. Höchstwahrscheinlich hatte der Ring 354 Löcher und nicht, wie zunächst vermutet, 365. Damit entspricht der Kalenderring nicht dem Sonnenkalender, sondern dem Mondkalender, dessen Jahr 354 Tage umfasst. 

    Laut Joseph Bayley, Astrophysiker und Mitautor der Studie, sei das zwar schon in vorhergehenden Studien vermutet worden, die aktuellen Ergebnisse sprächen aber noch eindeutiger für den Mondkalender. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse über den Mechanismus von Antikythera dazu beitragen werden, unser Verständnis dafür zu vertiefen, wie dieses bemerkenswerte Gerät von den Griechen hergestellt und benutzt wurde“, sagt er. Denn die Fragen danach, was die Alten Griechen mit dem Mechanismus alles bestimmen konnten und warum bislang kein ähnliches Gerät gefunden wurde, sind noch immer nicht geklärt.

     

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