Deutsches Stonehenge: So lebten unsere Vorfahren
Vor über 4.000 Jahren wurde das Ringheiligtum bei Pömmelte in Sachsen-Anhalt als Kultstätte genutzt. Ausgrabungen an dem Ort geben Einblicke in das Leben der Menschen dieser prähistorischen Zeit.
Das „deutsche Stonehenge“ – das Ringheiligtum Pömmelte – existiert heute nur noch als Nachbau. Seinen Aufbau und seine Größe konnten Forschende anhand von Funden und Überresten des Grundrisses rekonstruieren.
Sieben ineinander liegende Ringe aus Holzpfählen, Erdwällen und Gräben mit einem Durchmesser von 115 Metern an der breitesten Stelle: Die Bauweise des Ringheiligtums Pömmelte lässt erahnen, welche Bedeutung diese Stätte einst für die Menschen hatte.
In Größe, Aufbau und Funktion ähnelt das Ringheiligtum, das im Jahr 1991 im Ortsteil Pömmelte der Stadt Barby in Sachsen-Anhalt entdeckt wurde, dem englischen Megalith-Bauwerk Stonehenge. Bekannt ist es deshalb auch als „deutsches” oder „kleines” Stonehenge. Im Gegensatz zum britischen Gegenstück aus Stein, war das deutsche Ringheiligtum aus Holz gebaut. Forschende müssen seine Geschichte darum heute anhand von Überresten rekonstruieren.
Ihre Untersuchungen haben bereits wichtige Informationen ans Licht gebracht: Das Ringheiligtum Pömmelte wurde um 2.300 v. Chr. erbaut und vermutlich zwischen 250 und 300 Jahre lang genutzt, bis es aufgegeben wurde. Somit war es also am Ende der Jungsteinzeit und zu Beginn der Bronzezeit von Bedeutung. In dieser Zeit war die Stätte ein Ort für Bestattungen, Opfergaben und besondere Feste.
Siedlungswesen am Ringheiligtum
In unmittelbarer Nähe der Stätte befand sich zunächst eine Megasiedlung der jungsteinzeitlichen Glockenbecherkultur, die das Heiligtum im 24. Jahrhundert v. Chr erbauten. Die Ergebnisse von Ausgrabungen, die vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt zwischen 2018 und 2022 durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass diese Menschen in mindestens zwölf Gebäuden am Ringheiligtum siedelten.
Der größte der drei neu entdeckten Hausgrundrisse der Glockenbecherkultur. Das etwa 19,75 Meter mal 7,35 Meter große Gebäude stand in unmittelbarer Nähe zum Ringheiligtum (Nachbildung im Hintergrund).
Etwa um 2250 v. Chr. entstand am Ringheiligtum eine Siedlung der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur. Mit bislang über hundert nachgewiesenen Gebäuden war diese Siedlung die größte ihrer Art in Mitteleuropa.
Beide Kulturen nutzten das Ringheiligtum Pömmelte als Kultstätte. Das lässt sich bereits an der Ausrichtung der Hauptzugänge zur Anlage erkennen. Sie orientieren sich an den Punkten des Sonnenauf- und untergangs zu den Mittjahresfesten, die damals gefeiert wurden. Sie stehen im Zusammenhang mit dem Wechsel der Jahreszeiten oder der Aussaat und der Ernte. Zu den Festen, die später auch von den Kelten begangen wurden, zählt beispielsweise Beltane, ein Fest zum Sommeranfang, das am 1. Mai gefeiert wird, oder Samhain, aus dem im Laufe der Zeit unser heutiges Halloweenfest wurde.
Frühe Bewohner von Pömmelte: Die Schnurkeramikkultur
Von einer anderen Kultur, die ebenfalls am Ringheiligtum siedelte, ist weitaus weniger bekannt. Vermutlich ab dem 26. Jahrhundert v. Chr. waren Menschen der Schnurkeramikkultur an dem Ort ansässig. Häuser wurden bisher keine gefunden, dafür aber 78 Getreidesilos, die hauptsächlich für die Lagerung Weizen, Gerste und Dinkel genutzt wurden. Die entdeckten Mengen hätten Schätzungen zufolge zur Zeit ihrer Nutzung 780 Erwachsene ein Jahr lang ernähren können.
Eine der 78 etwa 1 bis 1,2 Meter tiefen Getreidesilos der Schnurkeramikkultur.
Laut einer jüngeren Studie, in der ein Forschungsteam die Essgewohnheiten der Menschen der Schnurkeramikkultur anhand von Keramikbehältern untersucht hat, standen außerdem Tieren wie Rinder und Schweine auf ihrem Speiseplan. In Gefäßen, die der nachfolgenden Glockenbecherkultur zugeordnet wurden, fanden sich außerdem Rückstände von Milchprodukten.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Ort in Pömmelte bereits vor dem Bau des Ringheiligtums von großer Bedeutung war. Verlassen wurde er schließlich im frühen 2. Jahrtausend v. Chr. – etwa 100 Jahre, nachdem die heilige Stätte ganz bewusst zurückgebaut wurde: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Menschen damals die Holzpalisaden der Kultstätte in ihre Einzelteile zerlegten und die Gräben zuschütteten. Warum sie das taten, ist bislang nicht bekannt.