Geschnitzte Elfenbein-Figur aus der Steinzeit: Ist das ein Otter?
In der Karsthöhle Hohle Fels in Baden-Württemberg haben Forschende eine 40.000 Jahre alte Figur entdeckt. Sie wurde von Steinzeitmenschen gefertigt – und zeigt, dass das damalige Wissen über Tiere bereits größer war als gedacht.
Diese etwa 40.000 Jahre alte Figur haben Forschende in einer Höhle entdeckt.
Dass die eisenzeitlichen Bewohner*innen der Schwäbischen Alb künstlerisch begabt waren, haben schon Funde der letzten Jahre gezeigt. Mehr als 50 geschnitzte Darstellungen von Wisenten, Mammuten, Wildpferden und Höhlenbären haben Forschende in den Höhlen der Region bereits gefunden.
Ein Fund aus dem Jahr 2023 zeigt nun allerdings: Auch kleine Wassertiere müssen die Steinzeitmenschen interessiert haben. In der Welterbe-Höhle Hohle Fels nahe der baden-württembergischen Stadt Schelklingen haben Forschende eine kleine geschnitzte Otter-Figur aus Elfenbein ausgegraben. Der Fund widerlegt die Annahme, dass nur imposante und gefährliche Tiere den Jäger- und Sammlergesellschaften der Steinzeit eine künstlerische Darstellung würdig waren. Deshalb wurde die Figur nun zum „Fund des Jahres 2023“ ernannt.
Künstlerische Darstellungen von Wassertieren
Ganz vollständig ist die ausgegrabene Figur nicht: Der Kopf des etwa 5,9 Zentimeter langen und 1,5 Zentimeter hohen Tieres fehlt. Deshalb können die Forschenden nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es sich um einen Otter handelt. Die gedrungene Form des geschnitzten Körpers, der Schwanz, die Beine und der Hals sprechen aber mit hoher Wahrscheinlich dafür.
Höhlenhalle in der Höhle Hohle Fels, in der neben anderen Elfenbeinfiguren nun auch der Otter entdeckt wurde.
Erst drei ähnliche Figuren, die im Wasser lebende Tiere zeigen, sind bislang aus der Zeit und der Region bekannt: ein Wasservogel und die Fragmente zweier Fischfiguren. Der Elfenbein-Otter erweitert diese Sammlung nun um ein eher untypisches Wassertier.
Otter-Faszination in der Steinzeit
Er zeigt: Das Wissen über Wassertiere muss damals größer gewesen sein als bisher gedacht. „Schließlich erfordert das Schnitzen eines solchen Stückes aus Elfenbein viel Arbeit sowie detaillierte Kenntnisse des Aussehens und der Eigenschaften des dargestellten Tieres“, sagt Nicholas Conard aus der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen. Der Künstler oder die Künstlerin, die den Otter schnitzte, muss das Tier also über längere Zeit hinweg beobachtet haben.
Warum das Tier die Menschen vor 40.000 Jahren faszinierte, ist noch unklar. Möglich ist, dass sie die Wendigkeit des Tieres im Wasser bewunderten oder seine Fähigkeiten als Fischjäger. Auch seine Fürsorge für den Nachwuchs haben die Menschen damals mit Sicherheit beobachten können, sagt Stefanie Kölbl, Direktorin des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren (urmu). Dort wird der Fund nun ausgestellt, gemeinsam mit weiteren 35.000 bis 40.000 Jahre alten Elfenbeinfiguren aus der Region.