Harris vs. Trump: So funktioniert die Präsidentschaftswahl in den USA

Wahlmänner, Electoral College, Popular Vote und Swing States: das US-Wahlsystem ist kompliziert. Wie es aufgebaut ist, welche Schwächen es hat und warum Beliebtheit nicht zum Sieg führen muss.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 29. Okt. 2024, 08:53 MEZ
Das Weiße Haus mit grüner Wiese im Vordergrund.

Die US-Bürger haben sich entschieden: Im Januar 2025 zieht Donald Trump als 47. Präsident der USA ins Weiße Haus.

Foto von Zack Frank / stock.adobe.com

Am 5. November 2024 war in den USA election day. Bei der Präsidentschaftswahl wurde darüber entschieden, wer in der nächsten Legislaturperiode das höchste Amt des Landes übernimmt. Noch bevor in allen Bundesstaaten die Stimmen ausgezählt waren, war klar: Donald Trump zieht, nachdem er zwischen 2017 und 2021 schon einmal Präsident war, 2025 wieder ins Weiße Haus.

Das Ergebnis ist überraschend deutlich ausgefallen, obwohl im Vorfeld der Wahl damit gerechnet wurde, dass Trump und Kamala Harris, die Kandidatin der Demokraten, sich ein knappes Rennen liefern würden. Der Grund für diese Annahme ist das US-amerikanische Wahlsystem – und um das zu verstehen, ist zunächst ein Blick auf den Aufbau des politischen Systems der USA nötig.

House und Senat – der US-Kongress

Das gesetzgebende Parlament – genannt Kongress –, teilt sich in zwei Kammern auf: das Repräsentantenhaus und den Senat. Die beiden Staatsorgane kontrollieren den oder die Präsident*in sowie, gemäß des „Checks and Balances“-Prinzips, einander. Neben Präsident*in und Vize wurden am 5. November alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses neu gewählt sowie rund ein Drittel aller Senatssitze vergeben.

Die auf sechs Jahre bestimmten 100 Mitglieder des Senats vertreten, ähnlich dem deutschen Bundesrat, die Interessen der einzelnen Bundesstaaten und stimmen über Minister, hohe Richter und internationale Verträge ab. Jeder US-Bundesstaat ist mit zwei Sitzen im Senat vertreten – unabhängig von seiner Bevölkerungszahl.

Anders im Repräsentantenhaus, wo die Einwohnerzahl eines Bundesstaates bestimmt, mit wie vielen Abgeordneten er im House vertreten ist. Repräsentanten werden für zwei Jahre gewählt, stimmen über nationale Gesetze ab und können Amtsenthebungsverfahren einleiten.

Electoral College: die Präsidentenmacher

Damit hat das House eine ähnliche Aufgaben wie der deutsche Bundestag. Während dessen Mitglieder aber unter anderem auch den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin wählen, gibt es in den USA eine eigene, dritte Institution, die über die Vergabe des höchsten Amts im Land entscheidet: das Electoral College.

Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein demokratischer Prozess, dessen Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Das Gremium, dessen einzige Aufgabe es ist, über das Präsidentenamt abzustimmen, wurde schon in der US-Verfassung als eine Art Sicherung in den Wahlprozess eingebaut. Es soll verhindern, dass unpassende Kandidat*innen durch Direktwahl an die Macht kommen. Das Electoral College besteht aus 538 electors – auch Wahlmänner und Wahlfrauen genannt.

Während die Abgeordneten der zwei Kongresskammern direkt gewählt werden, ist die Präsidentschaftswahl durch den Umweg über das Electoral College also indirekt. Zwar sind auf den Wahlzetteln in der Regel die Namen der Kandidat*innen für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten aufgeführt, die abgegebene Stimme geht jedoch auf das Konto des Wahlmannes oder der Wahlfrau, der oder die die entsprechenden Kandidat*innen unterstützt.

Mehrheitswahlrecht: The winner takes it all

In Deutschland gilt das Verhältniswahlrecht, bei dem Mandate entsprechend den erlangten Stimmanteilen verteilt werden. Bei Bundestagswahlen bekommen Parteien, die weniger Stimmen erhalten als andere, weniger Mandate, sind aber – vorausgesetzt sie knacken die Fünfprozenthürde – trotzdem im Bundestag vertreten. Im Gegensatz dazu sind die US-Präsidentschaftswahlen in 48 von 50 Bundesstaaten Mehrheitswahlen.

Das bedeutet: Wenn Kandidat*innen in einem Bundesstaat insgesamt die meisten Stimmen erhalten, sind im Electoral College dieses Bundesstaats ausschließlich Wahlleute, die diesen Kandidaten oder diese Kandidatin unterstützen – auch dann, wenn das Ergebnis bei der Stimmenauszählung knapp ausfällt. Stimmen also im Bundesstaat Texas 51 Prozent der Wahlberechtigten für den republikanischen Kandidaten, zieht für Texas die komplette republikanische Gruppe der Wahlleute ins Electoral College, aber kein einziger Demokrat, der die übrigen 49 Prozent der Wählerstimmen repräsentieren würde.

Diese Regelung begünstigt das Zwei-Parteien-System. Neben den demokratischen und republikanischen standen am 5. November auch unabhängige und Kandidat*innen der Libertären und der Grünen zur Wahl, doch wie zu erwarten erhielten sie nicht genug Stimmen, um einen Bundesstaat zu gewinnen. Und selbst wenn dieser unwahrscheinliche Fall eingetreten wäre, hätten sie im Electoral College keine Chance.

Wahlleute vs. Popular Vote

Weil die Wahlleute klare Verhältnisse schaffen, kennt man in den USA Koalitionsverhandlungen und komplizierte Regierungsbildungen wie in Deutschland nicht. Im Idealfall sorgt das für stabile Mehrheiten und stärkt die Regierungsfähigkeit der politischen Organe. Minderheiten werden, so Kritiker, in einem solchen System aber schlecht repräsentiert.

Menschen stehen beieinander in einem Raum.

Wähler*innen in North Dakota warten am 5. November 1940 darauf, ihre Stimme abgeben zu können. Sieger der Wahl wurde der demokratische Kandidat Franklin D. Roosevelt.

Foto von Farm Security Administration - Office of War Information Photograph Collection, Library of Congress

Kritisiert wird auch, dass die Entscheidung des Electoral College nicht unbedingt dem tatsächlichen Wählerwillen – der Popular Vote – entspricht. Durch das Wahlleute-Prinzip ist es, vor allem bei knappem Wahlausgang in den einzelnen Bundesstaaten, möglich, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin die Wahl verliert, obwohl sie die meisten Direktstimmen erhalten hat.

Im 21. Jahrhundert ist dies bisher zweimal vorgekommen: Im Jahr 2000 erhielt der demokratische Kandidat Al Gore zwar rund eine halbe Million mehr Stimmen als der Republikaner George W. Bush, da letzterer aber mehr Wahlleute hinter sich versammelte, wurde er Präsident. Noch extremer war die Diskrepanz im Jahr 2016, als Hillary Clinton mit einem Vorsprung von fast 3 Millionen Stimmen die Popular Vote gewann, Donald Trump jedoch die Mehrheit im Electoral College hatte und dadurch Präsident wurde.

Welche US-Bundesstaaten haben die größte Macht?

Lediglich die Bundesstaaten Nebraska und Maine bilden Ausnahmen vom „winner-takes-all“-Prinzip. Ihre Wahlleute repräsentieren annähernd proportional die tatsächlichen Wählerstimmen. Einen großen Unterschied macht das im Gefüge der US-Wahlen aber nicht, denn Nebraska und Maine stellen jeweils nur fünf, bzw. vier Wahlleute.

BELIEBT

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    Einige Häuser eines kleinen Dorfes am Seeufer.

    Traditionell sind die vier Einwohner (Stand 2020) des kleinen Dorfs Dixville Notch, New Hampshire, die ersten, die über das Präsidentenamt abstimmen. Kurz nach Mitternacht, in den ersten Minuten des Wahltags, geben sie ihre Stimmen ab. Die US-Wahl endet 24 Stunden später im nördlichsten US-Bundesstaat Alaska.

    Foto von Magicpiano / Wikimedia Commons

    Mit wie vielen Delegierten ein Bundesstaat im Electoral College vertreten ist, richtet sich nach dessen Bevölkerungszahl und wird alle zehn Jahre durch einen Zensus bestimmt. Der letzte fand im Jahr 2020 statt. Die Gesamtzahl der Wahlleute entspricht der Summe aller Sitze im Kongress – Senat und Repräsentantenhaus – plus drei Wahlleute für die Hauptstadt Washington, D.C..

    Weil jeder US-Bundesstaat unabhängig von seiner Einwohnerzahl zwei Senatssitze hat, führt das dazu, dass einwohnerschwache Staaten im Electoral College deutlich überrepräsentiert sind. Ein elector in Kalifornien vertritt fast doppelt so viele Wählerstimmen wie ein elector in Montana. Die Stimmen beider werden aber gleich gewertet, was quasi bedeutet, dass die Stimme einer Wählerin in Montana mehr Macht hat als die eines Wählers in Kalifornien.

    Blaue Staaten, Rote Staaten, Swing States

    Die meisten, nämlich 54 Wahlleute, konnten 2024 in Kalifornien gewonnen werden. Auch die Bundesstaaten Texas (40), Florida (30) und New York (28) und verschafften einen erheblichen Vorsprung im Rennen um das Weiße Haus. Doch ist dieses bei US-Wahlen in manchen Bundesstaaten schon gelaufen, bevor es überhaupt begonnen hat, weil es sogenannte rote und blaue Staaten gibt, in denen traditionell die jeweils eine Partei gegenüber der anderen die Nase vorn hat.

    So sind beispielsweise Kalifornien und New York – so wie die meisten Staaten entlang der Ost- und Westküste – Hochburgen der Demokraten. Texas und die meisten Staaten in der Landesmitte wählen zuverlässig republikanisch. Der Sieg eines demokratischen Kanidaten in einem starken roten Bundesstaat wie Oklahoma wäre darum eine echte Sensation.

    Eine Sensation, mit der niemand rechnet, weshalb am Wahltag den Ergebnissen einer Gruppe von Bundesstaaten besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde: den sogenannten Swing States. In diesen purple oder auch battleground states dominiert keine der großen Parteien, sodass ihre Wahlleute das entscheidende Zünglein an der Waage sind. Aus diesem Grund wird in den Swing States der Wahlkampf meist besonders erbittert geführt.

    Sieben Bundesstaaten galten bei der Präsidentschaftswahl 2024 als Swing States, darunter Georgia, North Carolina und Pennsylvania, in denen es mit 16 bzw. 19 Wahlleuten wichtige Unterstützer im Electoral College zu gewinnen gab. Schon in der Wahlnacht stand fest: Die meisten Wähler*innen in diesen Bundesstaaten hatten ihre Stimme DonaldTrump gegeben.

    Die Wahl nach der Wahl: Meeting of Electors

    Viele Menschen auf der ganzen Welt haben den Verlauf der Wahlen und die Hochrechnungen mit Spannung verfolgt – und auch den Auftritt Trumps, bei dem er seinen Sieg verkündete. Wenige Stunden später räumte Kamala Harris ihre Niederlage ein. Genaugenommen steht jedoch noch nicht fest, wer am 20. Januar 2025 feierlich ins Präsidentenamt eingeführt wird.

    Blick auf den großen Saal, in dem sich die Kongressmitglieder befinden.

    Mitglieder des Kongress zählen im Jahr 1921 die Stimmen des Electoral College aus. Die 34. Präsidentschaftswahl gewann mit großem Abstand der republikanische Kandidat Warren G. Harding.

    Foto von National Photo Company Collection, Library of Congress

    Über diese Frage entscheidet das Electoral College nämlich traditionell am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember. An diesem Tag kommen die Wahlleute in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Bundesstaaten zusammen, um beim Meeting of Electors in einer geheimen Wahl ihre Stimme für den Präsidenten oder die Präsidentin abzugeben – und dabei kann es durchaus Überraschungen geben.

    Traditionell sind Wahlleute nämlich allein ihrem Gewissen verpflichtet. So kann es passieren, dass ein elector seine Stimme nicht dem Kandidaten oder der Kandidatin gibt, für die er oder sie gewählt wurde. Diese sogenannten faithless electors sind selten, doch es gibt sie – obwohl stark darauf geachtet wird, dass Wahlleute ihren Parteien gegenüber loyal sind und sie in manchen Bundesstaaten sogar mit Strafen rechnen müssen, wenn sie aus der Reihe tanzen.

    In der Regel wird bei dieser besonderen Form der Protestwahl die Stimme, die dem vorgesehenen Kandidaten verweigert wird, nicht ans gegnerische Lager, sondern an Personen vergeben, die gar nicht zur Wahl angetreten sind. In der langen Geschichte der US-Präsidentschaftswahlen haben faithless electors nur einmal, im Jahr 1796, den Wahlausgang eklatant beeinflusst.

    Das offizielle Wahlergebnis

    Trotzdem: Unter anderem dieser unberechenbare Aspekt ist Grund dafür, dass man sich bis zur Auszählung der Stimmen der Wahlleute über den Wahlausgang nicht hundertprozentig sicher sein kann. Für den Einzug ins Weiße Haus müssen Kandidat*innen eine absolute Mehrheit von mindestens 270 Stimmen im Electoral College erreichen.

    Gelingt dies nicht, gilt die Wahl als erfolglos. Wiederholt werden muss sie aber nicht, stattdessen entscheiden die vom Volk gewählten Abgeordneten des Repräsentantenhauses, wer neuer Präsident oder neue Präsidentin wird. Ein solcher Fall ist bislang aber erst zweimal eingetreten: in den Jahren 1800 und 1820.

    Ein Ende wird das Warten auf das endgültige Ergebnis am 6. Januar 2025 haben. Dann werden die versiegelten Stimmzettel der electors in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus geöffnet, ausgezählt und das Ergebnis anschließend verkündet.

    Kampf um das Wahlrecht

    Wählen darf in den USA der Teil der rund 330 Millionen US-Bürger, die mindestens 18 Jahre alt sind, nicht in einem US-Außengebiet wie Puerto Rico leben, sich in Haft befinden oder eine schwere Straftat begangen haben. Außerdem muss sich jede und jeder selbst aktiv darum kümmern, ins Wählerregister aufgenommen zu werden.

    Wähler*innen stehen am 27. Oktober 2020 in Manhattan, New York, in der Schlange

    Wähler*innen stehen am 27. Oktober 2020 in Manhattan, New York, in der Schlange und warten darauf, ihre Stimme für das Präsidentenamt vor dem eigentlichen Wahltag abzugeben. Early Voting bieten jedoch nicht alle US-Bundesstaaten an.

    Foto von Camilo J. Vergara Photograph Collection, Library of Congress

    Und selbst dann kann das Wählen schwierig werden: In manchen Teilen der USA kann man nur am Wahltag selbst in einem der wenigen Wahllokale abstimmen, vor denen teils stundenlang Schlange gestanden wird. Da der election day traditionell immer auf einen Dienstag fällt, ist das für Berufstätige oft nicht zu leisten.

    Verschiedene Initiativen bemühen sich deswegen darum, durch eine automatische Registrierung sowie Vorab- und Briefwahlen das Wählen für alle US-Bürger zu erleichtern. Einige setzen sich auch dafür ein, Straffälligen ihr Wahlrecht zurückzugeben – für mehr Fairness und Demokratie in einem jahrhundertealten Prozess.

    Dieser Artikel wurde am 7. November 2024 aktualisiert

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