Rätsel um Herstellungsprozess der Himmelsscheibe von Nebra gelüftet
Die Himmelsscheibe von Nebra wurde vor über 3.600 Jahren kunstvoll hergestellt – und zeigt, dass frühbronzezeitliche Zivilisationen sowohl handwerklich als auch wissenschaftlich weiter entwickelt waren, als lange gedacht.
Sie ist erst seit etwa 20 Jahren in den Händen der Wissenschaft und dennoch bereits eines der am besten untersuchten archäologischen Artefakte der Welt: die Himmelsscheibe von Nebra. Bekannt ist sie vor allem, weil sie die bisher älteste konkrete astronomische Darstellung der Welt zeigt. Auf ihrer Vorderseite befinden sich – golden verziert – Himmelskörper wie Sonne, Mond und Sterne, das Sternbild der Plejaden und ein Horizontbogen. Genutzt wurde die Scheibe höchstwahrscheinlich, um Erntezeiten oder die Sonnenwenden vorherzusagen.
Was man bisher allerdings nicht genau wusste, ist, wie die über 3.600 Jahre alte Himmelsscheibe hergestellt wurde.
Dieses bisher ungelöste Geheimnis konnte nun ein deutsches Studienteam lüften, zu dem Wissenschaftler*innen des LDA Sachsen-Anhalt, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Firma DeltaSigma Analytics GmbH gehörten. Sie führten an einem kleinen Teil der Scheibe, der bereits 2002 für Untersuchungen entnommen wurde, metallografische Untersuchungen durch. Dabei kam heraus: Die Scheibe wurde in einem aufwändigen Warmschmiedeprozess in Form gebracht. Die Studie erschien im Fachmagazin Scientific Reports.
Warmschiedeprozess zeigt handwerkliches Geschick
Die chemische Zusammensetzung der im Durchmesser 32 Zentimeter großen Scheibe war bereits vor der Studie bekannt: Es handelt sich um eine Legierung aus Kupfer, Zinn und etwas Nickel, Zink und Arsen. Um dem Herstellungsprozess auf den Grund zu gehen, ließ das Forschungsteam im Rahmen der Studie mehrere Repliken der Scheibe von Kupferschmied Herbert Bauer herstellen. Mit den Tests wollte das Team feststellen, welche handwerklichen Methoden die Menschen bereits im 16. Jahrhundert v. Chr. beherrschten, sagt Harald Meller, Landesarchäologe in Sachsen-Anhalt und Mitautor der Studie, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Das Ergebnis: Um auf die zuvor bestimmte Härte der Scheibe zu kommen, musste das Material ganze zehn Zyklen durchlaufen, in denen es immer wieder auf 700 Grad erhitzt, geformt und anschließend gekühlt wurde. Das zeigt, so Meller, dass nicht nur das astronomische Verständnis der Menschen in der frühen Bronzezeit weitaus größer war als gedacht, sondern auch „die Kunst der Metallverarbeitung.“
Gemeinsam mit diesen Artefakten wurde die Himmelsscheibe vor über 25 Jahren auf dem Mittelberg nahe der Kleinstadt Nebra (Unstrut) in Sachsen-Anhalt gefunden.
Spektakuläre Fundgeschichte und wissenschaftliche Kontroverse
Fast ebenso spektakulär wie ihr Herstellungsprozess ist auch die Fundgeschichte der Himmelsscheibe. 1999 hatten Sondengänger sie gemeinsam mit anderen Fundobjekten auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden und zunächst weiterverkauft. Das wertvolle Artefakt ging durch die Hände mehrerer Händler und Hehler, bis die Polizei den Fund im Jahr 2002 schließlich sicherstellte und dem Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle übergab. Seit 2008 kann man die Himmelsscheibe dort in der Dauerausstellung bestaunen. 2013 wurde das Artefakt in das Memory of the World-Register der UNESCO aufgenommen.
Zuletzt stand die Himmelsscheibe im Jahr 2020 im Rampenlicht. Damals behaupteten zwei Historiker, die Scheibe stamme aus der Eisenzeit und sei somit jünger als bisher geglaubt. Ein Studienteam, zu dem unter anderem Wissenschaftler*innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Denkmalpflegeamts Sachsen-Anhalt gehörten, wiesen diese Einschätzung mithilfe einer eigenen Studie allerdings zurück. Darin betonen die Forschenden, dass die Authentizität der Fundstelle und somit auch die Datierung seit Langem zweifelsfrei gesichert seien.