Tod einer steinzeitlichen Familie gibt Rätsel auf

In der prähistorischen Siedlung Kosenivka in der Ukraine wurden vor über 5.500 Jahren sieben Menschen in ihrem Haus verbrannt. Ob es ein Bestattungsritual oder ein Verbrechen war, wollen Forschende jetzt herausfinden.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 3. Jan. 2025, 15:16 MEZ
Wissenschaftlerin untersucht Knochenfragmente im Labor.

Katharina Fuchs, Erstautorin der Studie, bei der Untersuchung der Überreste der sieben Individuen aus dem verbrannten Haus.

Foto von Sara Jagiolla / Institut für Ur- und Frühgeschichte

Die Megasiedlungen der Trypillia-Kultur in der heutigen Ukraine gehören zu den frühesten Städten Europas. Spuren der zwischen 4200 und 3600 v. Chr. entstandenen prähistorischen Großstädte hat man bereits viele entdeckt – aber nur wenige Überreste ihrer ehemaligen Bewohner*innen.

Einige der Knochenfragmente, die man bisher sicherstellen konnte, stammen aus der Siedlung Kosenivka, etwa 200 Kilometer südlich von Kyjiw. Sie wurden bereits in den 1980er-Jahren entdeckt und nun von einem Forschungsteam im Rahmen einer Studie untersucht. Das Mysteriöse an ihnen: Sie stammen von sieben Personen, die offenbar mitsamt ihrem Haus verbrannt wurden. War es ein schrecklicher Unfall, Mord oder vielleicht sogar ein Bestattungsritual?

Unfall oder Vorsatz?

Laut dem Studienteam gehören die 50 bis heute erhaltenen Fragmente wahrscheinlich zu einer Familie, die in ihrem eigenen Haus den Tod gefunden hat. Das geht aus einer Alters- und Geschlechtsanalyse der Knochenfragmente hervor, die die Forschenden, darunter auch Wissenschaftler*innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), durchgeführt haben. Es handelte sich bei den Individuen um zwei Kinder, eine junge und eine ältere Frau sowie eine weitere Frau und zwei Männer, die zwischen 25 und 50 Jahren alt waren. Vermutlich waren sie Kinder, Eltern und Großeltern.

Fünf Knochenfragmente auf schwarzem Hintergrund.

Fragmente von Schädel- und Langknochen. Es sind einige der wenigen Skelettreste von Kosenivka, die 6.000 Jahre überdauert haben.

Foto von Dr. Katharina Fuchs, Institut für Ur- und Frühgeschichte, CAU

Die Untersuchungen offenbarten, dass die Knochen relativ schnell nach dem Tod der Menschen verbrannten. Das lässt laut der Studie gleich mehrere Theorien zur Todesursache zu. Eine Möglichkeit ist, dass die Familie bei einem Brandunfall ums Leben kam. Dagegen sprechen aber Spuren von Schädelverletzungen bei zwei der Individuen, die eher auf einen gewaltsamen Überfall hindeuten, der möglicherweise mit Brandstiftung endete.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Familie nach ihrem wie auch immer gearteten Tod von der Siedlungsgemeinschaft gemeinsam mit ihrem Haus verbannt wurde. „Möglich ist, dass die Praxis der Hausverbrennung damals eine selten praktizierte Form des Bestattungsritus war“, so die Forschenden. Analysen zufolge wurde diese Ehre aber vermutlich nur einem Prozent der Menschen zuteil. Konkret auf eine Theorie festlegen können sich die Forschenden daher nicht.

Wie lebten die Menschen vor 6.000 Jahren?

Trotz der offenen Fragen bezeichnet das Studienteam den Fund als bedeutend – vor allem, weil Knochenfunde aus Trypillia-Siedlungen so selten sind. „Skelettreste sind echte biologische Archive, auch ein kleines Knochenfragment kann etwas zur Lebensgeschichte des Menschen erzählen. Daher sind die Funde von Kosenivka für die Erforschung der Trypillia-Gesellschaften ein absoluter Glücksfall“, sagt Katharina Fuchs, Molekularbiologin an der CAU und Erstautorin der Studie.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Überreste eines Hauses.

    Die Relikte des verbrannten Hauses, in dem die Überreste der Individuen entdeckt wurden.

    Foto von Vladislav Chabanyuk, Staatlich-kulturelles Zentrum „Triploye Kultur“, Legedzyne, Ukraine

    Neben dem ungefähren Alter der Menschen konnten die Knochen nämlich auch weitere Informationen über die ehemaligen Siedlunsgbewohner*innen offenbaren. Beispielsweise, dass die Menschen viel Getreide und Gemüse aßen und teilweise an Nasennebenhöhlenentzündungen litten. Außerdem sprechen die Zähne, die im Haus gefunden wurden, dafür, dass die Personen damals eine gute Zahnhygiene hatten. Offensichtlich putzten sich die Menschen schon vor 6.000 Jahren die Zähne. 

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2025 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved