Antike Schuhmode: Trugen die Römer Socken zu Sandalen?

Die römische Schuhmode war mitunter eigenwillig – und moderner, als man es sich vielleicht vorstellt. Diese Modelle waren in der Antike angesagt.

Von Heidrun Patzak
Veröffentlicht am 8. Apr. 2025, 10:47 MESZ
Römische Socken mit Sandalen

Sandalen mit Socken: Kein modischer Faux-Pas sondern Alltag im antiken Rom. Dargestellt auf dem Neumagener Relief eines Grabmals (ca. 200 n. Chr.).

Foto von Kleon3, 2018 Rheinisches Landesmuseum Trier, Relief eines Grabmals, Neumagen, CC BY-SA 4.0

Im alten Rom und seinen Provinzen war Schuhmode ein echtes Statussymbol, und zwar über alle Bevölkerungsschichten hinweg. Halbschuhe, Stiefel, Sandalen, Clogs – überraschend modern in Design und Material, besaßen selbst weniger wohlhabende Bürger mehrere Paare.

Der wichtigste Rohstoff für alle Schuhtypen war Leder. Meist kam Rindsleder zum Einsatz, aber es gab auch Schuhe aus Schaf-, Kalbs- und Lammleder. Für die Sohlen wurde gelegentlich Kork oder Holz verwendet. Erhältlich waren die Schuhe direkt beim Hersteller, bei fliegenden Händlern und Hausierern sowie auf Märkten und jährlichen Festen.

Die modischen Tricks im alten Rom

Wenn es ums Schuhwerk ging, griff man gern in die Trickkiste: Wollte man zum Beispiel größer wirken, ließ man sich vom Schuster des Vertrauens eine dickere Sohle anfertigen. Kaiser Augustus soll sich so ein paar Zentimeter größer geschummelt haben.

Überhaupt schreckte man nicht vor Extravaganzen zurück: Schuhe aus Biberfell sollten gegen Fuß-Gicht helfen. In Ägypten stießen Archäologen auf ein Paar antike Schuhe aus Krokodilleder. Dennoch ähnelten sich die Schuhmoden im gesamten Römischen Reich. Bestimmte Ausstattungsmerkmale wie Schnürungen, Verzierungen oder Rüschen wurden bei archäologischen Funden im ägyptischen Didymoi ebenso gefunden wie im nordenglischen Vindolanda, schreibt Archäologin Carol van Driel-Murray.

BELIEBT

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    Farbenprächtige Römische Schuhe

    Senatoren sorgten mit ihrem farbenprächtigen Schuhwerk für Aufsehen. Deutlich unauffälliger war das Schuhwerk der Bürger oder der berittenen Soldaten rechts daneben. Dargestellt in den Costumes of All Nations aus dem Jahr 1882.

    Foto von Albert Kretschmer, painters and costumer to the Royal Court Theatre, Berin, and Dr. Carl Rohrbach., Ancient Times, Roman. - 016 - Costumes of All Nations, gemeinfrei

    Weil auch damals schon Mode als Ausdruck von Persönlichkeit und individuellem Geschmack galt, bevorzugte man – zumindest, wer etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte – auffälliges Schuhwerk: Weiß, Schwarz, Gold und Purpur sind überlieferte und deshalb höchstwahrscheinlich auch beliebte Schuhfarben gewesen. „An bestimmten Farben oder Modellen erkannte man, wer vor einem stand“, sagt Archäologe Dr. Peter Kötzele, der sich auf antikes Schuhwerk spezialisiert hat. Als Senator trug man Rot, die Patrizier bevorzugten Schwarz und die Konsuln kleideten ihre Füße in Weiß. 

    Auffällige Schuhe konnten ein kleines Vermögen kosten, denn generell war Schuhwerk nicht günstig. „Um 300 n. Chr. kostete eine Sandale mit nur einer Sohle etwa 50 Denare“, rechnet Dr. Knötzele vor. „Das entsprach dem Monatslohn eines Lehrers für einen Schüler.“ 

    Römische Influencer: Trends und Modezyklen schon in der Antike

    Neben einem farbkräftigen Auftritt verschönerten die Römer ihre Schuhe mit allerlei Schmuckelementen: Diamanten, kunstvollen Ranken, beschlagenen Rosetten, Goldfäden, Zierlinien und Stickereien. Es gab sogar schon klassische Modezyklen: Mal waren die Schuhe schmaler, mal breiter, an den Zehen mal abgerundet und dann wieder spitz zulaufend geschnitten. In Voorburg in Südholland und in Osterburken fand man extrem breit geschnittene Männersandalen, die auf 220 bis 230 n. Chr. datiert werden konnten. „War man in den ersten Jahrhunderten nach Christus modebewusst, trug man also breit“, so van Driel-Murray. Geschlossene Schuhe mit über den ganzen Schuh verlaufendem, durchbrochenem Oberleder waren ein weiterer Trend Anfang des 2. Jh. n. Chr.

    Breite Sohle von antiken Schuhen

    Brand- und Laufsohle einer Sandale mit auffallend breitem Vorderblatt aus Osterburken.

    Foto von Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Foto: Matthias Hoffmann

    Quadratlatsche? Ein Kölner Schuhmacher namens „Quadratus“ 

    Die römische Schuhmode war so vielseitig, dass die meisten Schuster in den Städten sich auf bestimmte Schuharten spezialisierten, wie der caligarius (Stiefelschuster) oder der sandelarius (Sandalenhersteller). In Rom wurden ganze Stadtteile und Straßenzüge nach Schuharten benannt, zum Beispiel der vicus solearius, ein Straßenzug für die Anfertigung und den Verkauf von Sandalen. Aus Köln ist die Existenz eines Schuhmachers überliefert, der den Namen Quadratus trug. „Eine Assoziation mit Latschen und breitem Schuhwerk liegt hier natürlich nahe“, so Dr. Knötzele. 

    Obwohl archäologische Funde antiker Schuhe äußerst rar sind, weiß die Forschung erstaunlich viel über römische Schuhe. Dafür zieht sie Bildwerke heran: Wandmalereien, Mosaike und Reliefdarstellungen, auf denen Götter und Menschen abgebildet sind. Daneben existieren schriftliche Notizen, in denen das Schuhwerk erwähnt wird. Wie das Preisedikt von Kaiser Diokletian: Es stammt aus dem Jahr 301 n. Chr. und listet die erlaubten Höchstpreise von Waren und Dienstleistungen auf – unter anderem auch von unterschiedlichen Schuhmodellen. Aufgezählt werden dort etwa Sandalen, Pantoffeln, Stiefel, Frauenschuhe, Läuferschuhe und Kinderschuhe. 

    Leichtes Schuhwerk: Die Vielfältigkeit der Sandale

    Die wohl berühmteste Schuhart der Antike ist die römische Sandale (soleae/sandalia). Über die Jahrhunderte, die das Römische Reich bestand, fanden Sandalen ihren Weg von Rom aus in die nördlichen Provinzen. Zunächst waren sie dort Frauensache. Erst ab dem 2. Jh. n. Chr. wurden sie nördlich der Alpen auch von Männern geschätzt. „Zu Anfang des römischen Imperiums trugen Männer und Frauen unterschiedlich geschnitten und gefärbte Schuhe – über die Jahrhunderte verschwamm diese Abgrenzung jedoch“, erklärt Dr. Knötzele. Meist waren Sandalen Straßenschuhe und verfügten über eine genagelte Sohle. Wurde man zu Tisch geladen, zog man sie aus und übergab sie den Sklaven.

    Flip-Flops mit Strümpfen: Trugen die Römer wirklich Socken zu Sandalen? 

    Während heute Socken zu Sandalen als Mode-Fauxpas gelten, war der Look vor 2000 Jahren Trend: Auf dem Neumagener Relief (ca. 200 n. Chr.) ist eine Dienerin abgebildet, die Pantoffeln trägt, und darunter bis über die Knöchel gezogene Socken. Die Füße der im Stuhl sitzenden Hausherrin stecken in Sandalen und darunter: ebenfalls Socken. Beliebt waren knöchellange (Woll-)Socken, Kniestrümpfe, Wadenbinden oder Leggings. Die teilweise gefärbten Socken wärmten nicht nur, sondern galten kombiniert mit Sandalen oder Schuhen mit Durchbrucharbeiten als echter Hingucker. 

    Nachbildungen antiker Schuhe

    Flip-Flops, Riemchensandalen, Pantoffeln, Schnürschuhe: Es gibt kaum eine Schuhart, die es im antiken Rom noch nicht gab.

    Foto von Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Foto: Manuela Schreiner

    „Außerdem trug man bereits eine Art Flip-Flop-Sandale“, weiß Dr. Knötzele. Bei den passenden Zehensocken war der große Zeh abgetrennt von den übrigen Zehen. Daneben besaßen die Römer*innen Riemchensandalen mit mehreren Zentimeter hohen Holzsohlen. Die Holzsohlen hatten aber nicht zwingend modische Gründe, sondern eher praktische: In Bädern schützten sie vor dem heißen Boden, in der Landwirtschaft vor Schmutz und Feuchtigkeit. 

    Zu Hause präferierten die Römer Pantoffeln oder Slipper. Zunächst nur von Schauspielern auf Bühnen und von Frauen getragen, trat der Pantoffel ab dem 1. Jh. n. Chr. seinen Siegeszug auch bei den Männern an und ist in den Jahrhunderten danach auch in offiziellen römischen Preislisten zu finden. Selbst auf den Mosaiken der Vesuvstädte sind Pantoffeln abgebildet.

    Der Halbschuh für Arm und Reich

    Egal, ob Mann, Frau oder Kind – jeder trug Halbschuhe, sogenannte calcei. Diese waren meist geschlossen, aus mehreren Lederstücken genäht und hatten eine genagelte Sohle. Der Schnürschuh gilt als der Schuh des römischen Bürgers. 

    „Noch weiter verbreitet war wahrscheinlich der carbatina, ein einfacher, aus einem Stück Leder gefertigter Schuh, der recht billig in der Herstellung war“, sagt Dr. Knötzele. Er war unbenagelt und hatte lediglich eine Naht an der Ferse. Der Vorteil: Der zweifellos niedrige Kaufpreis, den sich selbst arme Römer*innen leisten konnten. Der Nachteil: Durch die fehlende Benagelung war die Sohle recht bald durchgelaufen. 

    Römische Halbschuhe

    Verschiedene originale Modelle von carbatinae, sowie oben rechts ein geschlossener Schuh (calceus), der aus mehreren Teilen gefertigt wurde. Sie konnten teils knöchelhoch und mit genagelter Sohle sein, oder einen über den Spann verlaufenden Riemen oder eine kreuzweise Verschnürung bis über den Knöchel haben.  Gut zu erkennen: die durchgelaufenen Sohlen der carbatinae.

    Foto von Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein/H. Zwietasch

    Das Schuhwerk der Soldaten: Stiefel

    Stiefel (caligae) wurden häufig von Soldaten getragen und kamen martialisch daher – jede Sohle war mit etwa 100 bis 160 Eisennägeln beschlagen – das entspricht einem Gewicht von bis zu 200 g Eisen pro Schuh. 

    Die Benagelung fixierte die Sohle, beugte einem Verschleiß der Laufsohle vor und gewährleistete einen stabileren Stand bei Kämpfen. Allerdings war die Rutschgefahr auf den gepflasterten Straßen groß. Die genagelte Sohle wurde häufig von einem gitterartigen Oberleder ergänzt. Die Lederriemen bildeten eine Art Geflecht um den Fuß samt Knöchel, und die Zehen blieben meist frei.

    Römische Soldatenstiefel

    Luftig, aber dennoch schwer: Die Stiefel der Römer.

    Foto von WH_Pics/Shutterstock

    Diese genagelten Militärstiefel waren weit verbreitet und wurden vom Infanteristen bis hin zum centurio getragen. Die Soldaten identifizierten sich sogar so sehr mit ihrem Schuhwerk, dass auf Grabsteinen Inschriften dazu gefunden wurden: „Er diente in Stiefeln siebzehn Jahre“ – er war also siebzehn Jahre lang Soldat. 

    Daneben trugen auch Gladiatoren die caligae. „Das weiß man aus Bildquellen“, so Dr. Knötzele. „Archäologische Funde verraten, dass Gladiatoren zusätzlich auch Beinpanzer trugen.“

    Ab etwa dem 2. Jh. n. Chr. wurden die römischen Truppen wohl anders ausgestattet, wie archäologische Funde aus den nördlichen Provinzen schließen lassen. Fortan wurden eher geschlossene, genagelte Schuhe verwendet – deutlich passender angesichts der oft eisigen Temperaturen nördlich der Alpen. 

    Sohlen mit Liebesbotschaften 

    Die Benagelung der Schuhe konnte aber auch ganz anderen Zwecken dienen – nämlich zur Werbung. Damen der käuflichen Liebe ließen sich ganze Sätze in ihre Schuhsohlen nageln, um Kundschaft anzulocken. Sie liefen ihren potenziellen Kunden voraus und hinterließen dabei auf dem Boden eine Botschaft: „Folge mir.“

    NG Ausgabe 04/25

    NG Ausgabe 04/25 

    Foto von National Geographic

    Lesen Sie mehr spannende Reportagen im NATIONAL GEOGRAPHIC MAGAZIN 04/25.

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