Dieses Buch wurde in der Haut eines Mörders eingebunden
In einem Museumsbüro in England haben Forschende einen außergewöhnlichen Fund gemacht: ein Buch, das in die Haut eines landesweit bekannten Mörders eingebunden wurde. Es ist nicht das erste seiner Art.

Forschende des Moyse's Hall Museums in der englischen Stadt Bury St Edmunds berichten, dass dieses Buch teilweise in die Haut des Mörders William Corder eingebunden ist.
Im Jahr 1827 bestellte der Bauernsohn William Corder seine Geliebte Maria Marten an einen geheimen Treffpunkt, den sogenannten Red Barn in Suffolk in England. Was genau zwischen den beiden dort geschah, weiß man heute nicht, allerdings ist klar: Marten überlebte das Treffen nicht. Höchstwahrscheinlich wurde sie von Corder, der eigentlich mit ihr durchbrennen wollte, erschossen.
Es dauerte nicht lange, bis die Leiche entdeckt und Corder gefasst wurde. Am 11. August 1828 wurde er vor Tausenden von Schaulustigen hingerichtet. Danach wurde sein Körper zerteilt und ein Teil seiner Haut genutzt, um ein Buch einzubinden – jenes, in dem die Geschichte seines Gerichtsprozesses niedergeschrieben wurde.
So viel war bisher bekannt. Nun wurde allerdings ein zweites Buch entdeckt, in dem William Corders Haut verarbeitet wurde – in einem Bücherschrank in einem Museumsbüro.
Bücher aus Menschenhaut in öffentlicher Ausstellung
Das erste sogenannte Corder-Buch wird seit 1933 im Moyse’s Hall Museum in Suffolk, England ausgestellt – und ist bei Besuchenden beliebt. Denn die Mordgeschichte, die in England als Red Barn Murder bekannt ist, ist bis heute einer der berüchtigtsten True Crime Fälle des Landes.

Zeichnung der Hinrichtung von William Corder, zu der tausende Menschen aus ganz England anreisten.
In genau diesem Museum wurde nun auch das zweite Corder-Buch entdeckt. Beim Durchgehen des Museumskatalogs fiel Mitarbeiter*innen auf, dass ein Buch, das dort vermerkt war, nicht in der Sammlung zu finden war. Nach einigem Suchen entdeckten sie es schließlich im Buchregal eines der Büros – und bemerkten den makabren Einband, der an das bereits bekannte Corder-Buch erinnert.
Wie kam Corders Haut auf die Bücher?
Nach aktuellem Kenntnisstand wurden beide Bücher von dem Chirurgen George Creed eingebunden, der Corders Leiche nach seiner Hinrichtung untersuchte. Die Wissenschaftler*innen des Moyse’s Hall Museum vermuten, dass er die Haut von Corders Rücken entfernte und damit zunächst das erste Buch, das zuvor einen normalen Einband hatte, neu einband. Die Änderung vermerkte Creed auf der Innenseite des Buchcovers.
Bevor es ins Museum kam war das zweite, nun entdeckte Buch im Besitz einer Familie, die eng mit Creed befreundet war. Die Forschenden des Museums vermuten: Für dieses Buch reichte die Haut nicht mehr ganz aus – deshalb versah Creed nur den Buchrücken und die Ecken des Covers mit Haut.

Seit Kurzem wird das zweite Corder-Buch nun neben dem ersten im Museum ausgestellt. Ob die Haut wirklich von Corder stammt, ist bei diesem Buch allerdings nicht ganz so sicher wie beim ersten Buch.
Anthropodermische Bibliopegie: Bucheinbände aus Menschenhaut
Das Einbinden von Büchern in Menschenhaut ist in der Geschichte zwar selten vorgekommen, aber dennoch keine unbekannte Praxis. Bekannt ist sie als Anthropodermische Bibliopegie. Einigkeit darüber, wie mit den Büchern heute umgegangen werden sollte, gibt es in der Forschungsgemeinschaft bislang nicht.
Erst im März 2024 hatte die Harvard Universität die Menschenhaut vom Einband eines Buches aus ethischen Gründen entfernt. Das Buch Des destinées de l’âme war von seinem ersten Besitzer, dem französischen Arzt Ludovic Bouland, in den 1880er-Jahren in Menschenhaut eingebunden worden. Die Haut nahm er damals vom Körper einer verstorbenen Patientin – ohne deren Einverständnis. Laut eines Statements der Universität entschied man sich für die Entfernung der Haut, um die Würde des Menschen, dessen Überreste für den Einband verwendet wurden, zu wahren.
Bei den Corder Büchern soll das nicht geschehen. Dan Clarke, Beauftragter für das Kulturerbe des Moyse’s Hall Museum, in dem die Corder-Bücher ausgestellt werden, betont gegenüber der BBC, dass die Bücher extrem wichtige historische Artefakte seien und weiterhin im Museum ausgestellt werden. „Wir gehen mit der Geschichte nicht sensationsheischend um.“
