Das Geheimnis der jungen Frauen von San Lorenzo

Intrigen Mord, Attentate und Krieg: Die Geschichte der Medici hat viele dunkle Seiten. Nun wollen Wissenschaftler Licht in die düstere Seite einer der mächtigsten Dynastien Europas zu bringen.

Von Bettina Gartner
Isabella de' Medici, eine der Töchter von Großherzog Cosimo I. und Eleonora da Toledo, gemalt um 1560 von Alessandro Allori in Florenz.

Isabella de' Medici, eine der Töchter von Großherzog Cosimo I. und Eleonora da Toledo, gemalt um 1560 von Alessandro Allori in Florenz.

Wer sich auf die Spur der Medici begibt, muss über Leichen gehen. Die meisten Mitglieder des berühmten Clans aus Florenz sind in der Familienkirche der Medici bestattet, in San Lorenzo. Doch in Frieden ruhen sie nicht, viele haben dunkle Geheimnisse mit ins Grab genommen, in manchen Fällen geht es um Mord.

Nun sind Wissenschaftler dabei, Licht in diese düstere Seite eines der glanzvollsten Geschlechter Europas zu bringen. Allen voran die Florentiner Medizinhistorikerin Donatella Lippi sowie Forscher und Kuratoren der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, die den Medici von Mitte Februar an eine große Ausstellung widmen: „Menschen, Macht und Leidenschaft“.

Als im Frühjahr 2010 zwei Schächte im Fußboden der Alten Sakristei von San Lorenzo geöffnet wurden, fand man mehr als erwartet: fast ein Dutzend Krüge voller Eingeweide, Kleidungsreste, Kisten mit Knochen und Schädeln – unter anderem von fünf jungen Frauen. Um sie zu identifizieren, wurden Anthropologen, Rechtsmediziner und Genetik-Spezialisten zurate gezogen, so auch der mit alter DNA bestens vertraute Forscher Albert Zink (er hat schon „Ötzi“ und Tutanchamun untersucht). Sie extrahierten Erbgut, analysierten die Isotopenzusammensetzung der Knochen und fertigten virtuelle 3-D-Modelle der Schädel an.

Diese dienten jetzt der Freiburger Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen als Grundlage dafür, den Toten ein Gesicht zu geben. Mit spezieller Software rekonstruiert sie auf dem knöchernen Untergrund am Computer das Weichgewebe und sucht dann nach passenden Augen, Nase und Mund. Und siehe da: Das erste Konterfei, das auf diese Weise wieder sichtbar wurde, gehört ausgerechnet einer verschollen geglaubten Prominenten der Dynastie: «Mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Isabella de’ Medici», sagt der Mannheimer Ausstellungskurator Wilfried Rosendahl. Das virtuell erstellte Gesicht passt jedenfalls exakt auf ihr zeitgenössisches Porträt.

Isabella, eine Tochter von Großfürst Cosimo I., war am 16. Juli 1576 tot aufgefunden worden. Mit 34 vom eigenen Mann stranguliert, wie es hieß. Oder hatte sie sich – so die offizielle Version – beim Haarewaschen unwohl gefühlt und unglücklicherweise mit einem Handtuch erhängt? Isabellas Grab blieb unbekannt, im Inventar von San Lorenzo taucht es nicht auf. Und ihr Tod wird sich wohl auch nicht aufklären lassen. Denn es ist zwar ihr Schädel, aber kein Weichteilmaterial erhalten. Die Professoressa Lippi und ihre Detektive sind unterdessen bereits weiteren ungelösten Kriminalfällen des Hauses Medici hinterher.

Die Medici sind eines der spannendsten forensischen Forschungskapitel der jüngsten Zeit: Ein europäisches Forscherteam hat insgesamt 28 Familienmitglieder der mächtigsten Dynastie exhumiert und über zehn Jahre lang untersucht.

In Zusammenarbeit mit der Gebrüder Beetz Filmproduktion, lässt Arte die Medici in ihrer Dokumentation wieder lebendig werden:

 

(NG, Heft 02 / 2013, Seite(n) 30 bis 31)

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