Europas entlegenes Inselparadies

Die sonnigen Azoren von Portugal sind ein Wegbereiter für nachhaltigen Tourismus.

Von Sophie Massie
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:31 MEZ
Parade zum Johannistag in Terceira
Parade zum Johannistag in Terceira
Foto von Mauricio Abreu, Aurora

Mitten im Atlantischen Ozean ruht eine Kette aus neun Vulkaninseln dort, wo die Afrikanische, Eurasische und Nordamerikanische Platte aufeinandertreffen. Die sonnigen Azoren von Portugal sind ein Wegbereiter für nachhaltigen Tourismus und stolz auf ihre robuste Outdoor-Kultur. Der Archipel gilt als eines der grünsten Reiseziele der Welt, da es nicht nur seine Naturwunder schützt, sondern auch seine Lebensart (Wein, Honig, Ananas und diverse Käsesorten genießen hier einen Schutzstatus). Taucht eure Zehen in die warmen Wasser der Azoren und entdeckt das Paradies auf diesen Inseln.

TERCEIRA: ARCHITEKTUR UND HÖHLEN

In der überaus kultivierten Stadt Angra do Heroísmo auf Terceira sind selbst die Gehwege Kunstwerke. Wenn man nicht gerade die komplexen Mosaike aus Kalkstein und Basalt zu seinen Füßen betrachtet, sollte man aufblicken und sich die manieristischen Kathedralen und bunt gestrichenen Villen in der Kolonialstadt ansehen, die Teil des UNESCO-Welterbes ist. Das Museu de Angra do Heroísmo, das sich in einem alten franziskanischen Kloster befindet, stellt eine Sammlung der Kultur Terceiras aus, von Marine- und Militärgegenständen bis zu Textilien und dekorativer Kunst.

Unter der veredelten Oberfläche der Insel befindet sich eine bizarre geologische Formation: der Schlot und die Untergrundkammern eines erloschenen Vulkans. Hier kann man 90 Meter in die Tiefe des Algar do Carvão hinabsteigen und sich das Ganze aus der Nähe ansehen. Den Neugierigen winken Stalagmiten, Stalaktiten und ein Regenwassersee.

PICO: VULKANE, WALE und WEIN

Der Ponta do Pico auf der Insel Pico
Foto von Reinhard Dirscherl

Mit seinen 2.351 Metern ist der Pico der höchste Punkt Portugals und hält die schwierigste Wanderung des ganzen Archipels bereit. Zertifizierte Führer leiten Aufstiege und Übernachtungen im Krater knapp unter dem Gipfel. An einem klaren Tag kann man vom Gipfel aus fünf Inseln sehen. Wanderer sollten sich an der ungeschützten Bergwand aber auf jedes Wetter einstellen, einschließlich Schnee am Gipfel im Winter und Frühling.

Während des industriellen Walfang-Booms im 18. und 19. Jahrhundert segelten Walfänger aus Neuengland zu den Azoren, um Proviant und frische Besatzungen aufzunehmen. Da der Walfang in den 1980ern formal beendet wurde, hat man hier die Harpune durch eine Kamera eingetauscht, um Wale einzufangen. Im Walfangmuseum in Lajes do Pico kann man sich eine Geschichtseinführung in Buchform besorgen, bevor man zu seiner Walbeobachtungstour aufbricht.

Die eher irdischen Schätze befinden sich an der Nord- und Westküste der Insel und schließen auch die Pico-Weinberge ein, die ebenfalls zum UNESCO-Welterbe gehören. Hier wachsen die Reben nahe am Boden zwischen geordneten Basaltsteinwänden, die die kostbaren Pflanzen vor Wind und Gischt schützen. Trinkt aus, solange ihr hier seid – die meisten Pico-Weine verlassen den Archipel nicht, geschweige denn Portugal. Bei der Weingenossenschaft von Pico in Madalena kann man die gefeierten Rotweine, Weißweine und angereicherten Licoroso verkosten.

SÃO MIGUEL: CANYONING, VOGELBEOBACHTUNG UND THERMALBÄDER

BELIEBT

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    Thermalbad in Caldeira Velha auf São Miguel
    Foto von Gaspar Avila, Alamy

    Für Naturliebhaber ist die Insel São Miguel ein gigantischer botanischer Spielplatz. Miradouros (landschaftliche Aussichtspunkte) mit gepflegten Gärten sprenkeln die ganze Küste. Rosafarbene und blaue Hortensien säumen Kuhweiden und wachsen an den Rändern der Vulkankraterseen.

    In den dicht bewachsenen Schluchten der Region Nordeste haben die Schluchtenwanderer die Wahl, sich abzuseilen oder von Wasserfallklippen hinab in Schwimmlöcher zu springen. Auch Vogelbeobachter zieht es hierher, zum Beispiel um den vom Aussterben bedrohten Azorengimpel zu sehen – einer von Europas seltensten Vögeln, der nur noch in den Lorbeerwäldern von Nordeste vorkommt.

    Für erschöpfte Wanderer gibt es nichts Besseres, als in ein natürliches Thermalbad einzutauchen. An der Ponta da Ferraria stürzen die Wellen des Meers in natürliche Gesteinsbecken und vermischen sich dort mit Thermalwasser. Die von Farnen gesäumten Thermalwasserfälle verleihen dem Ganzen eine romantische Atmosphäre. Im Gegensatz dazu erinnern der Gestank nach gekochten Eiern und der wallende Dampf aus der Caldeira Velha daran, dass diese Region ein potenter Hot Spot ist. An den Ufern des Kratersees Lagoas das Furnas überlassen die Restaurants der Erde das Kochen, indem sie Schmortöpfe in den blubbernden Calderas versenken. Im Terra Nostra Garden Hotel kann man eine gehobene Version von Cozido probieren, dem traditionellen thermalgekochten Eintopf der Region. Die Kellner schütten dort mit Umami gewürzte Brühe über das gedämpfte Fleisch und Gemüse.

    SÃO JORGE: KÄSE UND TREKKING

    Ein traditioneller Käsehersteller auf São Jorge
    Foto von Mauricio Abreu, Aurora

    Wenn man seine Zähne in ein würzig-scharfes Stück São Jorge-Käse schlägt, beißt man in ein Stück Geschichte. Vermutlich brachten frühe flämische Siedler das Handwerk der Käseherstellung auf die messerförmige Insel. Heutzutage kann man den berühmten Kuhmilchkäse in Europa und Nordamerika finden – aber die Importe verblassen im Vergleich zu der ganzheitlichen Erfahrung, ein Stück davon mit Blick auf die Wiesen und die Kühe zu kosten, die dieses Erlebnis möglich machen.

    Die lange und schmale Form der Insel lädt mit 53 km Länge und fast 7 km Breite zu längeren Wanderungen ein. Am besten hält man Ausschau nach Wanderwegen zu den Fajãs. Die küstennahen Tiefländer, die durch Lavaströme oder Erdrutsche entstanden sind, bilden die wesentlichen geologischen Formationen der Insel.

    FLORES: BLUMEN, WANDERN und WASSERFÄLLE

    Der Lagoa dos Patos auf der Insel Flores
    Foto von Luis Ascenso

    Die westlichste Insel der Kette, Flores, ist auch die feuchteste. Aber der ganze Regen bedeutet auch, dass Flores seinem blumigen Namen alle Ehre macht – smaragdgrüne Hochländer, Kraterseen und eine besonders lebhafte Flora warten hier auf Besucher. Die von Wasserfällen durchzogenen Klippen sowie die mit Azaleen und Hortensien bewachsenen Wiesen gehören zu den schönsten Anblicken des ganzen Archipels. Zahlreiche Wanderwege durchqueren die Insel und machen sie zu einem Paradies für Wanderer. Seinen Wandertag kann man an der Westküste in der Gemeinde Fajã Grande beenden und einen spektakulären Sonnenuntergang betrachten – den westlichsten in ganz Europa.

    FAIAL: SEGELN UND VULKANE

    Walboote zwischen Faial und Pico
    Foto von Mauricio Abreu, Aurora

    Seit dem Beginn der transatlantischen Reisen haben Seeleute auf den Azoren Rast gemacht. Diese maritime Tradition ist an jeder Ecke des weltoffenen Hafens der Stadt Horta auf der Insel Faial spürbar. Läuft man am Yachthafen entlang, kann man die „Galerie“ der Seeleute bewundern – Crews, die hier anlanden, malen die Logos ihrer Schiffe auf den Pier. Im Peter Café Sport hängen die Seeleute Crewgesuche aus und trinken Gin Tonics unter den Yachtclub-Signalfahnen, mit denen die Decke gespickt ist. Im Obergeschoss befindet sich ein Museum für Beinschnitzereien. Dort kann man sich eine Sammlung geschnitzter und gravierter Walzähne ansehen – eine selten gewordene Kunstform, die noch heute praktiziert wird, wenn auch mit altem und geborgenem Elfenbein.

    Auf der anderen Seite der Insel kommt ein gänzlich anderes Bild von Faial zum Vorschein: eines von rauem und wildem Vulkanismus. 1957 brach der Vulkan Capelinhos aus und hörte 13 Monate lang nicht auf damit. Er stieß Gase, Wolken von schwarzer Asche und gelegentliche Gesteinsbrocken aus, die so groß wie Kanonenkugeln waren. Die seismischen Unruhen lösten zahlreiche Erdbeben sowie eine massenhafte Emigration von azorischen Flüchtlingen in die USA aus. Nach nur 60 Jahren sieht die kahle Landschaft außerirdisch aus, und das unterirdische, futuristische Interpretation Center verstärkt diesen Eindruck noch.

    TIPPS FÜR DIE REISE

    Reise: Azores Airlines SATA fügt ständig neue Routen hinzu. Damit ist dieses Füllhorn an Abenteuern und Vergnügen leichter erreichbar als je zuvor.

    Unternehmungen: Azorean Active Blueberry bietet Canyoning und Küstenerkundungen auf São Miguel an (Sicherheitsausrüstung und Taucheranzüge inklusive). Gerby Birding führt manische Vogelbeobachter und Naturliebhaber zu den Nistregionen an der Küste und tief in die Wälder der Insel, um die heimischen, Zug- und Wandervögel zu entdecken. Der Beinschnitzkünstler John von Opstal empfängt nach terminlicher Absprache Besucher in seiner Werkstatt in Horta, Faial. West Canyon Tourismo Adventura veranstaltet Halbtageswanderungen und Canyoning-Exkursionen (mit einem Fokus auf Abseilen am Wasserfall).

    Segeln: Espaço Talassa bietet Delfin- und Waltouren an, die in Picos ehemaliger Walfanghauptstadt Lajes do Pico starten. Das Unternehmen spendet 50 Cents pro Besucher an Baumpflanzprojekte, um ihre CO2-Bilanz aufzuwiegen. Das Charterboot-Unternehmen Sail Azores auf Faial verleiht Boote tage- oder wochenweise (mit Kapitän oder ohne) und stellt Fahrtstrecken für Bootsreisen über mehrere Inseln bereit.

    Essen: Der Ausrüster Tripix führt Aufstiege auf den Pico und kann auch Weinverkostungen auf Pico, Käseverkostungen auf São Miguel und Vulkantouren auf Faial organisieren Die Käsegenossenschaft Uniqueijo auf Terceira bietet alle zwei Wochen Touren mit Verkostungen an.

    Sophie Massie ist eine Autorin und Forscherin mit einem Faible für Inseln, Segeln und der portugiesisch- und französischsprachigen Welt. Sie lebt mit ihrem Mississippi-Mischling Zeus in Charlottesville, VA. Man kann ihr auf Twitter und ihrer Website folgen.

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