„Der Mount Erebus ist ein einzigartiger Vulkan“
Zwischen Eishöhle und Lavasee: Der deutsche Fotograf Carsten Peter berichtet von seiner Expedition in die Antarktis, zum südlichsten Vulkan der Erde.
„Auf den Mount Erebus wollte ich schon lange, aber es ist schwer, dafür eine Genehmigung zu bekommen. Zweimal hatte ich es bei einem Wissenschaftler versucht, der den Vulkan in der Antarktis seit Jahrzehnten unter die Lupe nimmt. Aber er lehnte ab. Er hatte wohl Angst, dass ich zu gefährliche Sachen machen will. Dann hat sich der Kontakt zu einer Gruppe von neuseeländischen Mikrobiologen ergeben. Die waren bereit, mich in ihr Team zu integrieren.
Der Mount Erebus ist ein einzigartiger Vulkan, in vielerlei Hinsicht. Es ist der südlichste Vulkan der Erde – und einer der aktivsten. Es gibt einen konstanten Lavasee, das ist selten. Und überhaupt: Ein Lavasee in der Antarktis! Dann sind da die Eishöhlen und diese Eiskamine, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Auch das Ökosystem ist einzigartig. Im mikrobiellen Bereich haben Wissenschaftler viele neue Arten gefunden. Der Berg ist einfach etwas ganz besonderes, wie nicht von dieser Welt. Die Bedingungen, die Temperaturen – man kommt sich vor wie an einem extraterrestrischen Ort.
Wer auf den Mount Erebus will, muss sich an strikte Auflagen halten. Bevor es losgeht, ist ein Survival Kurs Pflicht. Wir haben eine Nacht draußen im Zelt verbracht und gelernt, wie man Schneemobil fährt. Überhaupt mussten wir uns mit der ganzen Ausrüstung vertraut machen. Mit den Zelten, den Kochern und dem hochkomplizierte Schlafsacksystem, bei dem mehrere Stofflagen ineinander verschachtelt sind. Das muss man alles einmal geübt haben.
Der nächste Schritt ist ein Anpassungslager auf 3000 Meter Höhe. Wegen eines ausgedehnten Sturms dauerte das bei uns ein paar Tage länger als üblich. Wir konnten nicht vors Zelt gehen, hatten kaum Sicht. Aber es war auch spannend mitzuerleben, welche verrückte Kräfte da auftreten können. Als das Wetter wieder besser war, brachte uns ein Hubschrauber nach oben. Knapp unterhalb des Gipfels gibt es eine Hütte. Drinnen herrschen wohlige Verhältnisse. Wir konnten uns aufwärmen und die nächsten Tage planen. Zum Schlafen ging es aber raus in die Zelte.
Wir waren eine gute Woche da. Besonders beeindruckt war ich von den Eishöhlen. Ihre bläulichen Decken und die Nischen mit den riesigen Eiskristallen sind unglaublich schön. Wie Weihnachtsdekoration, aber leider furchtbar labil. Schon eine winzige Bewegung genügte, zum Teil nur ein Lufthauch, ein Ausatmen – und die Eiskristalle waren zerstört.
In so einer Umgebung muss man viele Wege gehen, um neue Bilder zu machen. Um den Kratersee zu fotografieren, habe ich eine Kamera drei Tage lang in Dauerschleife laufen lassen. Meistens ist der Krater nämlich voller Nebel, so dass man den See nicht sehen kann. So war es auch als ich die Kamera in einer speziellen Isoliervorrichtung sturmfest verankerte. Die Ausrichtung war ein Problem, weil ich nicht wusste, wo genau der Kratersee ist. Ich hoffte, in einem wolkenfreien Moment einen Schnappschuss zu bekommen. Letztlich hatte ich Glück.
Ein Problem beim Fotografieren war das Licht. Die Sonne schien rund um die Uhr. Um Mitternacht hatte sie ihren niedrigsten Stand. Da hätte ich gerne Bilder gemacht. Fotografen sind ja immer auf das beste Licht aus. Leider ist es nachts aber auch am kältesten. Das wollten die Wissenschaftler nicht, deren Arbeit ich begleiten sollte. Deshalb sind wir nur einmal für Fotos um Mitternacht raus.
Während der Expedition bin ich auch in Eiskamine geklettert. Ein Schlot war sehr eng. Ich konnte mich nur langsam durchzwängen, wie durch einen Geburtskanal. Trotzdem musste ich angeseilt bleiben, weil der Raum unten plötzlich aufgeht wie eine Kuppel. Außerdem könnte man jederzeit ohnmächtig werden, weil man in einen unsichtbaren See aus Kohlendioxid eintaucht. Das ist schon alles ziemlich gefährlich, aber es ist zum Glück nichts passiert.
Ich wäre gerne noch in den Krater abgestiegen, um ihn von innen zu erkunden. Aber einer der neuseeländischen Bergführer war dagegen. Das hat mich ein bisschen frustriert, weil wir sehr gute Bedingungen dafür hatten. Der Vulkan war relativ ruhig zu der Zeit, und es gab es eine ruhige Wetterperiode. Eigentlich ideal. Natürlich ist so eine Aktion immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Trotzdem bleibt es mein Traum, das mal noch zu machen. Überhaupt würde ich sofort wieder hinfahren zum Mount Erebus. Nur ergibt sich die Gelegenheit vermutlich nicht so leicht.“
Die Fotos stammen aus der Ausgabe 4/2018 des National Geographic Magazins. Dort steht auch eine Reportage über die Expedition. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!
Mehr über den Mount Erebus und andere Vulkanbesuche des Fotografen Carsten Peter gibt es im Buch "Vulkane – Expeditionen zu den gefährlichsten Kratern der Welt".