Mit der Kamera unterwegs im Land der tausend lächelnden Gesichter

Von Stefan, Steffi von Journey Glimpse
Veröffentlicht am 1. Juni 2018, 10:17 MESZ
Ein Tempel in Bagan kurz bevor die Sonne über den Horizont tritt und mit ihren Strahlen die Landschaft in goldgelbes Licht taucht.
Foto von Stefan Tschumi

„Dieses Land vergisst du nie“ – Das waren die Worte eines Freundes, als wir ihm erzählten, dass wir planen, nach Südostasien zu fliegen und während vier Wochen Myanmar zu bereisen. Bei 135 Ethnien und rund 100 Sprachen glaubten wir dies gerne. Zudem sahen wir vorab bereits unzählige Fotos, welche alle eins gemeinsam hatten: Sie waren umwerfend. Myanmar schien ein Traum für Fotografen zu sein. So kam es, dass Steffi und ich Mitte 2017, anlässlich unserer Fotojagd um die Welt, Flugtickets für Myanmar kauften. Wir wollten den so oft zitierten Zauber des Landes selbst erleben. Mit eigenen Augen sehen, wie ursprünglich Myanmar noch ist, und die besonderen Momente mit unseren Kameras festhalten.

Deshalb packten wir am 1. September 20 Kilogramm Kamera-Ausrüstung in unsere Rucksäcke und flogen los. Zuerst nach Peru, Chile, Australien und Bali – danach in die ehemalige Hauptstadt von Myanmar, nach Yangon. Die Akkus geladen, die Speicherkarten leer und wir voller Neugierde. Was zu diesem Zeitpunkt aber noch fehlte, war zum einen ein Reiseplan und zum anderen ein Guide. Da es uns wichtig ist, spontan und flexibel reisen zu können, platzieren wir im Vorfeld unserer Anreise jeweils keine Reservationen für Hotels, sondern schauen direkt vor Ort – und dies Tag für Tag.

Der berühmte Goldene Fels in der Nähe von Hpa-an kurz vor Sonnenuntergang. Gläubige Buddhisten bringen traditionelle Goldplättchen am Felsen an.
Foto von Stefan Tschumi

Einen Guide benötigten wir, da wir der Landessprache Myanmars nicht mächtig sind und wir tief in die Kultur eintauchen wollten. Somit waren wir darauf angewiesen, dass jemand für uns übersetzen konnte. Hinzu kommt, dass es in Myanmar den Ausländern nicht gestattet ist, ein Auto zu lenken. Aus diesen Gründen begann nach der Ankunft in Yangon die Recherche nach einem Guide und Fahrer.

Auf einem deutschsprachigen Myanmar-Blog stießen wir plötzlich auf jene Worte, welche wir bereits von unserem Freund kannten: „Myanmar – Dieses Land vergisst du nie“ stand da. Hier schien sich der Kreis zu schließen. Auf dem Blog fanden wir eine Liste mit Guides und Fahrern. Wir pickten einen Namen aus der Mitte der Liste und schrieben eine E-Mail. Kurze Zeit später saßen wir zu viert an einem Esstisch eines kleinen Lokals und keine 36 Stunden später blickten wir aus dem Fenster eines Minivans. Am Steuer saß Thein Toe, unser Guide, links von ihm seine Frau und in unserem Blickfeld immer wieder Pagoden, welche die wunderschönen Landschaften säumen – ja manchmal sogar schon fast dominieren. Langsam wurde uns klar, warum Myanmar auch als das Land der tausend Pagoden bezeichnet wird, wobei tausend weit untertrieben ist. Aus unserer Sicht wäre eine noch viel passendere Bezeichnung für Myanmar „Das Land der tausend Lächeln“ – wie wir aber erst später herausfinden sollten.

BELIEBT

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    Eine Pagode des alten Klosters von Mawlamyaing kurz vor Sonnenuntergang.
    Foto von Stefan Tschumi

    Unsere Reise führte uns zuerst in Richtung Hpa-an. Auf dem Weg fotografierten wir hauptsächlich Pagoden und die wunderschöne Landschaft des Landes. In Hpa-an angekommen war es Steffi, die realisierte, dass im Gegensatz zu der bisherigen Reise in Myanmar nicht die Landschaft im Vordergrund unseres fotografischen Schaffens stehen würde, sondern die Menschen. Sie sind es, welche Myanmar unverwechselbar machen. Deshalb beschlossen wir, unsere Porträtlinsen anzubringen und in Hpa-an einen lokalen Markt zu besuchen. Wir wollten dorthin, wo sich die Einheimischen treffen, um einzukaufen. Dort, wo sich das echte Leben der Menschen abspielt. Für uns war der Markt ein Fest für die Sinne. Die Sonne ließ die auf dem Markt zu erwerbenden Blumen in ihren schönsten Farben erstrahlen. Die Düfte in der Luft wechselten sich mit jedem zurückgelegten Meter ab. Zuerst der Geruch von Blumen, danach getrockneter Fisch. Um uns herum die Menschen von Myanmar – von ihrem Äußeren her nur schwer der Kultur von Myanmar zuzuordnen, sind doch beispielsweise die indischen und chinesischen Wurzeln nicht von der Hand zu weisen. Auf dem Markt übernahm Thein Toe für uns die Rolle des Dolmetschers. Wir fotografierten die Menschen in ihrem Alltag und hörten uns ihre Geschichten an. Geschichten aus ihrem Leben, welches im Vergleich zu unserem nicht unterschiedlicher sein könnte.

    Eine Blumenverkäuferin bindet einen Strauß auf dem traditionellen Markt von Hpa-an.
    Foto von Stefan Tschumi

    Die Menschen auf dem Markt ließen uns an ihrem Alltag teilhaben, ohne eine künstliche Barriere aufzubauen. Für uns war es eine Kostprobe des viel zitierten Ursprünglichen, welches in Myanmar zu erleben ist. Gleichzeitig war es ein kleiner Vorgeschmack auf den intensiven Tag im landwirtschaftlichen Dorf nahe Taungoo.

    Dorthin führte uns unser Weg drei Tage später. In dem Dorf leben Freunde von Thein Toe, allesamt Selbstversorger. Ein Teil der nicht selbst gebrauchten Erzeugnisse wird auf dem Markt verkauft – ihre Art von Business-Modell, mittels welchem einige Euro erwirtschaftet werden, stets für die Gemeinschaft. Es handelt sich um ein Dorf, wie es im früheren Burma vor zwanzig Jahren noch Standard war. Durch den fortschreitenden Technologiewandel aber halten auch hier langsam Maschinen Einzug. Was im Dorf aber nicht anzutreffen ist, sind professionelle Fotokameras. Diese brachten wir mit. Einerseits auf Wunsch von Thein Toe, andererseits, weil wir darauf hofften, die Dorfbewohner porträtieren zu können. Zu unserem großen Erstaunen wurden wir bei der Ankunft nicht wie Fremde behandelt, sondern so, als gehörten wir schon seit Jahren fest zur Bevölkerung des Dorfes. Auch die Tatsache, dass wir keine gemeinsame Sprache sprachen, schien kein Problem darzustellen. Thein Toe war unser Sprachrohr Er war derjenige, welcher in diesem Augenblick Kulturen verband. So erfuhren wir, was die Dorfbewohner bewegte, wie sie über gewisse Themen dachten. Wir durften sie in ihrem Alltag porträtieren. So lange wie wir wollten. Zwischendurch wurden wir immer wieder auf Kaffee und Gebäck eingeladen. Oder auf ein Mittagessen. Auch wenn die Menschen hier noch so wenig haben, schienen sie bereit, alles mit uns zu teilen, ja uns sogar alles zu geben.

    Eine Dame der Padaung, einem Stamm der Karen, auf einer Veranda sitzend. Aufgenommen in der Bergregion rund um Loikaw.
    Foto von Stefan Tschumi

    Sie schienen unsere Anwesenheit zu genießen und sie erzählten viel. Selbst dann, wenn Thein Toe nicht in der Nähe war, um zu übersetzen. Immer, wenn sie glaubten, wir würden nichts verstehen, versuchten sie mit Gesten, ihre Argumentation zu unterstreichen. Oder sie zeigten mit Fingern auf Gegenstände. Am Ende des Tages verstanden wir uns. Irgendwie, mit Händen und Füssen. Aber es ging. Zum Dank fotografierten wir die Menschen noch so, wie sie es wünschten. In ihren Posen, mit ihren Lieblingskleidern. Zurück in Yangon ließen wir diese Bilder ausdrucken und vertrauten sie Thein Toe an, der sie für uns bei seinem nächsten Dorfbesuch verteilte. Ein kleines Dankeschön für diesen tollen Tag. Andere sagen es mit tausend Worten, wir mit einem Foto.

    Der Tag im Dorf war anstrengend. Anstrengend, weil wir mit so viel Herzlichkeit nicht gerechnet hatten. Anstrengend aber auch wegen den vielen Eindrücken, welche auf uns hereinprasselten. Das war das ursprüngliche Myanmar. Jenes, das wir gesucht hatten und von welchem wir jetzt einen Tag Pause brauchten. Schon bald führte unsere Reise nämlich nach Loikaw, in die frühere Black Area. Die Region ist eine ehemalige Konfliktzone. Nur wenige Menschen in Myanmar besuchten Loikaw bis dato. Lange war es für Touristen nur sehr schwer oder überhaupt nicht möglich, nach Loikaw zu reisen. Seit ein paar Jahren ist es jedoch ruhiger geworden. Wir wollten die Chance nutzen, auch oder besser gesagt vor allem, weil dort die Frauen der Padaung leben. Die Padaung gehören zum Stamm der Karen und werden in westlichen Gefilden oft despektierlich Langhalsfrauen oder Giraffenhalsfrauen genannt. Aus Tradition tragen die Frauen schwere goldene Ringe um den Hals. Nicht wie oft behauptet aus Gründen der Schönheit, sondern aus Gründen des Schutzes – so zumindest in der Region um Loikaw. Früher reiste der König von Myanmar auf der Suche nach neuen Frauen umher. Wer ihm gefiel, wurde mitgenommen. Um von diesem Schicksal verschont zu bleiben, begannen die Padaung damit, diese Ringe zu tragen und sich dadurch zu entstellen. Heute sind die Ringe eine reine Fortführung dieser Tradition, welche wir uns persönlich ansehen wollten. Nicht aus Sensationsgelüsten heraus, sondern aus Neugierde. Neugierde auf das Leben der Padaung. Das Volk lebt aber noch immer sehr abgeschottet und gibt nicht sehr bereitwillig Auskunft – ausgenommen jene Damen, welche beim Eingang des Dorfes den Zeitgeist erkannt und erste Verkaufsstände aufgestellt haben. Durch unseren Guide Thein Toe war es uns dennoch möglich, mit den Padaung in Kontakt zu kommen. Ja mehr sogar. Wir durften in ihre Häuser. Sie erzählten uns von ihren Leben, den geplatzten Träumen und der harten Realität. Und wir durften fotografieren. Steffi jedoch ließ die Kamera gleich in der Tasche. Ich schoss einige Fotos, so auch von der zweitältesten Padaung-Dame im Dorf. Nachdem ich aber das zweite Mal auf den Auslöser gedrückt hatte, musste ich aufhören. Ich hatte das Gefühl, als blickte ich der Frau direkt in die Seele. Der Moment war für mich kaum auszuhalten und so beschloss auch ich, die Kamera in der Tasche verschwinden zu lassen. Vielleicht war alles ein wenig viel. Der Besuch im Dorf einige Tage zuvor oder auch unsere Anreise nach Loikaw durch den tiefen Dschungel Myanmars. Der Weg führte durch ehemalige Konfliktzonen, in welchen noch immer Kämpfer der Nationalen Armee – wir im Westen nennen sie Rebellen – patrouillieren. Wir trafen auf diese Kämpfer, machten auf ihren Wunsch hin sogar Selfies mit ihnen und passierten während der Fahrt mehrere Straßensperren. Zudem fuhren immer wieder bewaffnete Männer mit Gewehren auf dem Rücken mit ihren Motorrädern an uns vorbei. Dieser Abstecher nach Loikaw war ein ganz spezielles Erlebnis.

    Ein Mädchen der Padaung trägt die traditionelle Bekleidung des Karen-Volkes.
    Foto von Stephanie Bernhard

    Zum Abschluss unserer Myanmar-Reise machten wir uns auf nach Bagan. In Bagan ist das antike Myanmar zu finden. Hier dominieren die alten Tempel das Landschaftsbild, hier pilgern so gut wie alle Myanmar-Reisenden hin und hier findet sich die allmorgendliche Tradition der Balloons over Bagan. Touristen steigen zu Sonnenaufgang in die Körbe von Heißluftballons und lassen sich über die Tempel hinwegtragen. Wir verzichteten auf die Ballonfahrt und beschlossen stattdessen, die Ballons als Fotomotive zu nutzen. Wir verbrachten insgesamt vier Tage in Bagan. Jeden Morgen standen wir lange vor Sonnenaufgang auf und fuhren raus zu den Tempeln. Wir suchten nach möglichst schönen Einstellungen und versuchten, aus den ersten Sonnenstrahlen des Tages, den Ballons, den Tempeln und der wunderbaren Landschaft eine Poesie im Bild zu erzeugen. Für uns wurde Bagan, was die Landschaftsfotografie anbelangt, zum absoluten Highlight von Myanmar. Aber es war nicht das einzige Highlight, welches sich uns hier bieten sollte. Durch unseren Guide und lokale Bekanntschaften war es möglich, in einem Tempel in Bagan zu fotografieren. Drei Novizen sowie unzählige Kerzen waren unser Motiv. Da Worte der Anmutung der Szenerie nicht gerecht werden können, verzichten wir auf Ausführungen zum Shooting und benutzen für dessen Beschreibung einfach ein Wort: traumhaft.

    Ein wunderschöner Sonnenuntergang in Mawlamyaing. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Landschaft und den Nebel nahe des Flusses Saluen in wunderschönes Licht.
    Foto von Stefan Tschumi

    Ein Schlusspunkt, wie er für diese unglaubliche Reise in Myanmar nicht schöner hätte sein können. Wir wollten tief eintauchen in die Kultur und das ursprüngliche Myanmar erleben. Dank unserem Guide und den vielen tollen Menschen in Myanmar war dies möglich. Wir durften in einer Art und Weise am Alltag der Menschen teilhaben, wie wir es uns nicht einmal erträumen konnten. Wir wurden Zeugen von Leid, Hoffnung und Freude. Haben wunderbare Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge erlebt. Wir probierten jeden Tag etwas Neues zu Essen. Etwas, das wir noch nie zuvor gekostet haben. Wir fotografierten zum ersten Mal auf unserer Bilderjagd Menschen, teilweise so lange, bis wir einfach nicht mehr konnten. Wir haben jede Minute in Myanmar genossen. Es war eine intensive Zeit und für uns steht fest, dass unser Freund sowie der deutsche Myanmar-Blog Recht behalten: Dieses Land vergessen wir nie.

    Besucht Stefan und Steffi auf ihrer Website!

     

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