Tokaj – Alte Heimat einzigartiger Weine
Diese Region im Nordosten Ungarns ist für Weinliebhaber eine wahre Offenbarung.
Ein Besuch in der Region Tokaj ist eine Offenbarung für Weinliebhaber. Alles in diesem Gebiet im Nordosten Ungarns spiegelt sich in seinen einzigartigen Weinen wieder: Die vulkanische Erde, das Mikroklima, die Vielfalt der einheimischen Rebsorten, aber auch die unterirdischen Labyrinthe der modrigen Lagerkeller.
Ihre Berühmtheit verdankt das Anbaugebiet dem Botrytis, einem Schimmelpilz, auch „Edelfäule“ genannt. Er verwandelt die überreifen Trauben in kleine, verschrumpelte, rosinenartige Beeren, voller konzentriertem Zucker und Geschmack. Edelfäule tritt nur unter perfekten Wetterbedingungen auf, und in jedem Herbst erwarten die Winzer angespannt ihr Ankommen – oder Ausbleiben. Süße aszú-Weine können nur in Jahren mit Botrytis-Ausbruch gekeltert werden. Diese wertvollen Trauben werden einzeln per Hand verlesen.
Die Region Tokaj ist vor allem für ihre Süßweine, die Tokaji Aszú, berühmt. Die Winzer bauen hier jedoch ein breites Spektrum an Weißweinen an. Beispiele dafür wären der staubtrockene Furmint oder die Tokaji Eszencia, ein erlesener Tropfen von fast sirupartiger Konsistenz, dessen hoher Zuckergehalt eine Entstehung von über vier Prozent Alkohol bei der Gärung verhindert. Bei den Süßweinen entsteht durch die Konzentration in den edelfaulen Beeren ein vollmundiger Wein von tiefgoldener Farbe, in dessen Geschmack sich Aromen von Orangenmarmelade, Haselnuss, Brot, Dill, Zitrus, Aprikose und Honig wiederfinden.
Die Tokaj-Region trägt innerhalb der 22 Weinanbaugebiete ein besonderes Prädikat. Im Jahr 1630 hielt ein calvinistischer Priester erstmals die besondere aszú-Herstellungsweise schriftlich fest. Diese Methode wird auch heute noch auf die gleiche Weise angewendet – wenn auch unter Verwendung besserer technischer Hilfsmittel. Im Jahr 1737 wurde das Weinanbaugebiet Tokaj durch königlichen Erlass geografisch begrenzt und 1772 wurde hier das weltweit erste Klassifizierungssystem für Weinberge entwickelt. Sogar in der feierlichen Nationalhymne, der Himnusz, findet Wein Erwähnung: „Von den Tokaijer Hängen lässt du Nektar tropfen.“
Von Budapest aus benötigt man mit dem Auto etwa zweieinhalb Stunden bis in die Region Tokaj, was sie zu einem schönen Ausflugsziel macht. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall, auch unabhängig von einer persönlichen Vorliebe für Wein. Die Region gehört zum geschützten UNSECO-Welterbe und ist eine der schönsten Ungarns. Ihre natürlichen Grenzen sind die Stadt Tokaj im Südwesten, wo die Flüsse Bodrog und Theiß sich treffen, im Südosten der Bodrog und im Nordwesten das Sempliner Gebirge. Diese geographische Lage fördert auch die Entwicklung von Botrytis.
Zwischen den 28 Dörfern der Region ziehen sich Weinberge entlang der Landstraßen. Besonders sehenswert sind die kleinen, malerischen Seen von Mád (der Heimat der Spitzenweingüter), Erdőbénye (wo sich einige vielversprechende Jungwinzer angesiedelt haben), Tarcal (das mit einigen Luxushotels lockt) und Tállya (ein gastfreundliches Dorf mit riesigem, altem Weinkeller).
Besucher können Störche beobachten, die im Frühling und Sommer überall in der Gegend auf Strommasten und Schornsteinen nisten. Die unberührte Natur der Flüsse Bodrog und Theiß lädt Kajak- und Paddelbootfahrer zum Verweilen und Genießen ein.
Die zauberhafte Kleinstadt Tokaj ist der Mittelpunkt des Gebiets. In ihr findet sich unter anderem die Statue eines betrunkenen, nackten Zechers, der in einer Hand Trauben, in der anderen einen Weinkelch hält. Der Marktplatz präsentiert sich vor einem Panorama aus Hügeln und Kirchturmspitzen und unter ihm befindet sich der vielleicht berühmteste Weinkeller der Region. Er wurde zu Beginn des 15. Jahrhundert erbaut und in ihm wurde im Jahr 1526 König Johann Zápolya gekrönt. Die Halle ist groß genug, dass mehr als 100 Menschen drin Platz fanden.
Die Region Tokaj beheimatet außerdem einen wichtigen Teil des Erbes europäischer Juden. Jüdische Händler spielten eine zentrale Rolle in der Herstellung, dem Verkauf und Transport der Weine aus dem Tokaj-Gebiet. Das trug über die Jahrhunderte maßgebliche zur Entwicklung der internationalen Anerkennung bei. In Mád und der Stadt Tokaj wurden Synagogen sorgfältig wieder aufgebaut und einige Weingüter befinden sich in den alten Heimstätten jüdischer Weinhändler. Friedhöfe wie der in Bodrogkeresztúr sind wichtige chassidische Pilgerstätten.
Alles in dieser Region dreht sich um Wein, der hier omnipräsent ist. Etwas ganz spezielles ist der Tokaji Aszú, dessen Vollendung langwierig ist und der nicht selten jahrzehntelang reift. Man schmeckt förmlich die Geschichte in ihm.
Unterdessen widmen sich die Winzer zunehmend auch den trockenen Furmints, die langsam ihren Platz in der riesigen Fülle von internationalen Weinen finden. Sie sind sehr vielseitig und kräftig genug, um zu einer großen Bandbreite an Gerichten zu passen. Der Tokajer ist der ganze Stolz des ungarischen Weins, aber im Rest der Welt ist er nach wie vor ein Geheimtipp. Doch jeder Besuch eines Weinguts bringt Interessierte weiter auf seine Spuren.