Ungarn – Land des Wassers ohne Küste

Stephen Alvarez entdeckt Ungarns vielseitige Landschaft und Kultur

Von Stephen Alvarez
Veröffentlicht am 4. Dez. 2018, 12:53 MEZ
Stephen Alvarez entdeckt Ungarns vielseitige Landschaft und Kultur.

Das Wasser bestimmt in Ungarn das Leben so sehr wie an keinem anderen Ort, an dem ich je gewesen bin. In Budapest ist die Donau die von Brücken überspannte und von Frachtkähnen und Booten befahrene Lebensader. Der Plattensee, oder Balaton, ist das Binnenmeer des Landes, an das die Ungarn gerne zur Entspannung fahren. Hohe Luftfeuchtigkeit trägt zur Qualität der Weine in der Tokaj-Region bei, deren einzigartiges Mikroklima von den Flüssen Theiß und Bodrog beeinflusst wird. Überall in Ungarn sprudeln Thermalquellen aus dem Boden und Kurorte feiern ihre heilende Wirkung. Selbst in der Landesgeschichte spielt Wasser eine wesentliche Rolle, vor allem für die aus dem 13. Jahrhundert stammende Burg Füzér im Nordosten Ungarns. Vielleicht ist das Wasser so wichtig, weil Ungarn keine eigene Küste besitzt. Es ist auf jeden Fall essenziell für die ungarische Kultur und den Lebensstil der Menschen.

Ich war schon immer der Meinung, dass Budapest eine der schönsten Städte Europas ist. Ihre Architektur wie das neogotische Parlamentsgebäude, der grandiose Burgpalast und die elegante Széchenyi-Kettenbrücke sind herausragend. Einen besonderen Blick auf die Stadt kann man im Morgengrauen von der Fischerbastei aus erhaschen, wenn die Stadt noch still und friedlich den Rausch ihres berüchtigten Nachtlebens ausschläft. Selbst die Donau scheint hier langsamer zu fließen und man erkennt sehr leicht, warum Budapest jahrhundertelang die Inspirationsquelle für Kunst und Kultur in Ungarn war.

Verlässt man die Stadt, gibt es keinen besseren Ort, um die Liebe der Ungarn zum Wasser besser zu verstehen als den Balaton. Der Plattensee ist mit seiner Länge von knapp 80 Kilometern Zentraleuropas größter Süßwassersee. Von seinen Ufern aus erheben sich Hügel und Weinberge und Weltklassesegler liefern sich auf seinem Wasser Rennen. Ich durfte mit Dóra Solymos einen Segelausflug machen, die schon seit ihrer Kindheit auf diesem See unterwegs ist und ihn ganz offensichtlich sehr liebt. Was bedeutet ihr der Balaton? „Nun, Wasser ist Leben“, erzählte sie mir. Sie hat bereits versucht, nach Budapest überzusiedeln, doch es zog sie wieder zurück zum Balaton. Jetzt verbringt sie ihre Tage damit, Menschen das Segeln und alles über den See beizubringen.

Wenn in Ungarn das Wasser Leben bedeutet, dann ist der Wein das Blut. Die Tokaj-Region ist seit Jahrhunderten für ihre süßen, honig-goldenen Tokaji Aszú-Weine berühmt. Bei der Fahrt durch diesen Landstrich erstrecken sich die Weinberge bis zum Horizont. Tokaji Aszú kann nur in guten Jahren gekeltert werden, wenn die Mündung von Bodrog und Theiß feuchte Luft auf die Weinberge schickt. Herbstlicher Morgentau vermischt sich mit dem Wind, wodurch sich auf den Trauben Botrytis oder „Edelfäule“ bilden kann. Das ist das Geheimnis des vollmundigen aszú-Geschmacks, das die Trauben zusammenschrumpeln lässt und dabei den in ihnen enthaltenen Zucker und Geschmack konzentriert.

Der Besuch von Kurorten hat in Ungarn eine lange Tradition und die Vielzahl von Thermalquellen ist eines der großen Naturwunder des Landes. Thermalbäder werden als Nationalschatz betrachtet und die Menschen genießen ihre Vorzüge bereits seit mehr als 2.000 Jahren. Im Moment gibt es im ganzen Land mehr als 400 Bäder, und der Héviz ist nicht nur einer von Ungarns bekanntesten Thermalseen, sondern auch ein Wahrzeichen. Wenn es morgens noch ruhig und idyllisch ist und die Sonne über dem See aufgeht, das warme Wasser und die kühle Luft sich in sanft schwebendem Nebel vermischen, fällt es leicht, sich in die Vergangenheit zurückzuversetzen. Man versteht dann, warum so viele Menschen seit so langer Zeit hierher kommen.

Wenn ein Kind eine Burg malt, sieht diese mit hoher Wahrscheinlichkeit Burg Füzér ähnlich. Wie aus dem Märchen entsprungen thront das Bauwerk seit dem 13. Jahrhundert über den Hügeln und direkt auf einem tiefen Brunnen mit eigener Quelle – ein wesentlicher Vorteil im Falle einer Belagerung. Die Geschichte dieses Ortes hat so viel Unglaubliches gesehen: Herrscherdynastien, Kriege, die Mongoleninvasion und über 800 Lesen in den umliegenden Weinbergen. Sie ist eine schimmernde, weiße Bastion in einem Meer aus grünen Hügeln, ein friedlicher Zeuge der Geschichte. Tiefe Furchen ziehen sich entlang der Brunnenwände, gegraben von den Ungarn, die jahrhundertelang Wasser in dieser verwunschenen Burg nach oben holten.

Seit Generationen steht Wasser in Ungarn für Leben.

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