Edle Tropfen aus slowenischen Weinregionen
Auf einer Geschmacksreise durch Slowenien erlebt man Traditionen und idyllische Landschaften.
Bei einer Fahrt in die slowenische Weinregion Primorska ist man ohne Karte schnell aufgeschmissen. Die scheinbar endlose Weite der Hügellandschaften wird nur ab und an von kleinen Häuseransammlungen mit ihren roten Dächern unterbrochen. Hier kann man sich leicht vorstellen, einmal falsch abzubiegen und sich plötzlich mitten in einer italienischen Weinlage wiederzufinden.
Slowenien und Italien haben ihre mineralischen Böden gemein, die sich perfekt für Anbau von Trauben eignen. Doch im Gegensatz zu ihrer Schwester Italien ist die Weinregion in Slowenien noch erfrischend unentdeckt. Ob für Weinkenner, Gelegenheitsgenießer oder Neugierige auf der Durchreise – Slowenien ist der perfekte Ort, um kreative Weingüter und ganz neue Rebsorten kennenzulernen.
Nachdem ich mir in der Hauptstadt Ljubljana ein Auto gemietet habe, fahre ich nach Westen Richtung italienischer Grenze in das verschlafene Dörfchen Višnjevik. Es liegt versteckt in den Hügeln von Brda und damit im Weinanbaugebiet Primorska. Es ist eines von dreien im Grenzland Sloweniens. Die anderen beiden – Podravje im Nordosten und Posavje ganz im Südosten – sind bekannt für ihre eleganten Weißweine und aromatischen Rotweine. Ich freue mich jedoch darauf, einige von Brdas trockeneren Rebsorten zu probieren, von denen viele zunehmend Anerkennung auf der internationalen Bühne erhalten.
In nur eineinhalb Stunden gelange ich von einer hektischen, europäischen Hauptstadt – mit ihren Cafés, Galerien und gut besuchten Bars direkt am Fluss – in eine Landschaft, die von Terrassen geprägt ist. Je weiter man fährt, desto hügeliger wird die Umgebung, und als ich die Hauptstraße verlasse, tauche ich ein in eine Welt voller friedlicher Dörfer, die durch schmale Landstraßen miteinander verbunden sind.
Es ist eines dieser Panoramen, die wie für Instagram gemacht scheinen und die Wanderlust in mir wecken. Nach jeder Biegung halte ich an, um mehr Fotos zu machen. Die Landschaft wird immer malerischer, je weiter die Straße nach oben führt. Inzwischen ist es später Nachmittag, die Schatten werden länger und das weichere Sonnenlicht taucht alles in den warmen Schein dieses kurzen Zeitfensters, das in der Fotografie „goldene Stunde“ genannt wird.
Ich parke das Auto am Ortsrand von Višnjevik, stelle mich auf eine Anhöhe zwischen zwei Weinbergen und lasse den Anblick auf mich wirken. Zu meiner Linken liegt in der Ferne der Golf von Triest, ein schmaler, blauer Streifen, der vom Adriatischen Meer abzweigt. Zu meiner Rechten ragen die zerklüfteten Gipfel der Julischen Alpen in den Himmel auf. Die einzigen Geräusche, die die meditative Stille durchbrechen, sind ein Traktor, der irgendwo im Tal brummt, und das rhythmisch zirpende Orchester der Zikaden, die im hohen Gras verborgen sind.
Slowenien ist im Vergleich zu bekannten Weinregionen wie Italien, Frankreich und Spanien noch relativ unentdeckt. Nichtsdestotrotz reicht die Geschichte der Vitikultur Tausende von Jahren zurück. Jahrhunderte bevor die Römer ankamen, kultivierten illyrische Stämme hier schon Reben und kelterten Wein. Bis heute nutzen die Einheimischen auch traditionelle Techniken, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
In einem Weingut in Višnjevik sehe ich besondere Weinchargen, die in antiken Tonamphoren (Gefäße mit einem oder zwei Henkeln) reifen. Die Amphoren werden dazu im Boden versenkt. Von Zeit zu Zeit werden die Gefäße nach oben geholt und ihr Inhalt umgerührt, um die Fermentation zu unterstützen.
Im gleichen Keller reihen sich auch moderne Edelstahlbottiche aneinander. Die wertvolle Flüssigkeit in diesen glänzenden Behältern wird während der Gärung fortwährend auf ihren Geschmack und die Temperatur überprüft. Zur Reifung lagert sie dann in alten Holzfässern.
Das Ergebnis dieser Nutzung von Altem und Neuem – von Natur und Technologie – ist eine ständig wachsende Zahl von geschätzten Weinen aus Slowenien. Viele von ihnen stammen aus biologischem Anbau. Višnjevik ist die Heimat von Winzern, die in die USA und nach China exportieren, da der internationale Geschmack immer anspruchsvoller wird und die Kunde von slowenischen Rebsorten sich zunehmend verbreitet.
Eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, wird die Weinregion Primorska ein Hotspot für anspruchsvolle Weinliebhaber sein. Doch das alles erscheint mir weit entfernt, als ich den Tag genussvoll auf einer Terrasse mit einem Glas kühlem, trockenem slowenischem Weißwein ausklingen lasse.
Slowenien entdecken
Nach einem ereignisreichen Tag in Sloweniens Weinregionen bietet sich eine Reservierung im Restaurant JB in Ljubljana an. Hier kreiert Chefkoch Janez Bratovž ein Menü rund um die vier Elemente – Erde, Wasser, Feuer und Luft. Traditionelle Gericht wie langsam gegartes Lamm werden mit lokal produzierten Weinen kombiniert, die die ausgezeichnete Sommelière (und Janez’ Tochter) Nina auswählt.