Genuss am Meer

Gastgeber in Dalmatien entdecken die Gerichte ihrer Vorfahren wieder. Restaurants in der Stadt und kleine Höfe im Umland locken Kenner mit fantastischem Essen.

Von David Farley
Veröffentlicht am 29. Apr. 2019, 18:08 MESZ
Altstadt von Dubrovnik
Sonne und salzige Seeluft laden zum Spaziergang durch die Altstadt von Dubrovnik.
Foto von Colour Box

Mit Marija Papak durch Dubrovniks Hinterland zu fahren ist, als ginge man auf Schatzsuche. Jedenfalls für Menschen wie mich, die für gutes Essen gern mal einen Umweg machen – etwa, um einen besonders aromatischen, handgemachten Käse zu kosten. Und meine Bekannte Marija weiß, wo man solche Kostbarkeiten bekommt.

In ihrer Heimatstadt Dubrovnik hat sich das herumgesprochen. Während des Sommerfestivals steht Marija dort mit ihrem Imbissstand am Pile-Tor. Oft kommen Stadtführer mit ihren Gruppen, um von ihrem Prosciutto und den raffiniert mit Kräutern und Knoblauch verfeinerten Kartoffeln zu kosten. Marijas Konzept ist überraschend radikal für einen Ort wie Dubrovnik, in den jeden Sommer Hunderttausende Besucher strömen, viele davon an All-you-can-eat-Buffets gewöhnte Kreuzfahrtpassagiere: Sie kocht streng saisonal. „Frischen wilden Spargel bekommt man nur zehn Tage im Jahr“, erzählt sie mir. „Also gibt es den bei mir nur während dieser Zeit.“ Alle Zutaten stammen von kleinen Höfen aus dem Umland.
 Und das erkunden wir jetzt.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Slow-Food-Bewegung die Koch- und Essgewohnheiten in vielen Teilen der Welt verändert. In Südosteuropa kommt sie erst jetzt an. Ich habe Dubrovnik immer mal wieder besucht und mich oft gefragt, warum den Gästen in vielen Restaurants schlaffe Tintenfischringe, trockene Pizza und fade Nudelgerichte vorgesetzt werden. Vielleicht, weil diese wunderschöne Stadt keine guten Restaurants braucht, um Besucher anzuziehen? Die tiefblaue Adria und ihre weißen Kiesstrände bilden eine grandiose Naturkulisse, die Straßen aus weißem Kalkstein wirken wie frisch poliert, und eine fast zwei Kilometer lange, wehrhafte Stadtmauer umschließt die Altstadt, die seit 40 Jahren zum Weltkulturerbe gehört. Nicht wenige Menschen kommen außerdem, weil Dubrovnik ein Drehort für die erfolgreiche TV­Serie „Game of Thrones“ und den Star­Wars­Film „Die letzten Jedi“ war.

Wir bummeln mit dem Auto durch das fruchtbare Konavle-Tal südöstlich von Dubrovnik. Im Dorf Mihanići lebt Miho Kukuljica. Hinter seinem Haus ragen graue Felsen empor, davor grasen auf einer abschüssigen Weide die Schafe und Ziegen. Wir wollen Kukuljicas Käse und seine geräucherten Fleischspezialitäten probieren.

Seine Frau Kate füllt unsere Gläser mit selbst gebranntem Travarica, einen mit Salbei, Rosmarin und anderen Kräutern versetzten Weinbrand. Wir erheben unsere Gläser und stoßen an: „Živjeli!“ – auf das Leben. Auf den langen Holztisch stellt sie weichen, leicht nach Gras schmeckenden Käse: einer nur einen Tag gereift, ein anderer einen Monat, ein weiterer ist mit Kräutern mariniert. Weiter geht es mit Fleisch: Bauchspeck, Schinken, dicke Wurstscheiben – alles von Pata-Negra-Schweinen, die die Familie hält. Daneben stehen mehrere Flaschen Olivenöl und eingelegte Paprikaschoten. Dann holen die Kukuljicas noch Karaffen mit Chardonnay, Shiraz, Merlot und Cabernet Sauvignon und mehr Krüge mit Walnuss- und Kirschlikören.

„Alles, was auf diesem Tisch steht, habe ich selber hergestellt“, sagt Miho Kukuljica und zeigt auf die Tafel. Noch ist sie zugleich sein Verkaufstisch, doch er baut gerade seine Garage zu einem kleinen Laden um. „Meine Produkte sind oft schon bestellt, bevor ich mich überhaupt an die Arbeit mache“, erzählt er mir, während ich mir ein Stück Schinken, der viele Monate lang luftgetrocknet wurde, im Mund zergehen lasse. Der würzige Geschmack bleibt noch lange auf meiner Zunge.

Kukuljicas Kreationen waren nicht immer so gefragt. „In den vergangenen paar Jahren ist es mit dem Geschäft wirklich bergauf gegangen. Die Menschen beginnen zu verstehen, dass die Produkte, die wir Kleinbauern herstellen, nicht nur bessere Lebensmittel sind, sondern dass es auch der Gemeinschaft nützt, unsere Höfe zu unterstützen.“

Zurück in Dubrovnik esse ich im Pantarul zu Mittag. Es liegt etwas außerhalb im Stadtviertel Lapad, dessen weiß getünchte Häuser sich auf einer hügeligen Halbinsel verteilen. Hier haben die Food-Bloggerin Ana-Marija Bujić und der Koch Jadran Tutavac ihr Restaurant eröffnet, das modern eingerichtet ist, aber klassische dalmatinische Küche bietet. Ich probiere erst vom Fladenbrot mit Wildkräutern, dann lasse ich mir das Risotto mit dicken grünen Bohnen und Oktopus schmecken. Die Bohnen haben gerade Saison, das Brot gibt es traditionell auf der nahen Insel Vis, erklärt mir Bujić. „Eigentlich wollten wir ausschließlich regionale Produkte verwenden, die zur Jahreszeit passen. Leider stellten wir schnell fest, dass das in Dubrovnik schwierig ist.“ Immerhin: 80 Prozent ihrer Zutaten stammen von Kleinbauern wie Miho Kukuljica. Vor fünf Jahren, als das Pantarul öffnete, war dieses Konzept revolutionär. Aber ähnliche Restaurants folgten.

Mittlerweile organisieren sich einige Gastronomen sogar in Slow-Food-Vereinen. Auch Morana Raguž gehört einem an. Gemeinsam mit ihren Eltern betreibt sie die Pension Villa Vatikan im Küstendorf Trpanj, das auf der idyllischen Halbinsel Pelješac gut 80 Kilometer nordwestlich von Dubrovnik liegt. Zusammen unternehmen wir eine kulinarische Rundfahrt. Im Croccantino in der Kleinstadt Orebić probieren wir Bio-Eiscreme mit heimischen Zutaten wie Thymian und Minze. Die Kräuter pflückt die 29-jährige Inhaberin Marija Antunović selbst in den nahen Bergen. Ich will von ihr wissen, weshalb die Menschen hier erst jetzt so viel Wert auf gutes Essen legen. Antunović sieht mich an, denkt kurz nach und erzählt dann vom Balkankrieg in den 1990er-Jahren. „Meine Generation war nicht so sehr von ihm betroffen, daher sind wir offener für die Zukunft“, sagt sie.

Später sitzen Raguž und ich bei einem fruchtigen Bio-Rotwein im Weingut Križ. „Die Leute hier hielten uns für verrückt, als wir uns schon ganz zu Beginn für den schonenden Anbau entschieden“, erzählt mir der Winzer Denis Bogoević Marušić. Seiner Frau Marijeta Čalić ist es zu verdanken, dass der traditionelle Traubensirup Varenik aus der heimischen Plavac-Mali-Traube ein Comeback erlebt. Fast niemand wusste ihn noch zuzubereiten. Jetzt stellen Čalić und drei andere Weinbauern ihn wieder her, und drei Chefköche in Dubrovnik ordern ihn bereits. Morana Raguž erhebt ihr Glas, und wir stoßen auf Dubrovniks kulinarische Zukunft an.

Dieser Artikel wurde gekürzt. Lesen Sie die ganze Reportage in Heft 1/2019 des National Geographic-Travelers!

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