Wie lebt es sich im Basislager des Mount Everest?

Am Fuß des höchsten Bergs der Welt wird jedes Jahr eine kleine Pop-up-Stadt für Gipfelstürmer aufgebaut – Chefköche und Yoga-Zelte inklusive.

Von Freddie Wilkinson
Veröffentlicht am 18. Juni 2020, 13:14 MESZ
Mount-Everest-Basislager

Am Fuße des Khumbu-Gletschers, umgeben von einigen der bekanntesten Berggipfel dieser Erde, liegt das Mount-Everest-Basislager. Jedes Jahr ist es für Tausende Wanderer das große Ziel. Sie kommen über verschiedene Wege in Nepal gewandert und wollen oft gar nicht ganz nach oben auf den Gipfel.

Foto von Freddie Wilkinson, National Geographic

MOUNT-EVEREST-BASISLAGER, NEPAL | Jeden Frühling reisen Hunderte Bergsteiger aus der ganzen Welt zum Mount Everest. Im Gepäck das eine große Ziel: den höchsten Gipfel der Welt zu bezwingen. Wer jedoch denkt, dass man dort die meiste Zeit mit Bergsteigen verbringt, liegt falsch. Den größten Teil der Zeit vertreiben sich die Menschen dort mit Ausruhen, Akklimatisieren und Vorbereiten – in den beiden Basislagern des Berges, einem auf der nepalesischen Seite und einem auf der gegenüberliegenden in Tibet. Das Leben in den Basislagern ist eine seltsame Mischung aus weltlicher Häuslichkeit, logistischen Herausforderungen und dem gelegentlichen Aufblitzen von Dramen um Leben und Tod.

Seitdem in den 1990ern erstmals kommerzielle Touren auf den Mount Everest angeboten wurden, ist der Tourismus hier deutlich gestiegen. Am Fuße des Khumbu-Gletschers in Nepal, auf rund 3.300 Metern Höhe, hat er eine geschäftige Stadt wachsen lassen. Hier gibt es eine Übersicht von Sehenswürdigkeiten der temporären Metropole.

  • Der Hubschrauberlandeplatz Süd: Hubschrauber helfen bei der Evakuierung kranker oder verletzter Besucher nach Kathmandu. In den letzten Jahren hat der Einsatz von Hubschraubern in Nepal stark zugenommen.
  • Das National Geographic Camp: Für die Klettersaison 2019 war ein Team der National Geographic Society hier stationiert, um wissenschaftlich zu forschen.
  • Everest Link: Wer hoch oben mit dem Rest der Welt verbunden bleiben will, sollte sich Prepaid-Karten mit Breitband-Internet besorgen. Das Unternehmen Everest Link verkauft die Karten sowohl an Bergsteiger als auch an Einheimische.
  • Das Everest E.R.-Zelt: Die „Everest ER“ der Himalayan Rescue Association bietet medizinische Versorgung für leichte Erkrankungen. Bei ernsthafteren Beschwerden werden die Patienten mit dem Hubschrauber nach Kathmandu gebracht. In den extremen Höhen der Basislager bestehen für den menschlichen Körper viele Risiken, darunter Lungenödeme, Hirnödeme und Blutembolien.
  • Der Big Dome: Der Reiseanbieter Climbing the Seven Summits hat in der Mitte des Lagers ein riesiges Kuppelzelt aufgestellt. Von dort aus hat man einen grandiosen Blick auf die umliegenden Gipfel. Das Lager des Sagarmatha Pollution Control Committee: Diese 1991 von den Bewohnern der Region Khumbu gegründete NGO verwaltet die Beseitigung der Abfälle aus dem Lager sowie des Mülls entlang der Wanderwege.
  • Der Hubschrauberlandeplatz Nord: Hubschrauberflüge sind in Nepal ein großes Geschäft. Normalerweise wandert man eine Woche lang, um ins Basislager zu kommen. Wer bereit ist, tief in die Tasche zu greifen, kann die Reisezeit mit dem Hubschrauber verkürzen.

Zwei Camps, ein Ziel

Zum Gipfel des Mount Everest gibt es zwei Hauptrouten – jede mit einem eigenen Basislager und einem einzigartigen Flair der jeweiligen Zeltsiedlungen. Die Nordroute auf der tibetischen Seite des Berges bietet einen leichteren Zugang: Hier kann man mit Fahrzeugen direkt bis zum Base Camp fahren. Viele Expeditionen auf der Nordseite beginnen im nepalesischen Kathmandu.  Die Teilnehmer fahren über die Grenze nach China, um den Berg zu erreichen.

Die Südroute läuft komplett über Nepal. Es erfordert normalerweise eine Woche Trekking, um dort an den Fuß des Berges zu gelangen. Mittlerweile haben Hubschrauber der einstigen Abgeschiedenheit dieser Seite jedoch ein großes Stück an Reiz genommen.

Beide Basislager liegen in zwei mächtigen Gletschertälern. Im Norden des Berges liegt das Camp unterhalb der Endmoräne des Rongpu-Gletschers, im Süden befindet es sich auf dem felsbedeckten nepalesischen Khumbu-Gletscher.

Camping am physischen Limit

Beide Lager sind auf einer Höhe von etwa 5.300 Metern errichtet, aus gutem Grund: Nur wenig höher, irgendwo zwischen 5.500 und 5.800 Meter, erreicht der menschliche Körper einen Zustand, der auf Dauer nicht gesund ist, akklimatisiert sich nicht mehr. Einfach formuliert: Kein Mensch sollte je versuchen, höher als hier zu leben.

Ein gut ausgestattetes Basislager bietet Bergsteigern einen Ausgangspunkt, von dem aus sie drei bis fünf Tage lang den Berg immer wieder ein Stück hinaufsteigen und dann zurückkehren können. Im Camp, wo die Luft noch etwas dicker ist als weiter oben, können sie sich von den Anstrengungen erholen.

Zelt mit Aussicht: Die Reiseagentur Climbing the Seven Summits errichtet ihr Kuppelzelt traditionell im Zentrum der Pop-up-Stadt des Mount-Everest-Basislagers.

Foto von Freddie Wilkinson, National Geographic

Ausruhen unter Riesen: Das Zelt von Climbing the Seven Summits bietet mit seiner transparenten Zeltwand einen der großartigsten Ausblicke auf den Himalaya, den es gibt. Die meiste Zeit verbringen Bergsteiger am Mount Everest übrigens nicht mit Bergsteigen, sondern damit, sich im Basislager auf rund 5300 Metern Höhe auszuruhen und zu akklimatisieren. So bereiten sie ihre Körper auf die extremen Bedingungen auf dem Weg zum Gipfel vor.

Foto von Mike Hamill

Abenteuer mit Catering

Nach Angaben des berühmten Everest-Bloggers Alan Arnette hat das nepalesische Tourismusministerium 375 Everest-Klettergenehmigungen für die Frühjahrssaison 2019 ausgestellt. Auf der Nordseite wurden zusätzliche 144 Bergsteiger gezählt. Als Ausländer führt der einzige Weg zum Aufstieg über ein lizenziertes Logistikunternehmen, das Unterkünfte, Mahlzeiten und grundlegende sanitäre Einrichtungen im Basislager bereitstellt. Einfach mit einer Klettererlaubnis im Basislager aufzutauchen, ein Zelt aufzubauen und zu versuchen, den Berg zu besteigen, ist zwar mutig, aber illegal.

Für jeden Bergsteiger leben drei bis vier Einheimische im Base Camp. Es sind entweder Sherpas, die tatsächlich mit auf den Gipfel klettern, oder Mitarbeiter im Basislager: Köche, Tellerwäscher, Kellner, Team Manager, die alle nur eine Aufgabe haben: dafür Sorge tragen, dass es den Gästen gut geht. 

Diese kleine Armee an Dienstleistern besteht überwiegend aus nepalesischen Sherpas. Sie sind der surrende Motor, der das Basislager am Laufen hält.

Gaumenfreuden vom Chefkoch

Ein Sprichwort sagt, dass eine Armee auf dem Magen marschiert – die Situation am Mount Everest könnte man nicht treffender beschreiben. Die Anbieter der Expeditionen unternehmen enorme Anstrengungen, um ihren Kunden das bestmögliche Essen zu zaubern. Die meisten kommerziellen Expeditionen bieten drei große Mahlzeiten pro Tag, die Proteine, Kohlenhydrate und irgendeine Form von Obst oder Gemüse beinhalten. Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln, Eier, Obst- und Gemüsekonserven und Fladenbrot (lokale Chapati) machen den größten Teil der Zutaten aus. Doch die kreativen Köche kreieren auch aus diesen wenigen Dingen immer wieder etwas Neues. Dabei helfen regelmäßige Lieferungen von frischen Nahrungsmitteln immens. Sie kommen per Yak, Hubschrauber oder Jeep.

Zwischen den Mahlzeiten gibt es diverse heiße Getränke, getrocknete Früchte, Schokoriegel und die omnipräsenten Chips von Pringles zum Snacken.

In einem separaten Zelt gibt es für die einheimischen Arbeiter traditionelles nepalesisches Essen (fast ausschließlich Tee und ein traditioneller nepalesischer Eintopf aus Reis und Linsen, genannt Dal Bhat).

In der Küche zaubert Chefkoch Subash Magyar jeden Tag neue Gerichte. Reis, Nudeln, Eier, Obst- und Gemüsekonserven sowie Fladenbrot (Chapati) bilden den Hauptteil der Zutaten für die drei täglichen Mahlzeiten.

Foto von Freddie Wilkinson, National Geographic

Großstadt-Probleme im Hochgebirge

Plätze für die Zelte der Expeditionen werden in der Regel nach Verfügbarkeit vergeben. Einige Organisatoren schicken deshalb bereits Monate im Voraus Mitarbeiter in die Camps, um sich die besten Plätze zu sichern. Mit Hunderten von Menschen, die auf ein paar Quadratkilometern kampieren, stehen die Organisatoren vor Ort tatsächlich vor den gleichen Problemen wie Stadtplaner in urbanen Ballungszentren. Zum Beispiel: vor Müll.

Im nepalesischen Basislager am Khumbu-Gletscher stellt das Sagarmatha Pollution Control Committee sicher, dass Hygienestandards eingehalten werden. Auf der anderen Seite des Berges, im Basislager des Rongpu-Gletschers, haben chinesische Beamte diese Aufgabe übernommen. Die Badezimmerzelte sind dabei so konstruiert, dass Abfälle in mit Müllsäcken ausgekleideten Plastikfässern gesammelt, in niedrigere Lagen transportiert und dort entsorgt werden. Anderer Müll wird ähnlich gesammelt. Obwohl dieses System heute sicherstellt, dass die Lager relativ sauber bleiben, sind große Müllberge abseits der Wege keine Seltenheit. Sie sind die hässlichen Überreste von Expeditionen aus früheren, weniger aufgeklärten Zeiten. Auf nepalesischer Seite versucht man, diesen Müll nach und nach zu beseitigen. Auch China hat sich dem Thema angenommen: Um die Menge an neuem Müll zu begrenzen, wurden 2019 weniger Bergsteiger für den Aufstieg zugelassen. Touristen, die nicht zum Aufstieg befugt waren, wurde der Besuch des Basislagers komplett verboten.

Wer zum Mount-Everest-Basislager in Nepal will, muss erstmal eine Woche lang wandern. Dort angekommen können Besucher mit Prepaid-Internetkarten des nepalesischen Unternehmens Everest Link in Kontakt bleiben mit dem Rest der Welt. Wie viel Luxus man hier bekommt, hängt davon ab, wie viel man zahlen kann – und will: Am oberen Ende der Skala bekommen Teilnehmer der Expeditionen ein Rundum-Sorglospaket, fast wie zuhause. Für sie gibt es zum Beispiel heiße Duschen, ein Yoga-Zelt und Kino nach dem Abendessen.

Foto von Freddie Wilkinson, National Geographic

Gipfel-Glamping

Wie in allen Städten gilt auch in den Zeltstädten des Mount Everest: Manche Gegenden sind besser als andere – auch wenn alle am Ende im Zelt schlafen.  Was aber unterscheidet ein High-End-Camp von den preisgünstigeren Unterkünften? Einige Anbieter haben jetzt begehbare Zelte mit Betten ins Programm aufgenommen. Dort gibt es unbegrenzten Strom, der durch Benzingeneratoren erzeugt wird, heiße Duschen, zuverlässiges WLAN, Projektoren für Filme nach dem Abendessen und sogar spezielle Zelte für Yoga und Stretching. Doch solche Annehmlichkeiten sind nicht billig: Wer so luxuriös leben möchte, zahlt mehr als 100.000 US-Dollar (rund 92.000 Euro) pro Expedition. Für alle, die auch mit weniger auskommen, kosten die Unterkünfte zwischen 25.000 und 40.000 Dollar.

Annehmlichkeiten hin oder her, wer Discokugeln und wilde Partys sucht, wird hier oben nicht fündig. Die meisten Teams bleiben relativ isoliert unter sich – zumindest, bis sie den Aufstieg hinter sich haben.

Am Ende der Saison machen sich die meisten dann so schnell wie möglich auf den Heimweg. Das Personal des Basislagers hat jedoch noch wochenlang damit zu tun, alles abzubauen und dafür zu sorgen, dass die Ausrüstung sicher in die Lager im Tal transportiert wird. Viele Betreiber mieten Lagerflächen in nahegelegenen Dörfern, um die langen Transportwege nach Kathmandu zu vermeiden.

Die 112 des Basislagers

Bei vielen großen Expeditionen sind Ärzte Teil des Teams. Darüber hinaus ist die medizinische Versorgung jedoch auf beiden Seiten des Berges begrenzt. Wer ein ernstes medizinisches Problem hat, muss das Basislager so schnell wie möglich verlassen und in eine niedrigere Höhe absteigen.

Im Basislager des Khumbu-Gletschers bietet die „Everest ER“ der Himalayan Rescue Association Visiten von Ärzten an. Patienten mit schwerwiegenden Problemen werden so schnell wie möglich mit dem Hubschrauber nach Kathmandu geflogen. Die nächste medizinische Grundversorgung für Bergsteiger des Basislagers am Rongpu-Gletscher gibt es in Tingrit, eine vierstündige Autofahrt über Schotterwege entfernt.

Man liebt oder man hasst es

Für einige ist das Basislager die Hölle – ein Irrenhaus, in dem man vier oder fünf Wochen verbringen muss, um den Mount Everest endlich besteigen zu können. Für andere ist der Aufenthalt dort das ultimative Sommercamp, ein Ort und eine Gemeinschaft, die einzigartig ist auf der Welt. In jedem Fall gilt: Für alle, die zum höchsten Punkt der Welt wollen, führt kein Weg an ihnen vorbei.

Hinter der Geschichte: Der Autor Freddie Wilkinson berichtete im Jahr 2019 für National Geographic aus dem Mount-Everest-Basislager und der umliegenden Region in Nepal. Die National Geographic Society hat das Projekt finanziell unterstützt. 
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