Wie überlebten prähistorische Vögel das Massensterben der Saurier?

Fossile Sporen und Vogelstammbäume lassen vermuten, dass ein globaler Waldschwund vor 66 Millionen Jahren über Leben und Tod entschied.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 30. Mai 2018, 17:34 MESZ, Aktualisiert am 2. Dez. 2021, 15:46 MEZ
Die Illustration zeigt Vögel eines hypothetischen Stammbaums – mit kleinen, am Boden lebenden Vertretern -, die ...
Die Illustration zeigt Vögel eines hypothetischen Stammbaums – mit kleinen, am Boden lebenden Vertretern -, die nach dem Asteroideneinschlag, der die nicht flugfähigen Dinosaurier auslöschte, vor einem Waldbrand fliehen.
Foto von Illustration by Phillip M. Krzeminski

Als vor 66 Millionen Jahren ein Asteroid mit einem Durchmesser von etwa 14,5 Kilometern die Erde traf, schlug er mit der Kraft von einer Million Atombomben ein. Diese Katastrophe und ihre Folgen löschten drei Viertel allen Lebens auf Erden aus, darunter auch das der nicht flugfähigen Dinosaurier. Allerdings wissen wir, dass einige Mitglieder aus dem Stammbaum der Saurier überlebten und schließlich zu unseren heutigen Vögeln wurden.

Die große Frage lautet also, wie und warum bestimmte Vögel sich in ihrer postapokalyptischen Welt behaupten konnten, während andere dem Massenaussterben am Ende der Kreidezeit zum Opfer fielen.

Womöglich lag es daran, dass der Einschlag und seine Nachwehen auf der ganzen Welt die Wälder zerstörten und so zum Massensterben der baumbewohnenden Vögel führten. So jedenfalls lautet die Vermutung einiger Forscher, die sie in einer Abhandlung in „Current Biology“ erläutern.

Die einzigen Vögel, die überlebten, lebten am Boden. Zu ihnen zählten auch die urzeitlichen Vorfahren von Enten, Hühnern und Straußen. Nach dem Kataklysmus entwickelten sich diese Überlebenden rasch weiter und brachten jene Abstammungslinien unserer modernen Vögel hervor, die wir heute kennen, wie die Paläontologen unter Leitung von Daniel Field von der University of Bath erklären.

“Es ist eine interessante neue Hypothese, die sowohl das Aussterben als auch das Überleben [mancher Vögel] erklärt“, sagt Julia Clarke, eine Expertin für Vogelevolution an der University of Texas in Austin.

“Das ganze Ausmaß des Einflusses, welches das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit auf die Evolutionsgeschichte heutiger großer Gruppen wie Vögel, Säugetiere und Blütenpflanzen hatte, gerät erst jetzt in den Fokus“, sagt Field.

„Diese globale Katastrophe hat im evolutionären Verlauf dieser Gruppen so unauslöschliche Spuren hinterlassen, dass wir sie 66 Millionen Jahre später noch erkennen können.“

Farne überall

Field und seine Co-Autoren trugen zahlreiche Belege aus unterschiedlichen Quellen zusammen, um ihr Argument zu stützen. Darunter befinden sich auch Daten aus gewaltigen neuen Familienstammbäumen heute lebender Vögel, Hinweise aus den Fossilien alter Vögel und eine Analyse von Sporen und Pollen aus einer Gesteinsschicht, die sich direkt nach dem Einschlag ablagerte.

“Die Studie setzte sich Stück für Stück zusammen“, so Field.

Sie begann mit einer Analyse darüber, wie sich die Ökologie der Vögel im Laufe ihrer Evolutionsgeschichte verändert hat. Nach der Untersuchung der evolutionären Beziehungen zwischen mehr als 10.000 heutigen Vogelarten erkannte das Team, dass die ursprünglichen Überlebenden der Katastrophe vermutlich Bodenbewohner waren. Das deutete auf einen globalen Verlust von Wäldern in der Vergangenheit hin.

“Diese Analysen zeigten, dass der jüngste gemeinsame Vorfahre aller heute lebenden Vögel und aller Vogelstammbäume, welche die Grenze zum Ende der Kreidezeit überschritten, wahrscheinlich am Boden lebte“, erklärt Field.

Forscher hatten schon länger angenommen, dass der Asteroideneinschlag weltweit für Waldbrände gesorgt hat. Nun hat das Team die Argumente, die für eine vollständige Vernichtung der Wälder sprechen, noch gestärkt. Antoine Bercovici, ein Co-Autor der Studie und Paläobotaniker am Smithsonian National Museum of Natural History in Washington, D.C., trug Daten zur Konzentration fossiler Sporen und Pollen in Gesteinsschichten aus aller Welt zusammen.

In einer dünnen Gesteinsschicht, die sich in etwa den ersten tausend Jahren nach dem Einschlag bildete, stammen 70 bis 90 Prozent aller gefundenen Sporen von nur zwei Arten von Farnen.

“Dieser Anstieg von Farnen ist ein Beleg für eine ‘Desaster-Flora‘, in der Pionierarten die freien Flächen rasant wiederbesiedeln. Dasselbe sieht man heutzutage, wenn Farne die Lavaströme auf Hawaii oder Erdrutsche nach Vulkanausbrüchen wiederbesiedeln“, sagt Bercovici.

Den Forschern zufolge hat es womöglich Tausende Jahre gedauert, bis es wieder erwachsene Waldbestände gab. Selbst dann hatte sich ihre Zusammensetzung für immer verändert.

Eine Analyse der häufigsten Vogelfossilien der späten Kreidezeit – einer Gruppe namens Enantiornithes – ließ außerdem darauf schließen, dass sie auf Bäumen lebten. Keine dieser Vögel überlebten, was den Autoren zufolge daran lag, dass ihr Lebensraum verschwand.

Hinweise kommen auch von neu entdeckten Fossilien aus Vogelgruppen, die zu einer Zeit kurz nach dem Einschlag lebten. Anhand ihrer Beinproportionen ist zu vermuten, dass sie am Boden lebten.

BELIEBT

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    „Diese Beobachtungen passen zu der Vermutung, dass am Boden lebende Vögel das Ende der Kreidezeit überlebten und dann wieder die Bäume eroberten, als sich die globalen Wälder erholt hatten“, sagt Field. „All diese unterschiedlichen Quellen, die wir konsultiert haben – der Pollenfossilbericht, der Vogelfossilbericht und die Schlüsse, die anhand der Ökologie moderner Vögel gezogen wurden – stützen im Grunde dieselbe Hypothese.“

    Lücken schließen

    “Die Autoren haben ausgezeichnete Arbeit dabei geleistet, ein überzeugendes Argument zu der Rolle zu präsentieren, welche die weltweit verschwindenden Wälder in der Evolution moderner Vögel spielten“, sagt Luis Chiappe. Der Paläontologe ist ein Experte für frühe Vögel und der Direktor des Dinosaurierinstituts am Natural History Museum von Los Angeles County in Kalifornien.

    “Das ist eine verlockende Hypothese, die eine passende Erklärung für das Aussterben auf Bäumen lebender Gruppen urzeitlicher Vögel am Ende der Kreidezeit liefert“, sagt er. Allerdings erklären die Daten noch immer nicht, warum einige Mitglieder der Enantiornithes und andere prähistorische Vögel, die nicht auf Bäumen lebten, ebenfalls ausstarben.

    “Einer der schönsten Aspekte dieser neuen Studie ist, dass sie überprüfbar ist“, so Clarke. „Das kann man nicht von allen Erklärungen für das Aussterben der Dinosaurier behaupten.“

    Die Forscher sollten in Gesteinsschichten beispielsweise weiterhin nach geologischen Belegen für globalen Brände suchen, um ihre Theorie des weltweiten Waldschwunds zu untermauern. Field und seine Kollegen hoffen außerdem, dass sie die Lücken im Fossilbericht der Vögel füllen können, der für die ersten paar Millionen Jahre nach dem Einschlag eher spärlich ausfällt.

    “Wie alle guten Hypothesen wird [diese Studie] zu neuer Forschung und neuen Fragen anregen“, sagt Chiappe. Einige der Antworten könnten von neuen Fossilentdeckungen aus bisher kaum untersuchten Teilen der Welt abhängen.

    John Pickrell auf Twitter folgen.

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