Spinnenmütter lassen sich von ihrem Nachwuchs fressen
Die Weibchen – selbst jene ohne Nachwuchs – bringen für den Fortbestand ihrer Kolonie das ultimative Opfer.
Einer neuen Studie zufolge lasse sich einige weibliche Spinnen von ihrem Nachwuchs fressen.
Die in Südafrika heimische Art Stegodyphus dumicola lebt in großen Familiengruppen, deren Individuen sich sowohl die Nester als auch die Betreuung des Nachwuchses teilen.
Nur etwa 40 Prozent der Weibchen erhalten die Chance, sich fortzupflanzen, da sie langsamer als die Männchen heranreifen. Jene, die diese Chance nicht erhalten – die Jungfernweibchen –, tun alles Erdenkliche, um sich um den Nachwuchs ihrer Schwestern zu kümmern.
Sobald die Spinnen aus den Eiern schlüpfen, beginnen die Mütter und die Jungfernweibchen damit, eine nahrhafte Flüssigkeit zu produzieren, mit der sie den Nachwuchs füttern. (Lesenswert: 30 berührende Momente zwischen Tiermüttern und ihrem Nachwuchs )
„Das ist ein sehr intensiver Prozess. Am Ende verflüssigen sich die Weibchen im Grunde und brauchen fast all ihre Ressourcen auf“, sagt die Co-Autorin der Studie Anja Junghanns, eine Evolutionsbiologin von der Universität Greifswald.
„Wenn das Weibchen fast völlig ausgelaugt ist, kriecht der Nachwuchs in es hinein und fängt an, es aufzufressen.“
Matriphagie – das Fressen der Mutter – kommt in der Natur extrem selten vor. Jo-Anne Sewlal von der Zoological Society London sagt, dass es bisher nur bei einigen Insektenarten, Fadenwürmern und anderen Arachniden belegt ist.
„Es mag undenkbar scheinen, dass ein Kind seine Mutter frisst“, sagt Sewlal. „Aber es ist wichtig zu begreifen, dass sich Matriphagie über viele Generationen hinweg als beste Möglichkeit entwickelt hat, das Überleben der eigenen Art zu sichern.“
FAMILIENSACHE
Für ihr Studie entwarfen Junghanns und ihre Kollegen ein Experiment, bei dem sie zwei trächtige Weibchen und drei Jungfernweibchen mit mehreren Jungtieren zusammen hielten. Die Ergebnisse, die in „Animal Behaviour“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass alle fünf Weibchen sich gleichermaßen um den Nachwuchs kümmerten und sich für ihn opferten.
Ein solch kooperatives Brutverhalten ist ungewöhnlich und kommt nur bei etwa drei Prozent aller bekannten Arten vor. Es ist auch ungewöhnlich für Spinnen, die sich zumeist direkt nach dem Schlüpfen verstreuen und allein leben.
Aber die Vertreter von S. dumicola verbringen ihr ganzes Leben mit ihren Geschwistern, was auch dazu führt, dass sich die Geschwister miteinander paaren.
Das könnte auch erklären, warum sich die Jungfernweibchen um den Nachwuchs ihrer Verwandten kümmern: Da die Spinnen so viel genetisches Material miteinander teilen, könnten die Weibchen annehmen, dass es sich um ihren eigenen Nachwuchs handelt.
NUR EINS IM KOPF
Und was treiben die Männchen die ganze Zeit?
„Sie machen im Grunde nicht viel – sie paaren sich nur“, sagt Junghanns. Nach der Paarung leben sie keinen Monat mehr. Im Vergleich dazu haben die Weibchen ein ganzes Jahr.
Das bedeutet, dass die meisten der Männchen – oder sogar alle – tot sein werden, wenn die ersten kleinen Spinnen schlüpfen. Daher obliegt es den Weibchen, die nächste Generation großzuziehen und sich dabei selbst zu opfern.