Erster Jaguarnachwuchs seit mehr als 100 Jahren

Im argentinischen Iberá-Nationalpark wurden die ersten Jaguarjungen seit Langem geboren. Das Zuchtprogramm will den Bestand des Landes stabilisieren.

Von Elaina Zachos
Veröffentlicht am 18. Juni 2018, 14:02 MESZ
Zum ersten Mal seit 100 Jahren: Jaguarnachwuchs im Nationalpark
Am 6. Juni 2018 hatte der Iberá-Nationalpark in Argentinien eine besonders seltene Geburt zu feiern.

Das Schicksal der schrumpfenden Jaguarpopulation Argentiniens könnte auf den Schultern zweier Jungtiere lasten, die vor Kurzem das Licht der Welt erblickten.

Der Nachwuchs kam im Iberá-Nationalpark im Norden Argentiniens zur Welt – einem der größten Feuchtgebiete Amerikas.

„Sie haben die kritischsten Tage überstanden und scheinen gesund zu sein und gut bei ihrer Mutter zu trinken“, schrieb Ignacio Jiménez Pérez in einer E-Mail. Der National Geographic-Stipendiat ist der Naturschutz-Koordinator für den Conservation Land Trust Argentina.

Jaguar sind die größten Katzen Südamerikas. Frühe mesoamerikanische Gesellschaften verehrten die Tiere, die den Doppelkontinent früher von Patagonien bis in den Süden der heutigen USA durchstreiften, einst als Götter.

Heutzutage ist ihre Zahl auf etwa 40 Prozent des vermuteten historischen Bestandes geschrumpft und sie sind nur noch in einem Bruchteil ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes zu finden. Die Entwaldung dezimiert ihre Beutetiere und raubt ihnen den Schutz vor Jägern, die sie aufgrund ihres Fells sowie ihrer Zähne und ihres Schädels jagen. Mitunter werden Jaguare auch zum Sport geschossen oder von Bauern aus Rache für Angriffe auf Vieh getötet.

Um dem Populationsrückgang entgegenzuwirken, startete die Tompkins Conservation mit Sitz in Südamerika 2011 das Jaguar Reintroduction Programm im Iberá-Nationalpark. Das Schutzgebiet erstreckt sich auf knapp 140.000 Hektar Land im Norden Argentiniens und stellt Pérez zufolge den besten Ort in Südamerika dar, um Jaguare auszuwildern.

Die Zuchteinrichtung und das Programm wurden mit finanzieller Förderung der National Geographic Society auf die Beine gestellt. Die Organisation unterstützt außerdem auch ein zweites Renaturierungsprojekt in Iberá, bei dem lokal ausgestorbene Tiere wie der Tapir, der Pampashirsch, das Halsbandpekari und der Grünflügelara wiederangesiedelt werden sollen. Diese Tierarten erfüllen in ihrem Ökosystem traditionell die Rolle von Grasfressern, Laubäsern und Samenverteilern.

Die kleinen Jaguare sind die ersten Tiere, die im Rahmen des Artenschutzprogramm geboren wurden – und die ersten, die seit mehreren Jahrzehnten im Iberá-Nationalpark zur Welt kamen. Ihre Eltern wurden dem Programm von Partnerinstitutionen zur Verfügung gestellt. Der Vater des Nachwuchses, Chiqui, wurde in der Wildnis geboren, wuchs aber in einem Rettungszentrum auf, nachdem ein Jäger seine Mutter getötet hatte. Die Mutter der kleinen Jaguare, Tania, wurde in einem Zoo geboren und großgezogen. Pérez zufolge macht sich Tania trotz ihrer Unerfahrenheit gut in ihrer Mutterrolle, und ihr Nachwuchs scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen.

Die Wissenschaftler konnte die Tiere zwar über eine Gehegekamera beobachten und filmen, haben das Gehege aber bisher nicht betreten, um unnötige Störungen zu vermeiden. Sie werden noch einige Tage warten, bevor sie Tania in ein anderes Gehege locken, damit sie den Nachwuchs kurz untersuchen können, so Pérez.

In den kommenden Wochen werden sie von Tania gesäugt. Die Mutter wird schließlich auch damit beginnen, ihnen Fleisch zu bringen, während die kleinen Jaguare langsam ihr 1,6 Hektar großes Gehege erkunden. Einige Monate später werden sie selbst zu jagen beginnen und sich an Capybaras und anderer lebendigen Beute versuchen. 

„Falls sie nicht in der Lage sein sollten, selbst zu jagen, haben wir ein System eingerichtet, das ihnen Fleisch zur Verfügung stellt, ohne dass sie mit Menschen in Kontakt kommen“, schreib Pérez. „Während ihrer ersten Lebensmonate ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie das Jagen erlernen und keine positiven oder negativen Stimuli von Menschen erhalten.“

Im Alter von zehn bis zwölf Monaten wird der Nachwuchs in ein etwa 33 Hektar großes Gehege umgesiedelt, wo er seine Jagdfertigkeiten verfeinern kann. Von dort aus könnten die Tiere dann direkt in den Iberá-Nationalpark ausgewildert werden.

„Die größte Herausforderung besteht jetzt darin zu sehen, ob Tania in der Lage ist, ihren Nachwuchs richtig großzuziehen“, schrieb Pérez. Dem Artenschutzprogramm steht noch ein junges Jaguarweibchen aus Brasilien zur Verfügung, das sich mit einem anderen Männchen paaren könnte, um einen zweiten Wurf mit nicht verwandten Jungtieren zu zeugen. „Dieser zweite Wurf würde ebenfalls die obigen Schritte durchlaufen. Die wären vermutlich angepasst durch das, was wir von Tanias Jungen lernen.“

HOFFNUNGSSCHIMMER

Jaguare sind Lauerjäger, die ihre Beute mit ihrem kräftigen Biss töten können. Außerdem sind sie gute Schwimmer, die das Wasser nicht scheuen. In Flüssen jagen sie Schildkröten, Fische und Kaimane, während sie an Land Hirschen, Pekaris, Capybaras und Tapiren nachstellen.

Jaguar sind Einzelgänger, die ihr Revier durch Kratzspuren an Bäumen oder Urin markieren. Die Weibchen bringen Würfe aus ein bis vier Jungtieren zur Welt, die bei der Geburt blind und hilflos sind. Sie erlenen das Jagen von ihrer Mutter.

Weltweit gibt es ungefähr 15.000 wildlebende Jaguare, von denen etwa 200 durch die argentinische Wildnis streifen. Sie leben in abgelegenen Bereichen des Waldes im Nordosten sowie in den subtropischen Nebelwäldern im Nordwesten des Landes. Weitere 20 Tiere leben in einem mehrere Millionen Hektar großen Bereich der Wälder von Gran Chaco. Laut Pérez sei ihre Zahl im Verhältnis zur Fläche dort aber so gering, dass sie als „ökologische Gespenster“ gelten.

Das letztendliche Ziel des Programms sei es ihm zufolge, im Iberá-Nationalpark eine stabile Population von 100 Tieren wiederherzustellen.

BELIEBT

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    „Wenn wir das erreichen, läuft es darauf hinaus, in Argentinien eine dritte Jaguarpopulation zu etablieren“, schreibt er. „Es läuft auch darauf hinaus, das aktuelle Verbreitungsgebiet der Art nach Süden hin auszudehnen und die argentinische Population um etwa 50 Prozent zu vergrößern.“

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