Pastellhummer: Kleines Pigment, große Wirkung

Die ungewöhnliche Färbung des Hummers könnte durch eine Genmutation oder eine unübliche Ernährung entstanden sein.

Von Maya Wei-Haas
Veröffentlicht am 24. Juni 2018, 09:00 MESZ
Foto von Robinson Russell
Pastellhummer "Lucky" ist ein seltener Fund
So ungewöhnlich gefärbte Exemplare finden sich nur alle vier bis fünf Jahre.

Im November 2017 zog der kanadische Hummerfischer Robin Russell seinen Fang aus dem Wasser und entdeckte dabei gewissermaßen das Einhorn der Hummerwelt: Inmitten des Haufens aus Rostrot und Braun leuchtete ein pastellfarbener Hummer in sanften Schattierungen von Rosa, Babyblau und Flieder.

Zunächst war er sich nicht ganz sicher, was er mit dem ungewöhnlichen Exemplar anfangen sollte. Schließlich beschloss Russell, das Tier – das mittlerweile „Lucky“ getauft wurde – dem Huntsman Marine Science Centre zu schenken, das sich in Saint Andrews in der ostkanadischen Provinz New Brunswick befindet. Russells Instagram-Bild von Lucky dem Hummer zog auch in den Weiten des Internets seine Kreise und sorgte für diverse Spekulationen über das Tier.

Obwohl es keine konkreten Zahlen zu atypischen Färbungen von Hummern gibt, kann man guten Gewissens sagen, dass der Pastellhummer ein seltener Fund ist. Exemplare mit einer ähnlichen Färbung tauchen nur alle vier bis fünf Jahre auf, sagt Michael Tlusty, ein Professor für Nachhaltigkeit und Food Solutions an der University of Massachusetts Boston.

Hummer verdanken ihre Farbe gänzlich dem natürlichen Farbstoff Astaxanthin, der in Grünalgen produziert wird. Er ist ein Antioxidans, der die Haut beispielsweise vor Stress schützen kann, der durch UV-Strahlung entsteht. „Menschen würden ihn als ‚Superfood‘ bezeichnen“, sagt Tlusty, „aber ich glaube nicht an ‚Superfoods‘.“

In der Haut schwebt der Farbstoff frei und behält dort seine leuchtend rote Farbe. In der Schale von Krustentieren wird er jedoch von Proteinen gebunden. „Diese Proteine schnappen und verdrehen es, sodass es blau wird“, erklärt Tlusty. In der äußersten Schicht der Schale drehen die Proteine es nochmals, sodass es gelb erscheint.

Die Überlagerung der roten, blauen und gelben Farbtöne erzeugt die schmutzbraune Farbe der wilden Hummer. Wirklich rot werden Hummer erst, wenn sie gekocht werden, da die Hitze das Protein denaturiert, welches den Farbstoff bindet.

Was den Pastellhummer angeht, so mangelt es ihm vermutlich einfach an Pigmenten. Er weist zwar verschiedene Farbtöne auf, die jedoch allesamt sehr blass sind, wie Tlusty sagt. Der Grund für den Farbmangel ist allerdings nicht so eindeutig. Lucky könnte eine genetische Mutation aufweisen oder einfach große Mengen von Nahrung gefressen haben, die wenig Farbstoff enthielt.

VON ROT AUF WEISS

Tlusty hat früher schon versehentlich weiße Hummer gezüchtet. Er arbeitete 20 Jahre lang für das New England Aquarium in der Hummerforschung und zog dafür auch Hummer auf. Um Geld zu sparen, fütterte Tlusty preiswertes Hummerfutter, das jedoch kein Astaxanthin enthielt.

Die Hummer waren zwar völlig gesund, dafür aber weiß.

„Viele Tiere fressen [Astaxanthin] und integrieren die Farbe in ihre eigene Pigmentierung“, erklärt Tlusty. „Flamingos tun es, Lachse tun es, und wie sich herausstellt, tun es auch Hummer.“ Falls diese Tiere aber plötzlich auf pigmentfreie Nahrung wechseln, verblasst ihre Farbe und sie werden weiß.

Möglicherweise hatte sich Lucky an den Hummerködern sattgefressen, die von Hummerfischern ins Meer geworfen werden, mutmaßt Tlusty. Daher könnte das Tier auf eine arttypischere Ernährung verzichtet haben, die Krabben und Shrimp beinhaltet – also Tiere, die viel Astaxanthin enthalten.

Falls eine genetische Mutation die Ursache ist, würde sie sich auf die Proteine auswirken, die die Astaxanthin-Pigmente binden. Durch solche Mutationen können besonders ungewöhnliche Exemplare zustande kommen: leuchtend blaue oder gelbe Hummer, gesprenkelte Tiere oder sogar farblich in der Mitte geteilte Hummer.

Um das Rätsel zu lösen, wird man Luckys weitere Entwicklung einfach eine Weile beobachten müssen. Wenn seine ungewöhnliche Färbung auf seine Ernährung zurückzuführen ist, würde er bei der nächsten Häutung eine orangefarbene bis bräunliche Färbung aufweisen, wenn er vorher auf pigmentreiche Kost umgestellt wird.

Im Falle einer genetischen Mutation kann keine Ernährungsumstellung der Welt seine Farbe ändern – dann bleibt das pastellfarbene Tier ein Einhorn unter seinen Hummerkollegen.

 

Seltene Tiere

Seltene Aufnahmen eines weißen Blauen Marlins

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