Tiefseefische infizieren Pottwale mit Parasiten

Biolumineszente Fische scheinen das fehlende Bindeglied im Lebenszyklus eines verbreiteten Meeresparasiten zu sein.

Von Joshua Rapp Learn
Veröffentlicht am 27. Sept. 2018, 14:51 MESZ
Vor Kurzem entdeckten Wissenschaftler, dass Laternenfische das fehlende Bindeglied im Lebenszyklus des parasitären Wurms Anasakis brevispiculata ...
Vor Kurzem entdeckten Wissenschaftler, dass Laternenfische das fehlende Bindeglied im Lebenszyklus des parasitären Wurms Anasakis brevispiculata sein könnten, der Zwergpottwale befällt. Hier abgebildet ist ein Laternenfisch der Art Diaphus garmani.
Foto von Abe Hideki, Minden Pictures

Tiefsee-Laternenfische helfen bei der Übertragung von Parasiten auf Pottwale und Riesenkalmare, wie eine neue Studie zeigt. 

Die parasitären Würmer der Art Anisakis brevispiculata infizieren Kleine Pottwale und Zwergpottwale. Die weltweit verbreiteten Meeressäuger sind bislang kaum erforscht. Eine Studie, die kürzlich in „Deep-Sea Research Part I“ veröffentlicht wurde, wirft nun etwas mehr Licht auf diese geheimnisvollen Tiere – und auf ihre Parasiten, deren Verwandte auch Menschen befallen und schwere Symptome auslösen können. 

Anisakis sind in allen Meeren verbreitet“ und es sei nur sehr wenig über sie bekannt, wie Francisco Aznar erzählt. Der Zoologieprofessor an der spanischen Universität Valencia ist einer der Co-Autoren der aktuellen Studie. 

Laternenfische sind biolumineszent und erzeugen ihr eigenes Licht in der dunklen Tiefsee, in der sie tagsüber umherschwimmen. Viele Arten wandern nachts gen Oberfläche, möglicherweise auf der Spur des Zooplanktons oder kleinerer Beutefische. Durch diese täglichen Migrationen fungieren Laternenfische, die fast auf der ganzen Welt verbreitet sind, als eine Art Bindeglied zwischen dem Zooplankton der Tiefsee und den großen Raubfischen, die näher an der Oberfläche bleiben, wie es in der Studie heißt. 

Von unten nach oben 

Es gibt viele verschiedene Arten von Anisakis-Würmern. Manche infizieren drei oder mehr Wirte infolge und springen von einem auf den nächsten über. 

Die meisten beginnen ihr Leben nach dem Schlüpfen aus dem Ei damit, Krebstiere zu infizieren. Im Anschluss werden diese von Fischen oder anderen kleinen Meeresbewohnern gefressen (der Lebenszyklus vieler dieser parasitären Arten ist jedoch noch nicht im Detail bekannt). 

Schlussendlich landet der Wurm im Verdauungstrakt von Meeressäugern, insbesondere von Delfinen und anderen Walen. Dort frisst er, paart sich und verbringt den Rest seines Lebens damit, Eier zu legen, die das Wirtstier über dessen Ausscheidungen verlassen. Schließlich schlüpft die nächste Generation aus den Eiern und wird von Krebstieren gefressen. 

Der spezifische Parasit, der Kleine und Zwergpottwale befällt, wurde in Menschen noch nicht nachgewiesen. Einige eng verwandte Anisakis-Arten infizieren Menschen jedoch über rohen oder nicht durchgegarten Fisch und andere Meeresfrüchte. Zwar können sich die Würmer in Menschen nicht vermehren oder längere Zeit überleben, verursachen aber dennoch Symptome wie Erbrechen, Durchfall und heftige Magenschmerzen. Im schlimmsten Fall kann sogar eine Operation nötig sein. Sogar gekochter Fisch, der mit dem Parasiten infiziert ist, kann allergische Reaktionen auslösen. 

Die Qual der Wale 

Laut Aznar ist es aber deutlich schwieriger zu erkennen, welche Symptome die Wale zeigen. 

In vielen Fällen hat eine Infektion wohl keine ernsthaften Folgen, wie Aznars Co-Autorin und Kollegin Mercedes Fernandez von der Universität Valencia erklärt. Bei schweren Verläufen könne es jedoch zu Magenentzündungen und Geschwüren kommen. Letztendlich können infizierte Tiere sogar einen Magendurchbruch erleiden und sterben, wie sie sagt. 

Der Parasit wurde in Kleinen Pottwalen entdeckt, sein Überträger war jedoch unbekannt, bis Aznar von Forschern in Indien ein paar Proben von Laternenfischen aus dem Arabischen Meer erhielt. 

BELIEBT

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    Anasakis brevispiculata ist ein Parasit, der sein Leben nach dem Schlüpfen in Krebstieren beginnt und über mehrere Zwischenwirte schließlich im Magen vom Zwergpottwalen landet.
    Foto von Marine Zoology Unit, CIBEB, Universität von Valencia

    „Sie haben diese Würmer gefunden, wussten aber nicht, um was für Tiere es sich handelt“, sagt er. Der Indische Ozean sei ihm zufolge „wie ein Schwarzes Loch für Wissen“ über Wale. Eine Analyse der DNA offenbarte, dass die Würmer fast identisch mit jenen waren, die man schon im Zwergpottwalen gefunden hatte. 

    Dennoch bleiben viele Fragen offen. Beispielsweise ist nicht geklärt, ob die Pottwale direkt auf Laternenfische Jagd machen oder ob die Laternenfische die Parasiten zunächst auf Tintenfische übertragen, die ebenfalls auf dem Speiseplan der Wale stehen. 

    Es wurden zwar schon Laternenfische in den Mägen von Kleinen und Zwergportalen gefunden, dennoch scheinen die Säuger lieber Tintenfische zu fressen. Aznar hält es durchaus für möglich, dass die gefundenen Laternenfische sich eigentlich im Magen von Tintenfischen befanden, die wiederum von den Walen gefressen wurden. 

    Isaure de Buron-Connors, eine Biologieprofessorin am College of Charleston in South Carolina, betrachtet die Studie als einen wertvollen neuen Beitrag im oft vernachlässigten Feld der Parasitologie. 

    „Wir wissen gar nichts“, sagt sie. „Meine Kollegen scherzen immer, dass es nur dort Parasiten gibt, wo es Parasitologen gibt.“ 

    Ihr zufolge sind Informationen über diese Parasiten unerlässlich, da sie für den Umgang mit Meeresbewohnern und deren Erhalt wichtig sein könnten. Immerhin können sie das Verhalten ihrer Wirtstiere auf verschiedene Weise beeinflussen, sodass sie beispielsweise mehr fressen oder schneller oder langsamer schwimmen. 

    „All das wird sich auf das Ökosystem auswirken“, sagt sie. 

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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