Wer rettet die Bienen?

Das erfolgreiche bayerische Volksbegehren zur Artenvielfalt mobilisiert Naturschützer in ganz Deutschland. Ein neues Gesetz soll das Insektensterben stoppen. Doch es gibt kritische Stimmen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 8. März 2019, 12:36 MEZ
Wespenbiene beim Pollensammeln: Etwa die Hälfte der rund 550 in Deutschland lebenden Wildbienenarten ist bedroht.
Wespenbiene beim Pollensammeln: Etwa die Hälfte der rund 550 in Deutschland lebenden Wildbienenarten ist bedroht.
Foto von Stefanie Mösch

Mehr als 1,7 Millionen Unterschriften für den Insektenschutz. Die hohe Beteiligung am bayerischen Volksbegehren „Artenvielfalt – rettet die Bienen“ zeigt: Das Insektensterben mobilisiert die Menschen. Im Freistaat sind es immerhin 18,4 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Landesregierung mit ihrer Stimmabgabe zum Handeln auffordern. Dazu haben die Initiatoren des Volksbegehrens – Vertreter des Landesbunds für Vogelschutz, der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und von Bündnis 90/Die Grünen – ein umfassendes Maßnahmenpaket geschnürt.

Drei Kernpunkte: Der Ausbau des Ökolandbaus in Bayern von derzeit 10 auf 30 Prozent bis 2030, ein großflächiger Biotopverbund sowie strenge Vorgaben für Düngemittel und Pestizide. Ein neues Gesetz soll die Grundlage dafür schaffen. Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und ÖDP-Politikerin, wertet die hohe Bürgerbeteiligung als klares Zeichen. „Der Auftrag der Bevölkerung an die Politik ist eindeutig: Der Artenschutz muss in Zukunft verbindlich geregelt werden, und zwar gemeinsam mit der Landwirtschaft.“

Von Blühstreifen und Sündenböcken

Seltener Anblick: Naturbelassene Blühwiesen sind überlebenswichtig für unzählige Insektenarten.
Foto von Dr. Eberhard Pfeuffer, LBV-Bildarchiv

Doch viele Bauern haben Bedenken. Während der Dachverband der Ökolandbau-Verbände LVÖ in Bayern den Gesetzesentwurf der Bienenschützer grundsätzlich unterstützt, übt der Bayerische Bauernverband (BBV) scharfe Kritik. Das Volksbegehren weise den falschen Weg, erklärt BBV-Präsident Walter Heidl. Jeder zweite Landwirt im Freistaat habe sich bereits vertraglich dazu verpflichtet, freiwillig mehr für den Umwelt- und Naturschutz zu tun. Viele Landwirte hätten Blühwiesen und Blühstreifen angelegt.

Obwohl der Umweltschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, würden Bauern jetzt „zum Sündenbock gemacht“. Heidl kritisiert, dass der Gesetzesentwurf sich auf Maßnahmen in der Landwirtschaft beschränke. Flächenversiegelung, Privatgärten, Lichtverschmutzung oder steigende Freizeitaktivitäten würden hingegen ausgeblendet. Und wer mehr Biolandwirtschaft wolle, so der Bauernpräsident, der müsse auch mehr Bio kaufen.

Biobauer Georg Huber sieht das genauso. Es müsse ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, endlich mehr Geld für Bio-Lebensmittel auszugeben und selbst Umweltschutz zu betreiben. „Nur ins Rathaus zu gehen und für das Volksbegehren Artenvielfalt zu unterschreiben, reicht nicht.“ Auch für seine Kollegin Theresa Singer steht die Landwirtschaft zu Unrecht am Pranger: „Mir als Jungbäuerin ist die Artenvielfalt ein großes Anliegen bei meiner täglichen Arbeit“, sagt die Landwirtin, die sich an einer Aktion des bayerischen Bauernverbands gegen das Volksbegehren beteiligt hat.

Um die Wogen zu glätten, hat die Landesregierung, die sich selbst gegen das Volksbegehren positionierte, Befürworter und Gegner an einen runden Tisch geladen. Wie die gegensätzlichen Positionen in ein neues Gesetz gegossen werden sollen, scheint allerdings derzeit noch unklar.

Bundesregierung plant eigenen Aktionsplan

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    Foto von Katharina Heuberger

    Unterdessen zieht das Volksbegehren bundesweit Kreise. Ähnliche Initiativen in anderen Bundesländern sollen folgen. Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) verbuchen die Initiative als historischen Erfolg. „Die große Unterstützung des Volksbegehrens in Bayern und ähnlich lautende Forderungen in anderen Bundesländern zeigen, dass die Menschen mehr Naturschutz wollen und bessere Bedingungen für eine insektenfreundliche Landwirtschaft fordern“, sagt BUND-Chef Hubert Weiger. Für die Bauern sei das Volksbegehren eine gute Nachricht. Die Initiative wolle die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass Landwirte, die Leistungen für das Gemeinwohl bringen, künftig stärker gefördert werden.

    Viele Studien deuteten darauf hin, dass die Intensivierung der Landwirtschaft maßgeblich zum Insektensterben beitrage, betont Weiger. Eine aktuelle repräsentative Emnid-Umfrage für den BUND untermauere, dass es zu Änderungen in der Agrarpolitik kommen müsse. Nach Weigers Worten will eine Bevölkerungsmehrheit von 79 Prozent verbindliche Regelungen zum Insektenschutz, zwei Drittel der Befragten möchten die Landwirtschaft hierzu verpflichten. 87 Prozent seien dafür, den Bauern finanzielle Mittel für entsprechende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.

    Auch die Bundesregierung hat sich den Insektenschutz auf die Fahne geschrieben. Mit dem „Aktionsprogramm Insektenschutz“ will sie das Bienensterben stoppen. Nach den Worten von Umweltministerin Svenja Schulze enthält es „konkrete Maßnahmen zum Schutz von Insekten und ihren Lebensräumen“. Schulzes Ziel: „Weniger eintönige Agrarsteppen – mehr vielfältige und strukturreiche Äcker, auf denen Insekten überleben können.“ Darüber hinaus will die Ministerin strengere Regeln für den Pestizideinsatz und „zügig raus aus Glyphosat“.

    In den Städten sollen mehr naturnahe Grünflächen entstehen und die Lichtverschmutzung eingedämmt werden. Schulze: „Insekten brauchen den Schutz durch ein eigenes Gesetz.“ Doch auch auf Bundesebene herrscht offenbar noch Diskussionsbedarf. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner warnt vor voreiligen Schlüssen: „Einseitige Schuldzuweisungen, die sich nur an Landwirte richten, führen uns angesichts der Fülle von Ursachen nicht weiter.“ Befürworter und Skeptiker warten nun gespannt darauf, wie eine Rettung der Artenvielfalt gelingt, der alle Seiten zustimmen können.

    Jens Voss

    Bienen

    Bayern im Petitionsfieber: Rettet die Bienen!

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