Fotograf Joel Sartore baut eine Arche für die Tiere der Welt

Mittlerweile hat Sartore bereits 11.000 verschiedene Tierarten fotografiert und in seiner „Photo Ark“ archiviert.

Von Christy Ullrich Barcus
Veröffentlicht am 6. Juni 2019, 09:46 MESZ, Aktualisiert am 2. März 2021, 09:41 MEZ

Dieser Artikel erschien ursprünglich im September 2013 auf nationalgeographic.com. Mittlerweile hat Sartore bereits über 11.000 verschiedene Tierarten fotografiert und in seiner „Photo Ark“ archiviert.

Der National Geographic-Fotograf Joel Sartore ist auf der vielleicht größten Mission seines Lebens. Jahrzehntelang hat er für National Geographic einige der wildesten Orte der Erde fotografiert, von der Antarktis bis zum Amazonas.

Trotzdem hatte Sartore nicht das Gefühl, dass er damit in der öffentlichen Debatte über den Artenschutz etwas bewegte. Vor acht Jahren begann er deshalb mit seinem Projekt Photo Ark. Das Ziel? Er will alle etwa 12.000 Tierarten fotografieren, die sich derzeit in menschlicher Obhut befinden – in Zoos, Schutzgebieten und Auffangstationen. Mittlerweile hat er sein Ziel zur Hälfte erreicht und mehr als 3.050 Arten fotografiert, Tendenz steigend.

Eine Gruppe Scharlachsichler (Eudocimus ruber) im Caldwell Zoo, Tyler, Texas.
Foto von Joël Sartore

Um sicherzustellen, dass es den Tieren gut geht und sie sich vor ihrem großen Fotoshooting wohl fühlen, muss hinter den Kulissen viel Vorarbeit geleistet werden, natürlich in Abstimmung mit den Angestellten der jeweiligen Institutionen. Für jedes Bild wählt Sartore einen neutralen schwarzen oder weißen Hintergrund. „So können wir eine große Nähe schaffen und ihnen in die Augen sehen“, erklärte Sartore. „Man kann die ganzen Details erkennen – das, was sie so wundervoll macht.“

„Es ist einfacher, Tiere in Gefangenschaft zu fotografieren, weil wir da ziemlich sicher sind, dass wir eine vernünftige Aufnahme von ihnen bekommen. Wir können die Beleuchtung einstellen und wir wissen, dass uns das Stinktier nicht vollspritzt. Aber auf gewisse Weise ist es auch schwieriger, ein interessantes Foto zu machen.“

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    Ein sechs Tage alter Schabrackentapir (Tapirus indicus) im Minnesota Zoo.
    Foto von Joël Sartore

    Er erzeugt gern ein harmonisches Chaos, indem er bestimmte Tiere zusammen gruppiert, beispielsweise einen kleinen Schwarm Flamingos.

    Sartore zufolge gehören Vögel zu den schönsten Tieren, die er bisher fotografiert hat, besonders Pfauen und Paradiesvögel. „Sie sind absolut umwerfend und haben einfach fantastische Farben“, erzählte er.

    Großkatzen, Menschenaffen und Bären zählen zu den schwierigsten Motiven („Die zerfetzen einfach die Leinwand im Hintergrund“), weshalb er die Hintergründe für diese Tiere oft mit Latexfarbe streicht, anstatt traditionelle Papierrollen zu verwenden.

    Bei seiner Arbeit mit den Tieren hat Sartore gelernt, dass sie – genau wie wir Menschen – Emotionen haben. „Sie haben Gedanken und Gefühle. Sie sind fröhlich, wütend, manchmal hinterhältig, manchmal verspielt. Sie sind in vielerlei Hinsicht wie wir – wir sind ja auch Tiere“, sagte Sartore. „Ich habe gelernt, dass jedes Tier wichtig ist und dass jedes Tier zählt.“

    Die Zoos sind die Archen der Moderne, und ohne sie wären viele Arten schon ausgestorben, wie er sagte.

    Ein Schmetterling der Art Hyalophora cecropia im Minnesota Zoo.
    Foto von Joël Sartore

    National Geographic im Interview mit Joel Sartore

    National Geographic: Wie entstand die Photo Ark?

    Joel Sartore: Vor fast neun Jahren erhielt meine Frau die Diagnose Brustkrebs. Während ihrer Genesung ging ich an den Tagen, als es ihr besser ging, zum Lincoln Children’s Zoo [in Nebraska] und fing an, kleine Tiere vor schwarzen und weißen Hintergründen mit Studiobeleuchtung zu fotografieren. Ich musste einfach irgendwas fotografieren, da ich in all den Jahren, seit ich angefangen hatte, für das [National Geographic-Magazin] zu fotografieren, noch nie zu Hause bleiben musste. Die ersten Tierarten, die ich fotografierte, waren ein Nacktmull und ein Pfeilgiftfrosch-Pärchen.

    Wie entwickelte sich das Ganze zu einem größeren Projekt?

    Ich merkte, dass es mir wirklich gefiel, wie der Hintergrund jeder Tierart gleich viel Gewicht und Bedeutung verlieh. Außerdem konnte ich jedem Tier direkt in die Augen sehen, was mich wirklich fesselte. Ehe ich mich’s versah, besuchte ich die Zoos in Omaha, Kansas City und Sioux Falls, um immer mehr Porträts zu machen. Seither ist das Projekt immer weiter gewachsen.

    Die Zoos kümmern sich um [die Tiere], züchten sie und retten sie so. Von jetzt an sind die Zoos die Bewahrer des Königreichs [der Tiere]. Es ist wichtig, dass die Menschen die Zoos auch finanziell unterstützen und sich schlau machen, wie sie ihnen in ihrer Freizeit dabei helfen können, das zu retten, was uns von der Natur geblieben ist.

    Eine Sandkatze (Felis margarita) im Chattanooga Zoo.
    Foto von Joël Sartore

    Was ist das Ziel der Photo Ark?

    Das Ziel ist einfach, die Öffentlichkeit dazu zu bringen, endlich aufzuwachen und aufzupassen. Bis zur nächsten Jahrhundertwende könnte die Hälfte aller Arten ausgestorben sein, wenn wir nicht aufhören, den Planeten zu zerstören. Das wird für uns alle eine Lose-Lose-Situation.

    Die Arten, mit denen wir uns die Erde teilen, sind nicht nur erstaunlich, sondern auch nützlich für die Menschheit. Sie sind sogar der Schlüssel für unser Überleben. Wir brauchen bestäubende Insekten, um Obst und Gemüse anzubauen. Wir brauchen gesunde Wälder, die unser Klima regulieren. Wenn wir andere Arten retten, retten wir im Grunde uns selbst.

    Aber das wird uns nicht kümmern – geschweige denn, dass wir etwas unternehmen werden –, wenn wir gar nicht wissen, dass es diese Tiere gibt und dass viele von ihnen in Gefahr sind. An dieser Stelle kommen dann die Fotos ins Spiel.

    Eine Plüschkopfente (Somateria fischeri) im Cincinnati Zoo.
    Foto von Joël Sartore

    Wir wirkt sich Photo Ark auf die Aufträge aus, die Sie annehmen?

    Ich versuche, meine Aufträge so auszuwählen, dass ich dabei auch Shootings für Photo Ark machen kann. Als ich über die Krise der Koalas in Australien berichtet habe, habe ich dort in der Gegend auch mit Zoos und Auffangstationen zusammengearbeitet. Indem ich beides kombiniere, kann ich die Studioaufnahmen der Tiere machen und dann sogar noch einen Schritt weiter gehen und zeigen, was mit den Tieren in der Wildnis geschieht, ob es nun der Verlust ihres Lebensraum ist oder Krankheiten oder Wilderei.

    Ein fünf Monate alter Tasmanischer Teufel (Sarcophilus harrisii) namens Mulana (in der Sprache der Aborigines bedeutet das „Geist“) im Healesville Sanctuary in Australien.
    Foto von Joël Sartore

    An welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie?

    Seit ich die Story über die Zoos gemacht habe [„Building the Ark“ in der Oktoberausgabe des US-amerikanischen National Geographic Magazins], arbeite ich ohne Unterlass an Photo Ark. Vor zwei Wochen war ich in Australien, danach Kansas, jetzt die Grand Rapids.

    Was war im Rahmen dieses Projekts Ihre größte Herausforderung oder Ihre größte Enttäuschung?

    Dass sich die Leute immer noch mehr für Benzinpreise oder das TV-Programm interessieren als aufzuwachen und zu begreifen, dass wir am Rande des größten Artensterbens seit dem Verschwinden der Dinosaurier stehen. Es gibt für dieses Projekt keine Zeit zu verlieren.

    Was war im Zuge von Photo Ark bisher Ihre größte Errungenschaft?

    Die Gelegenheit, die Geschichte jeder einzelnen Tierart zu erzählen, die ich fotografieren. Für viele Arten wird das der einzige Moment im Rampenlicht sein, bevor sie aussterben, ob nun in Gefangenschaft oder in der Wildnis.

    Wie können Menschen, die gerne helfen würden, sich beteiligen?

    Sie können www.nationalgeographic.de/photo-ark besuchen und mehr über das Projekt erfahren oder Geld spenden. Sie können mir auch [auf Englisch] unter info@joelsartore.com schreiben. Uns mangelt es da nicht an Ideen.

    Der Artkel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

    Photo Ark

    Video0:49

    Photo Ark: Die Kunst von Joel Sartore

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