„Um die Löwen zu schützen braucht es das ganze Dorf“

Die Biologin und Naturschutzpädagogin Thandiwe Mweetwa setzt sich im Nationalpark South Luangwa in Sambia für große Raubtiere ein.

Von Andrea Henke
Veröffentlicht am 7. Juni 2019, 16:49 MESZ
Thandiwe Mweetwa im South Luangwa National Park mit Löwen
Zwei junge Löwen im South Luangwa National Park in Sambia. Im Hintergrund die Biologin Thandiwe Mweetwa.
Foto von Ed Selfe

Welchen Problemen sehen Sie sich bei Ihrer Arbeit gegenüber?

Es gibt wachsende Konflikte zwischen Viehzüchtern und Raubtieren, weil die Raubtiere Vieh reißen. Im Moment besteht etwa die Hälfte meiner Arbeit darin, ein Programm zur Konfliktminderung zu entwickeln, um zum einen das Vieh zu schützen und zum anderen Vergeltungsschläge gegen Raubtiere zu verhindern. Das Problem ist für uns noch neu. Es gibt Orte in Tansania und Kenia, wo dieser Konflikt seit Generationen besteht. Luangwa öffnet sich gerade erst für die Aufzucht von Nutztieren in Parknähe.

Warum erst jetzt?

Die längste Zeit gab es hier Tsetsefliegen. Die Tsetsefliege überträgt eine ganze Reihe von Krankheiten, was verhinderte, dass bisher Vieh in der Gegend überleben konnte.

Warum ist die Tsetse kein Problem mehr?

Es gibt eine veränderte Landnutzung durch wachsende Besiedlung und Landwirtschaft. Tsetsefliegen lieben dichtes Gebüsch. Abholzungen und Rodungen nehmen ihnen also ihren bevorzugten Lebensraum. Es gab gezielte Regierungsprogramme, sie auszurotten, um die Viehzucht zu verbessern und einige Gebiete für den Safaritourismus nutzbar zu machen. Letztendlich Maßnahmen, um die Armut der Menschen zu lindern. Der Nachteil ist, dass wir jetzt Vieh in Parknähe haben und es zum Konflikt mit Wildtieren wie zum Beispiel den Löwen kommt. Dieser Konflikt hat noch nicht die Größenordnung wie in Kenia oder Tansania, wo es riesige Herden von Ziegen, Kühen und Schafen gibt, aber er wächst. Wir versuchen zu handeln, bevor er eskaliert.

Wie versuchen Sie den Konflikt zu entschärfen?

Zuerst müssen wir die Konfliktmuster verstehen. Welches Tier wird zu welchen Jahreszeiten und wo von den Raubtieren angegriffen? Wir haben verschiedene Viehhalter besucht, um zu erfahren, welche und wie viele Tiere sie halten; wie viele sie durch Raubtiere verloren haben und was sie schon versucht haben, um den Verlust zu verhindern. Wir wollen keine Lösungen vorschlagen, die bereits ausprobiert wurden, aber nicht funktionieren. Wir wollen erfahren, was bereits erfolgreich war. Momentan analysieren wir diese Informationen um eine Art „Heat Map“ zu erstellen, die die Konfliktherde zeigen soll.

Als nächstes könnten wir mit den Landwirten über die Stärkung der Gehege sprechen, in denen sie ihre Tiere halten. In Kenia und Tansania habe ich Orte besucht, die Maschendrahtzäune um ihr Vieh gezogen hatten. Wir müssen aber sehr gründlich darüber nachdenken, ob wir zusätzlichen Draht einführen, denn hier in Luangwa sind Drahtschlingen-Fallen ein Problem. Anders als in Ostafrika, wo wenig Buschfleisch gegessen wird. Wir wollen nicht, dass der Zaun für weitere Fallen zweckentfremdet wird und es noch schlimmer wird. Also werden wir wahrscheinlich andere Wege gehen.

Viehhirte mit Kuhherde in der Pufferzone des South Luangwa Nationalparks.
Foto von Billy Banda

Wilderei ist ein weiteres Problem?

Der illegale Handel mit Buschfleisch ist eine große Herausforderung für uns, weil er viele Beutetiere der Raubtiere betrifft. Es gibt einen riesigen illegalen Markt sowohl vor Ort als auch außerhalb der Region. Der Mensch tritt mit den Löwen und anderen Raubtieren in direkte Konkurrenz um ihre Nahrung. Hinzu kommt, dass sich auch Löwen und Wildhunde in den Drahtschlingen verfangen.

Was unternehmen Sie gegen die Wilderei?

Als erstes müssen wir wissen, wo die Tiere sich aufhalten, welche Wege sie nutzen und wo die Fallen aufgestellt werden. Wir versehen die Tiere für unsere Forschung mit Funkkragen, damit wir Bewegungsprofile erstellen können. Diese Daten geben wir wöchentlich an eine andere Organisation weiter, die ihre Patrouillen dann auf den Bereich konzentriert, in dem die Tiere sich aktuell aufhalten und ihn von Fallen frei räumt.

Wie wählen Sie die Tiere aus, die Sie besendern?

Bei den Löwen statten wir ein beliebiges Weibchen pro Rudel aus, dann wissen wir, wo das Rudel sich aufhält. Bei den Wildhunden sind es das männliche und das weibliche Alphatier, sowie ein weiteres Männchen und ein weiteres Weibchen. Leoparden, Geparden und Hyänen in anderen Gegenden des Landes bekommen von uns auch Funkkragen.

Bestimmte Tiere haben also eine besondere Bedeutung für ein Rudel. Ist das ganze Rudel gefährdet, wenn so ein Tier gewildert wird?

Für Arten wie Wildhunde ist jetzt eine besonders kritische Zeit, weil sie sich fortpflanzen. Grundsätzlich gilt: Wenn Sie ein Tier verlieren, verlieren Sie drei oder vier andere durch Abhängigkeit. Die gesamte Gruppe wird geschwächt und wird nicht mehr erfolgreich jagen können oder Feinde abwehren. Stirbt ein einzelner Hund, kann sich unter Umständen ein ganzes Rudel auflösen, weil die Sozialstruktur gestört ist. Es gibt auch eine kritische Anzahl von Hunden, die in jedem Rudel sein müssen, damit sie sich ausreichend fortpflanzen können. Auch bei anderen Arten wie Löwen kann es fatal sein, wenn bestimmte Individuen erwischt werden.

Werden auch Löwen gezielt von Wilderern angegriffen?

Das ist leider die traurige Wahrheit: Löwen werden zunehmend getötet um an ihr Fell, ihre Klauen oder ihre Knochen zu kommen.

Sie geben Workshops in den umliegenden Gemeinden des Nationalparks um das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Raubtiere zu stärken. Worum geht es da?

Wir arbeiten mit einer anderen Organisation zusammen, um die Auswirkungen des illegalen Handels auf Arten zu vermitteln, die selbst gar nicht das Ziel des Handels sind: Fragen sind zum Beispiel: "Warum ist es schlecht, unbeabsichtigte Tiere zu fangen?" "Was bedeutet es, auch nur ein einziges Tier zu verlieren?" Oder, wenn wir einen Workshop mit Hirten machen, sprechen wir darüber, mit welchen Methoden Sie ihre Tiere schützen können. Bei der Arbeit werden wir von National Geographic gefördert. Nur mit dem ganzen Dorf können wir die Löwen und anderen Raubtiere schützen.

Was ist besonders am South Luangwa National Park?

Das Gebiet ist einzigartig! Die Wildtierdichte zählt zu den höchsten des Kontinents. Wir haben große Elefantenherden und laut jüngster Volkszählung hat sich ihr Bestand trotz des hohen Drucks durch Wilderei stabilisiert oder möglicherweise sogar erhöht. Dann haben wir eine Löwenpopulation, die als eine der gesündesten auf dem afrikanischen Kontinent gilt. Wir haben eine sich erholende Wildhundepopulation und eine sehr hohe Leopardendichte. Eigentlich gibt es hier alle afrikanischen Wildtiere außer vielleicht dem Spitzmaulnashorn und dem Gepard.

Wie kommt es zu der hohen Dichte an Wildtieren?

South Luangwa liegt im Zentrum dieser riesigen, miteinander verbundenen Landschaften des südlichen und östlichen Afrikas. Aus ökologischer Sicht ist South Luangwa keine isolierte Insel, sondern einer der Orte, die noch mit den anderen Schutzgebieten ihrer Region verbunden sind. Es gibt im Luangwa-Tal drei weitere Nationalparks, die von Pufferzonen umgeben sind. Diese Korridore ermöglichen auch weiterhin den genetischen Austausch zwischen den verschiedenen Wildtier-Populationen.

BELIEBT

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    Thandiwe Mweetwa beim Aufspüren von Löwen. In jedem Löwenrudel wird ein weibliches Tier mit einem Sender ausgerüstet, um das Rudel orten zu können.
    Foto von Edward Selfe

    Erinnern Sie sich an einen besonderen Moment, den Sie mit den Tieren im Park erlebt haben?

    Ich komme für meinen Geschmack viel zu selten in den Busch, weil es so viel andere wichtige Arbeit gibt, die erledigt werden muss. Es ist so großartig, wenn ich dann wieder da bin! Letztes Jahr habe ich nach einer ganzen Weile endlich meine Lieblingslöwen wiedergesehen.

    Sie haben Lieblingslöwen?

    Ja! Ich beobachte die Gruppe schon seit langem und kenne sie ziemlich gut. An diesem Tag haben wir eine Mutter und einen Vater der Gruppe mit ihrem Jungen gefunden. Die kleine Familie ist Teil einer viel größeren Gruppe, aber in diesem Moment waren sie von der Hauptgruppe getrennt. Wir haben sie erst kurz vor Sonnenuntergang nach einer schier endlos langen Suche gefunden. Die Mutter und der Vater waren da, das kleine Junge versuchte gerade zu lernen, wie man auf einen Baum klettert. Das Licht war wunderschön und als die Dunkelheit einbrach, fingen die Eltern an zu brüllen und der Kleine versuchte, mitzumachen. Das war wunderbar, als hätten sie mir zugebrüllt: "Willkommen-zurück-im-Busch"!

    Haben Sie ihnen Namen gegeben?

    (lacht und zögert): Ja, geheime, inoffizielle Namen. In unserer Datenbank sind ihnen nur die Regionalnummern zugeordnet. Diese Arten sind großartig. Sie machen das Leben lebenswert. Wir sollten alles in unserer Macht Stehende tun, um ihnen zu helfen, auch in Zukunft zu überleben.

     

    Lesen Sie auch unsere Reportage über weibliche Ranger in Heft 6/2019 des National Geographic-Magazins!

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