Gepard zu verkaufen

Die majestätische Katze ist eine begehrte Ware für Schmuggler, die Wildtiere an reiche Kunden verkaufen. Wie Kriminelle die Jungtiere aus Afrika herausschmuggeln – und wie sich Somaliland dagegen wehrt.

Von Rachael Bale
bilder von Nichole Sobecki
Veröffentlicht am 17. Sept. 2021, 08:53 MESZ
Ein Gepard sitzt angeleint auf dem Rücksitz eines Autos, eine Hand streckt sich von vorne zu ...

Ein sieben Monate alter Gepard faucht die ausgestreckte Hand eines Retters an. Das Jungtier wurde von den Behörden abgefangen, ehe es an einen Schmuggler verkauft werden konnte. Jedes Jahr werden womöglich Hunderte, meist junge Geparde von Somaliland illegal in die Golfstaaten gebracht und als Haustiere verkauft.

Foto von Nichole Sobecki

Kennen Sie diese Tiere? Die Frage des Staatsanwalts bezieht sich auf fünf junge Geparde. Die in einem Transportkäfig zusammengedrängten Tiere werden in die Höhe gehalten, sodass die beiden Angeklagten sie von ihrer vergitterten Zelle vorne im Gerichtssaal aus sehen können. Das vogelartige Zirpen der gestressten Jungtiere hallt von dem Betonboden und den Wänden wider. Einer der beiden, Cabdiraxmaan Yusuf Mahdi, besser bekannt unter dem Namen Cabdi Xayawaan, wirft einen Blick auf die Geparde. „Die habe ich noch nie gesehen“, winkt er ab.

Pause. Dann ergreift der zweite Angeklagte, Maxamed Cali Guuleed, das Wort. „Sie sehen vielleicht ein wenig kleiner aus, aber das sind die Jungtiere aus meinem Haus.“

Die beiden stehen in Hargeysa vor Gericht, der Hauptstadt von Somaliland, einer selbsternannten autonomen Republik am Horn von Afrika. Sie sind angeklagt, junge Geparde in freier Wildbahn gefangen zu haben, während Somaliland gegen die kriminellen Netzwerke vorgeht, die diese Region zu einem Drehkreuz für den Schmuggel mit den ikonischen und immer selteneren Raubkatzen gemacht haben.

In freier Wildbahn gibt es keine 7000 ausgewachsenen Geparde mehr

Der Fall begann im Oktober 2020. Die Polizei hatte einen Tipp bekommen und startete eine Operation, die zur Entdeckung von zehn jungen Geparden in Guuleeds Haus geführt hatte. Er und Cabdi Xayawaan wurden festgenommen. In vier Monaten war dies das sechste Mal, dass man in Somaliland Geparde aufgegriffen hatte. (…)

In freier Wildbahn gibt es neueren Schätzungen zufolge keine 7000 ausgewachsenen Geparde mehr. Die meisten von ihnen leben im südlichen und östlichen Afrika. Der internationale kommerzielle Handel mit den Tieren ist seit 1975 verboten. Laut Patricia Tricorache von der Colorado State University, die den Handel mit Geparden seit 15 Jahren verfolgt, wurden zwischen 2010 und 2019 trotzdem mehr als 3600 lebende Geparde weltweit illegal zum Kauf angeboten oder verkauft. Nur zehn Prozent davon konnten die Ordnungsbehörden aufgreifen. Geparde in freier Wildbahn zu fangen, ist auf dem Terrain des heutigen Somaliland seit 1969 verboten.

Am Eingang eines Restaurants in Hargeysa, der Hauptstadt von Somaliland, präsentiert man einen Gepard. Das Land, das von den meisten Staaten nicht anerkannt wird, kämpft gegen den illegalen Wildtierhandel. Doch viele Bewohner können kaum ihren Lebensunterhalt sichern und messen dem Naturschutz keinen hohen Stellenwert bei.

Foto von Nichole Sobecki

Die größten Gefahren für die Großkatzen sind der Habitatverlust und Vergeltungsaktionen von Viehzüchtern, deren Tiere von Geparden angegriffen worden sind. Hinzu kommt der illegale Handel mit Jungtieren. Die Babykatzen, die oft noch gesäugt werden und hilflos sind, werden in freier Wildbahn aufgegriffen, während ihre Mütter jagen, oder indem man eine säugende Mutter zu ihrem Versteck verfolgt. Zu Fuß sowie per Kamel, Auto und Boot transportieren Schmuggler die Jungtiere quer über das Horn von Afrika und den schmalen Golf von Aden in den Jemen. Die Reise von 350 Kilometern oder mehr kann Wochen dauern. Gepardenjunge, die sie überleben, werden in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und anderen Golfstaaten als Haustiere verkauft.

Somaliland gilt als Zentrum des Gepardenhandels

Somaliland gilt als Zentrum des Gepardenhandels: Hier hat man leichten Zugang zu den Tieren in Äthiopien und Kenia, die Küste ist rund 750 Kilometer lang und der Jemen nicht weit. Seit Jahrtausenden bereits fließen Handelsgüter aller Art, legal oder illegal, quer über den Golf von Aden. Heute werden junge Geparde, Edelsteine, Menschen und vieles andere aus dem Horn von Afrika herausgeschmuggelt; in die Gegenrichtung fließen Waffen, Sprengstoff und Munition. (…)

Im November wurden Guuleed und Cabdi Xayawaan schuldig gesprochen. Der nicht vorbestrafte Guuleed musste für ein Jahr ins Gefängnis. Cabdi Xayawaan bekam vier Jahre, in Somaliland eine Rekordstrafe für ein Verbrechen an der Umwelt. Für die Justiz des Landes war es ein Meilenstein – sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die politische Führung hatten die Hoffnung, es würde als Abschreckung vor Gepardenschmuggel ausreichen.

Die zehn Jungtiere leben heute in einer Auffangstation in Hargeysa, die vom Cheetah Conservation Fund (CCF) betrieben wird, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Namibia. Seit 2011 arbeitet sie in Somaliland, nachdem die Regierung sie um Hilfe bei der Versorgung beschlagnahmter Geparde gebeten hatte. Mitte 2021 betrieb der CCF in Hargeysa drei Einrichtungen mit ungefähr 60 Geparden und einem Leopard. Keines der Tiere kann alleine in der Wildnis überleben; sie müssen den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft verbringen.

Keines der Tiere kann alleine in der Wildnis überleben

Dass Geparde so reizvoll sind, ist kein Wunder. Als Jungtiere haben sie riesige runde Augen, einen flauschigen kleinen Körper und einen irokesenähnlichen Fellkamm auf dem Rücken. Ausgewachsen sind sie schlank, schnell und majestätisch, außerdem weniger aggressiv als Löwen oder Tiger. Sie können schnurren wie zu groß geratene Hauskatzen.

Im Lauf der Geschichte waren Geparde immer wieder Statussymbole. Eine Malerei im Grab des altägyptischen Wesirs Rechmire stellt ausländische Besucher dar, die Pharao Thutmosis III. ihre Tribute entrichten, darunter einen Gepard an einer Leine. In einem florentinischen Palazzo zeigt ein Fresko aus der Renaissancezeit den jugendlichen Giuliano de’ Medici auf einem Pferd mit einem Gepard, der hinter ihm sitzt. Josephine Baker, Burlesque-Star des Jazzzeitalters und Agentin der französischen Résistance, führte ihren Gepard Chiquita – der gelegentlich bei ihren Bühnenauftritten mitwirkte – auf den Champs-Élysées spazieren.

Heute ist Instagram der Treffpunkt, an dem man sich mit einem Gepard sehen lässt. Viele öffentliche Posts mit zahmen Geparden stammen von reichen Menschen aus den Golfstaaten, für die solche Großkatzen ein Statussymbol darstellen. Es gibt Fotos von Geparden mit Lamborghinis und Rolls-Royces, von Geparden neben glitzernden Swimmingpools und von Tieren, die zusammen mit ihren Eigentümern posieren. (…)

Auf Instagram posten auch viele Händler Fotos der zum Verkauf stehenden Jungtiere, sagt Patricia Tricorache. Anfragen nach einer Stellungnahme hat Instagram nicht beantwortet. (…)

Eine Flugzeug-Schlafmaske und Papiertücher in den Ohren tragen zur Beruhigung bei: der kleine Gepard Astur bei der Aufnahmeuntersuchung in einer Auffangstation des gemeinnützigen Cheetah Conservation Fund (CCF). Jungtiere, die geschmuggelt oder bei Verbrecherringen beschlagnahmt werden, sind oftmals krank, meist weil sie nicht richtig ernährt wurden. Viele von ihnen überleben nicht.

Foto von Nichole Sobecki

Mahdi Faarax Dugsiye ist 38 Jahre alt. Er hat eine Ehefrau, sieben Kinder, 40 Ziegen und Schafe und ein Kamel. In der Gegend von Bwon, wo er zu Hause ist, kennt man ihn als den „Gepardenschützer“. Aber vor ein paar Monaten hat er einen erschossen.

An einem Spätnachmittag hörte er einen Tumult. Als er zu seiner Herde lief, sah er, wie ein Gepard gerade eine Ziege fraß. Es war die Ziege, die Milch für seinen jüngsten Sohn geliefert hatte. „Ich war so verbittert, dass ich fast geweint habe. Ich musste Rache nehmen“, sagt er. Also lief er und holte sein Gewehr, eine Waffe, die er von seinem Vater geerbt hatte. Als er zurückkam, war der Gepard noch da. Mahdi schoss ein einziges Mal und traf ihn in die Seite. Die Katze lief davon, aber er wusste, dass sie bald tot sein würde. „Ich habe das Gewehr geküsst. Ich hatte es geschafft“, sagt Dugsiye, als er von dem Tag berichtet. Für somalische Viehzüchter liegt der Reichtum in der Größe ihrer Herden. Eine Ziege zu verlieren, ist gleichbedeutend mit dem Verlust von Bargeld. Manch einer würde in einer solchen Situation auf die Suche nach Gepardenjungen gehen – die Menschen hier wissen, wo es für die Tiere einen Markt gibt, und Gepardenbabys zu verkaufen, kann dazu beitragen, den Verlust der eigenen Nutztiere wettzumachen.

Aber Dugsiye gab sich mit der Rache zufrieden. Als er jung war, besaß sein Vater 500 Rinder, Ziegen und Schafe, eine Herde von Kamelen und einen Bauernhof. Wenn ein Gepard eines seiner Tiere tötete, so berichtet Dugsiye, schrieb er es einfach ab. Es war nur eines von mehreren Hundert, und sein Vater hätte gesagt, es sei der natürliche Lauf der Dinge. Heute hat Dugsiyes Tierherde nur einen Bruchteil dieser Größe, und den Bauernhof gibt es nicht mehr. Häufig herrscht Dürre, die Niederschläge sind unregelmäßig. Wenn der Regen dann kommt, ist plötzlich alles überschwemmt, und Unwetter wie der tropische Wirbelsturm Sagar von 2018 können tödlich sein. Damals starben in Somaliland mindestens 25 Menschen und die Hälfte des Viehs in der Region Awdal.

Gepardenbabys zu verkaufen, kann dazu beitragen, den Verlust der eigenen Nutztiere wettzumachen

Das Land kann heute nicht mehr so viele Nutz- oder Wildtiere ernähren wie früher. Die Dürre verknappt die Vegetation und damit gute Weidegründe. Beutetiere wie Antilopen und Warzenschweine werden seltener. Das zwingt Geparde, sich nach anderen Nahrungsquellen umzusehen – manchmal sind das Ziegen und Schafe, die von den Viehzüchtern immer weiter in die Lebensräume der Geparde hineingebracht werden, um noch gute Weidegründe zu finden.

Einen Tag, nachdem Dugsiye den Gepard erschossen hatte, fuhr zufällig Cabdinasir Hussein, Abteilungsleiter für Naturschutz beim Umweltministerium, durch Bwon und sah einen toten Gepard am Straßenrand liegen. Ein Viehzüchter benannte Dugsiye als Schützen. Der wurde festgenommen. Bei der Gelegenheit hörte Dugsiye zum ersten Mal davon, dass jemand den Beruf hat, wilde Tiere zu schützen. (…)

Dugsiye wurde ohne weitere Strafen wieder entlassen, nachdem man ihm einen Vortrag über das Gesetz gehalten und ihm erklärt hatte, dass die Geparde Schutz verdienen, weil sie ein unverzichtbarer Teil des Naturerbes von Somaliland sind. „Ich musste versprechen, dass ich nie wieder einen Gepard erschießen werde“, sagt er und fügt hinzu, er habe gelobt, auch jeden anzuzeigen, der es tut. (…)

Manchmal treibt Armut die Menschen dazu, Geparde zu töten oder zu wildern

Manchmal treibt Armut die Menschen dazu, Geparde zu töten oder zu wildern, aber Antrieb der größten Schmuggler ist ohnehin die Habgier. „Wenn du auch nur ein Stückchen Barmherzigkeit in dir hast, ist Schmuggel nicht die richtige Arbeit für dich“, sagt ein Gepardenvermittler, ein nervöser Khat-Dealer mit blutunterlaufenen Augen. Damit meint er Cabdi Xayawaan. „Der ist kein Mensch mit einem weichen Herzen.“ (...)

Der Richter (l.) betrachtet fünf der zehn Geparden, die im Fall von Cabdi Xayawaan beschlagnahmt und als Beweisstücke ins Gerichtsgebäude gebracht wurden. Der Angeklagte wurde letzten November schuldig gesprochen und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Der Fall galt weithin als Meilenstein. 

Foto von Nichole Sobecki

Cabdi Xayawaan ist überall bekannt, bei Regierungsmitgliedern und leitenden Armee- offizieren ebenso wie bei Dorfbürgermeistern, Fischern und Bauern. „Er ist der schlimmste Händler“, sagt Oberst Yuusuf Iimaan Diiriye, der Kommandant der Armeegarnison, die im Westen von Somaliland die Regionen Sahil und Awdal beaufsichtigt. „Er ist der Mann, der dafür sorgen wird, dass der Gepard in dieser Region ausstirbt.“ (…)

Als die Sicherheitskräfte im Westen von Somaliland mehr Druck ausübten, verlegte Cabdi Xayawaan seine Handelsrouten geschmeidig nach Osten. Er schmuggelte vor allem junge Geparde, gelegentlich auch einen Löwen oder ein Leopardenjunges. Außerdem holte er nach Angaben von Augenzeugen, Kumpanen, Beamten und Sicherheitskräften Waffen und Khat nach Somaliland. Oft brachte er die Jungtiere selbst zum Strand und übergab sie an Schmuggler auf Booten, deren Ziel der Jemen war – so berichten es die Augenzeugen. (…)

Er ist der Mann, der dafür sorgen wird, dass der Gepard in dieser Region ausstirbt.

Zwischen den kühlen Betonwänden des Gerichtssaals in Hargeysa kommt der Staatsanwalt immer wieder auf die Indizien aus Cabdi Xayawaans Handy zurück – insbesondere auf die Nachrichten, die er mit dem Jemeniten aus- getauscht hat. Der Staatsanwalt zeigt Bankbelege, denen zufolge der Mann aus dem Jemen an einem Tag fast 4000 Dollar an Cabdi Xayawaan überwiesen hat. Wenig später erhielt er Fotos und Videos der jungen Geparden. Der Staatsanwalt drückt ein Video auf „Play“, und wieder hallt das Zirpen der Gepardenbabys durch den Saal. Wo diese Tiere heute sind, weiß niemand, viele von ihnen sterben unterwegs an Mangelernährung oder Krankheiten. In vielen Fällen, so Patricia Tricorache, bringt man sie wahrscheinlich mit dem Auto durch den Jemen nach Saudi- Arabien. Von dort werden sie an die Kunden im Land, in den Emiraten oder in Kuwait verteilt.

Cabdi Xayawaan sitzt jetzt im Gefängnis, allerdings sicher nicht lange. Im vergangenen Frühjahr, Monate, nachdem die Berufungsfrist für sein Urteil verstrichen war, wurde der Fall aus nicht genau geklärten Gründen erneut aufgerollt. Guuleed, der eine Geldstrafe gezahlt und ein Jahr abgesessen hatte, starb nach Angaben des Umweltministeriums – ebenfalls im vergangenen Frühjahr – kurz nach seiner Freilassung zu Hause in Hargeysa.

Wenn das Urteil gegen Cabdi Xayawaan aufgehoben wird, ist einer der größten Fortschritte, die man in Somaliland bei der Bekämpfung des illegalen Handels mit den Gepardenjungen errungen hatte, zunichte gemacht. Ähnliches geschieht bei vielen weiteren Naturschutzverbrechen auf der ganzen Welt in aller Stille und ohne große Folgen.

Bis Ende Juni standen allein in diesem Jahr 150 Geparde auf den Verkaufslisten. 

Aus dem Englischen von Dr. Sebastian Vogel

Rachael Bale ist leitende Redakteurin für den Bereich „Tiere“ bei NATIONAL GEOGRAPHIC. Sie berichtet über Verbrechen an wilden Tieren. Die Fotografin Nichole Sobecki ist NATIONAL- GEOGRAPHIC-Explorer und spezialisiert auf die Verbindungen zwischen Mensch und Natur.

Dieser Artikel erschien in voller Länge und mit vielen weiteren Fotos und Fakten zur Geschichte und Gegenwart des Gepardenschmuggels in der September 2021-Ausgabe des deutschen NATIONAL GEOGRAPHIC Magazins. Keine Ausgabe mehr verpassen und jetzt ein Abo abschließen! 

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