Deutschlands letzte Feldhamster
Um 99 Prozent sind die Bestände des Europäischen Feldhamsters hierzulande zurückgegangen. Ein neues Projekt soll die seltenen Nagetiere vor dem Aussterben bewahren. Viel Zeit bleibt nicht mehr.
Einheitliche Leitlinien sollen Politik, Landwirtschaft und Naturschutz dabei helfen, die verbleibenden Populationen vor dem Aussterben zu bewahren.
Dem Europäischen Feldhamster wird sein namensgebender Lebensraum immer mehr zum Verhängnis – denn Felder gibt es in Europa immer weniger. In ihrem gesamten Verbreitungsgebiet sind die Nagetiere deshalb vom Aussterben bedroht. Mit dem Projekt Feldhamsterland soll unter der Koordinierung der Deutschen Wildtier Stiftung nun ein einheitliches Schutzkonzept geschaffen werden. In der Hoffnung, die letzten Feldhamster Deutschlands in Niedersachsen, Thüringen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz vor dem Aussterben zu bewahren.
Kleine Tiere, große Krise: Bestand um 99 Prozent gesunken
Die Äcker, die dem Feldhamster einst als sicherer Schutzraum und wertvolle Nahrungsquelle dienten, schwinden vor allem aufgrund der zunehmenden Bewirtschaftung oder durch Bodenversiegelung und Straßenbau. Durch die zunehmende landwirtschaftliche Monokultivierung droht den Hamstern zudem eine einseitige Ernährung, die zu schwerschwiegenden Störungen des Sozialverhaltens – etwa einem schwindenden Mutterinstinkt – führen kann.
Dass die damals als Schädling empfundenen Hamster eine wichtige Rolle im Ökosystem übernehmen, wurde erst spät erkannt. Auch das hat dafür gesorgt, dass die Populationsgröße der einstigen „Plage” seit Jahren stetig sinkt. Von ehemals Millionen Exemplaren sind heute kaum noch Tiere anzutreffen. Seit den Fünfzigerjahren ist ihr Bestand um dramatische 99 Prozent gesunken: Schätzungen zufolge gibt es hierzulande nur noch rund 10.000 bis 50.000 Feldhamster. Im Jahr 2020 musste die Art auf die höchste Kategorie der Roten Liste gesetzt werden.
Ein Hamsterbau kann bis zu zwei Meter in die Tiefe ragen. Ausgestattet ist er meist mit mehreren Eingängen, Schlaf- und Vorratskammern, sowie separaten Toiletten. Zunehmende Bodenversiegelung durch Bauvorhaben und Monokulturen in der Landwirtschaft gefährden diesen Lebensraum.
Um wohlgenährt über den Winter zu kommen, benötigt ein Feldhamster mindestens zwei Kilo Getreide. Dieses sammelt er mithilfe seiner geräumigen Backentaschen und lagert es in seinen unterirdischen Vorratskammern. Nahrhafte Blühwiesen und Luzernenstreifen unterstützen ihn dabei ganzjährig.
Blühstreifen und Ernteverzicht
Weil konkrete Daten zum genauen Bestand der Feldhamster bislang fehlen, gilt ein flächendeckendes Monitoring als Basis für das Projekt, dessen Ziel die Ursachenbekämpfung des Artensterbens ist. Laut Tobias Erik Reiners, der Feldhamsterland wissenschaftlich begleitet, ist die Erfassung genauer Zahlen wichtig, um Maßnahmen zum Schutz der Feldhamster gezielt einsetzen zu können.
Zu diesen geforderten Maßnahmen gehört beispielsweise ein Mindestanteil von sieben Prozent an sogenannten „biodiversitätswirksamen Strukturen“ in der Landwirtschaft – also Blühstreifen und unbewirtschaftete Randflächen und Hecken, die den Hamstern ganzjährige Lebensräume bieten. Laut Maßnahmenkatalog der Deutschen Wildtier Stiftung sind für solche Blühstreifen mindestens zwölf Meter Fläche angebracht. Auf dieser sollen bestenfalls Blühmischungen gesät werden, deren Samen gehamstert werden können. Um wohlgenährt über den Winter zu kommen, benötigt ein Feldhamster mindestens zwei Kilo Getreide in seinen Vorratskammern.
Die vielfältigen Maßnahmen des Projekts Feldhamsterland erwiesen sich bereits als wirksam und förderlich für Hamsterpopulationen. Um gegen das Aussterben anzukämpfen, müssen diese laut den Projektleitern nun von allen beteiligten Akteuren aus Politik, Landwirtschaft und Naturschutz umgesetzt werden.
Pro Acker mit Hamsterbauten soll auf einem zwölf Meter breiten Streifen zusätzlich auf das Ernten von Getreide verzichtet werden. Als Alternative dazu kann auf der Fläche kurz unterhalb der Ähren gemäht werden – zum Erhalt des wichtigen Lebensraums am Boden des Feldes. Außerdem haben sich laut den Experten der Anbau der Futterpflanze Luzerne und Absprachen im Bezug auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln bewährt. Auf Ackerflächen, die durch Monitoring nachweislich Feldhamster beherbergen, ist nach Angaben der Experten eine Kombination aller Maßnahmen – also Blüh- und Luzernenstreifen und der Ernteverzicht oder die Mahd unterhalb der Ähren – am sinnvollsten.
Laut Leitfaden der Deutschen Wildtier Stiftung kommt es beim Erfolg der Schutzmaßnahmen auf das Zusammenspiel aller Akteure an: „Der Schlüssel für den Erhalt des Feldhamsters liegt zum einen im gemeinschaftlichen Handeln von Landwirtschaft, Behörden und Naturschutz und zum anderen in der zukünftigen Gestaltung der landwirtschaftlichen Förderung.” Zusätzlich seien mittlerweile auch Zuchtmaßnahmen zur Erhaltung der Art als kurzfristiges Risikomanagement vonnöten.