Der Feldhamster ist jetzt vom Aussterben bedroht

Binnen 30 Jahren könnte der einst häufige Nager verschwinden. Monokulturen, Klimawandel und Lichtverschmutzung machen ihm zu schaffen.

Von Christine Dell'Amore
Veröffentlicht am 24. Juli 2020, 14:35 MESZ
Feldhamster

Der Feldhamster oder auch Europäische Hamster war einst in ganz Europa und Westasien weit verbreitet.

Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

Mit ihren runden Bäckchen, ihren kleinen Pfötchen und dem wuscheligen Pelz sind domestizierte Hamster, die perfekt in eine Hand passen, beliebte Haustiere. Weniger bekannt sind allerdings die 26 Wildhamsterarten, die durch Teile Europas, Asiens und den Nahen Osten huschen – allesamt süß, aber nicht unbedingt knuddelig. 

Der aggressive Feldhamster zum Beispiel springt jeden an, der ihn zu berühren versucht, und beißt zu, sagt Mikhail Rusin, ein Forscher im Kiewer Zoo in der Ukraine. „Selbst in Gefangenschaft geborene Exemplare sind nicht zahm, wenn sie ausgewachsen sind.“

Aber so wild es auch ist – das kaum 500 Gramm schwere Nagetier kann sich nicht gegen Bedrohungen wie Klimawandel, Landwirtschaft und Lichtverschmutzung wehren. Diese Faktoren haben wahrscheinlich zum Rückgang der Feldhamsterpopulation beigetragen, weshalb die Weltnaturschutzunion die Art nun als vom Aussterben bedroht einstuft.

Seltene Aufnahmen von Ili-Pfeifhasen
Das ist ein Ili-Pfeifhase. Das kleine Säugetier wohnt in Bergregionen und hat ein Teddygesicht.

Einst wühlte sich der Feldhamster durch Grasland in Europa und Westasien, aber mittlerweile ist das Verbreitungsgebiet der Nager dramatisch geschrumpft. In Frankreich – wo er nur noch im Elsass zu finden ist – verkleinerte sich sein Lebensraum um 94 Prozent. In Osteuropa, insbesondere in der Ukraine und in Russland, sind es mehr als 75 Prozent. Wenn nichts unternommen wird, wird der Hamster nach Ansicht der Weltnaturschutzunion innerhalb von drei Jahrzehnten aussterben.

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    Der schlechte Zustand der Art wird wahrscheinlich neue Erhaltungsbemühungen anregen, sagt Rusin, ein Autor der aktualisierten Liste der gefährdeten Arten. Er und seine Kollegen leisten bereits ihren Beitrag: Mitte Juli entließen sie elf in Gefangenschaft aufgezogene Hamster im Chotyn-Nationalpark in der Ukraine in die freie Wildbahn – eine Premiere für das Land.

    Feldhamster sind ein kritischer Bestandteil ihres Ökosystems: Die pelzigen Nager dienen einer Vielzahl von Raubtieren als Beute, vom Rotfuchs bis hin zu großen Vögeln wie dem Uhu.

    „Wenn wir diese Art verlieren, könnte das Ökosystem zusammenbrechen“, sagt Rusin. Und das wiederum könnte menschliche Gemeinschaften schädigen, die für Nahrung, Wasser und andere Dienstleistungen auf die Umwelt angewiesen sind. „Manche Menschen denken, sie seien von der Natur abgekoppelt, aber das sind sie nicht.“

    Ohne den Feldhamster wäre die Welt außerdem ein bisschen weniger bunt, findet Rusin. Sein schwarzer Bauch, seine weißen Flecken und sein kastanienbrauner Rücken machen den Hamster „vielleicht zu einem der schönsten Nagetiere Europas“.

    Vielfältige Risikofaktoren

    Feldhamster leben ein kurzes, turbulentes Leben: Sie kommen nach einer 18-tägigen Trächtigkeit auf die Welt und ihre Lebenserwartung ist kurz – nur etwa zwei Jahre. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sind die Fortpflanzungsraten und die Lebenserwartung der Hamster deutlich zurückgegangen. Während Weibchen fast das gesamte 20. Jahrhundert über durchschnittlich 20 Nachkommen pro Jahr warfen, gebären sie heute nur noch fünf bis sechs. Und die durchschnittliche Lebenserwartung, die heute bei etwa zwei Jahren liegt, war früher dreimal so hoch.

    Der Grund für diese Entwicklungen ist unklar. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Kombination von Faktoren, darunter die Ausbreitung von Monokulturen.

    Als Graslandbewohner leben Hamster hauptsächlich auf Ackerland und ernähren sich von Feldfrüchten. Steht ihnen durch Monokulturen aber beispielsweise nur Mais oder Weizen zur Verfügung, ist das eine ernährungsphysiologisch schlechte Situation. Sie kann zu Gesundheitsproblemen wie Mangel an Proteinen und Vitamin-B3 führen. Zu wenig B3 kann zu abnormalem Verhalten bei Feldhamstern führen, beispielsweise dem Töten des Nachwuchses, sagt Caroline Habold, eine Ökophysiologin an der Universität Straßburg. Und ein Eiweißmangel in der Milch weizenfressender Mütter kann die Entwicklung ihrer Jungen hemmen. Hinzu kommt, dass die Hamster nach der Ernte plötzlich keine Nahrung mehr finden und leichtere Beute für Raubtiere sind.

    Ein in Gefangenschaft aufgezogener Feldhamster ruht sich in Frankreich in einem geschützten Gehege aus, bevor er ausgewildert wird.

    Foto von Mathilde Tissier IPHC – LIFE Alister

    Auch durch den Klimawandel wärmere und feuchtere Winter sind für die Art schädlich. Im Winter graben die Nager fast zwei Meter tiefe Bauten, in denen sie sich warm und von der Schneedecke isoliert einkuscheln, um den Winter zu verschlafen. Ohne diese Schneedecke sind sie tödlichen Witterungseinflüssen wie Kälte und Regen stärker ausgesetzt.

    Eine Studie, die Habold im Elsass mitverfasst hat, legt nahe, dass die Kombination aus Maisanbau und einer Zunahme der Winterregenfälle dazu geführt haben könnte, dass das Körpergewicht der Hamster seit 1937 um bis zu 21 Prozent gesunken ist. Ein geringes Körpergewicht ist auch mit einer geringen Fruchtbarkeit verbunden.

    Ein weiterer möglicher Faktor für den Rückgang der Art ist die Lichtverschmutzung, die den Schlaf-Wachrhythmus der Tiere stören könnte. Während des Winterschlafs zum Beispiel steuert die Länge der Tage, wann die Hamster wieder aus ihren Höhlen hervorkommen. Künstliche Lichtquellen könnten diese Signale zunehmend verfälschen, sagt Stefanie Monecke, eine medizinische Psychologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    Monecke betont, dass die Auswirkungen der Lichtverschmutzung und des Klimawandels auf Feldhamster „allesamt nur Hypothesen sind, aber alles deutet in diese Richtung“.

    Nachhaltige Landwirtschaft als Lösung

    Glücklicherweise vermehren sich Feldhamster in Gefangenschaft gut, sagt Rusin: Es gibt Zuchtprogramme in Belgien, Frankreich, Polen, Deutschland, der Ukraine und anderen Ländern.

    Der schwierigere Teil sei die Auswilderung der Zuchthamster, die nicht an ein Leben in der Wildnis gewöhnt und leichte Beute für Raubtiere sind. Die Errichtung von Zäunen oder Netzen um ihren neuen Lebensraum kann sie in den ersten Monaten schützen, während sie sich akklimatisieren, sagt er.

    Einige Wissenschaftler wie Habold im Elsass arbeiten mit Landwirten zusammen, um hamsterfreundlichere Anbauflächen zu schaffen. Beispielsweise kann in kleineren Parzellen die Hauptkultur mit einer anderen Kultur gemischt werden, etwa mit proteinreichem Soja, das für die Hamster gesünder ist. Und die Landwirte können die Ränder dieser Parzellen mit einer Vielzahl von Pflanzen wie Sonnenblumen, Luzerne und Raps bebauen. Habold ermutigt die Bauern auch, die Häufigkeit des Pflügens und den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren.

    Sie verweist immer wieder darauf, dass die Nutzpflanzenvielfalt für die Gesundheit des Betriebs und des umgebenden Ökosystems insgesamt von Vorteil ist. Eine Vielfalt an Pflanzenarten kann auch mehr Arten von Wildtiergemeinschaften wie beispielsweise Bestäuber fördern.

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    „Die ganze Welt sollte sich Gedanken über die Verbesserung von Ackerland und landwirtschaftliche Praktiken machen, um die biologische Vielfalt wiederherzustellen“, sagt sie. „Der Hamster ist nur ein Beispiel dafür.“

    Parallelen zur Wandertaube

    Zumindest in Frankreich haben Naturschutzinitiativen die Bestandszahlen nur stabilisiert, nicht erhöht. Deshalb sei die Entscheidung der Naturschutzunion so wichtig, sagt Habold.

    Die Aufnahme des Hamsters in die Liste der bedrohten Arten könnte auch die Finanzierung für Forschungen zu den besorgniserregenden Fortpflanzungsstörungen der Art ankurbeln, so Monecke.

    „Denken Sie nur mal an die Wandertaube – sie war mal der häufigste Vogel aller Zeiten, und sie [starb] binnen hundert Jahren aus“, erzählt sie. „Das Problem war, dass sie ähnlich wie der Hamster nicht mehr in der Lage waren, sich fortzupflanzen. Es gibt so viele Parallelen.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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