Nach gnadenloser Pelzjagd: Seeotter kehren an die US-Westküste zurück

Seeotter sind niedlich und haben das dichteste Fell der Tierwelt. Eben das wurde ihnen fast zum Verhängnis. Nachdem sie durch die Pelzjagd fast ausgerottet wurden, sind sie nun an die US-Westküste zurückgekehrt.

Von Cynthia Gorney
Veröffentlicht am 21. Feb. 2023, 19:32 MEZ
Zwei Jungtiere nutzen die Zeit zum Spielen, während ihre Mütter an einer Muschelbank im Flachwasser nach ...

Zwei Jungtiere nutzen die Zeit zum Spielen, während ihre Mütter an einer Muschelbank im Flachwasser nach Nahrung suchen – nah genug, um ein wachsames Auge auf den Nachwuchs zu haben. Die Jungen tollen herum, jagen einander und reiten abwechselnd auf den Schultern des anderen durchs Wasser.

Foto von Ralph Pace

Er kreischte, wie es Seeotter tun, wenn sie in Panik geraten, verärgert sind oder ihre Artgenossen rufen – wie ein Möwenschrei, nur schriller. Er hatte dunkle Augen und einen tiefbraunen Pelz. Unter dem Bauchfell war ein Funksender implantiert. 16 Monate war er alt – ein junger Seeotter, dessen ganzes bisheriges Leben verstörende Ereignisse geprägt hatten. Otter 820 war kurz nach der Geburt verlassen worden. Retter hatten ihn auf einen Laster gehievt, schwarz bemantelte Menschen hatten ihn mit der Flasche gefüttert, ehe eine Seeotter-Pflegemutter ihn schließlich im Außenbecken eines Aquariums aufgezogen hatte. So wurde er Teil eines langfristigen ökologischen Experiments, einer Art Wiedergutmachung für das Massaker an seinen Artgenossen vor mehr als einem Jahrhundert. 

Anmutige Meeressäugetiere: „Seeotter sind so gnadenlos niedlich“

Nun saß Otter 820 in einer Kiste in einem Motorschlauchboot und scharrte mit den Pfoten gegen Boden und Wände. „Mal sehen, wie das hier ausgeht“, sagte Karl Mayer. An diesem Spätsommermorgen war ich mit Mayer und seiner Kollegin Sandrine Hazan, zwei Seeotterspezialisten vom Monterey Bay Aquarium in Kalifornien, unterwegs. Im Inneren des Aquariums bildete sich bereits eine Menschenmenge um das mit Glaswänden ausgestattete Seeotterbecken. Auf seine Bewohner muss die menschliche Spezies zuweilen seltsam wirken: Ein wenig Nasereiben mit den Pfoten, eine kleine Einlage wie das Donnern eines Plastikballs gegen die Steine – all das scheint den Zweibeinern auf der anderen Seite der Glaswand extremes Vergnügen zu bereiten. 

Strecke einen schnurrbärtigen Kopf aus dem Wasser, suche dir ein paar Schaulustige zum Flirten aus, und ein fröhliches Durcheinander ist dir sicher. Für die Begeisterung, die der Anblick von Seeottern beim Menschen auslöst, gibt es halbwegs rationale Erklärungen, die Experten ungefähr so formulieren würden: Erstens: Seeotter nutzen Werkzeuge. Sie sammeln passende Steine, drehen sich auf den Rücken und legen sie als Amboss zum Zerschlagen von Schalentieren auf ihren Bauch. Zweitens: Sie zählen zu den kleinsten Meeressäugetieren und schwimmen in Rückenlage, was auf seltsame Weise lustig ausschaut. Drittens Es hat mit ihren Gesichtern zu tun, ihrem Fell – ein kleines, anmutig im Meer schwimmendes Pelztier. 

An dieser Stelle geben selbst die Experten auf und erliegen dem Offensichtlichen. „Wenn ich zu den Seeottern gefragt werde, muss ich sehr professionell sein und mein Pokerface aufsetzen“, erzählte Hazan. Seeotter sind so gnadenlos niedlich, dass es selbst Menschen, die täglich mit ihnen zu tun haben, manchmal zur Verzweiflung treibt, denn auch sie sind dagegen nicht gefeit. Wobei die Vorstellung, dass wilde Seeotter einander an den Pfoten halten, um nicht auseinanderzudriften, reizend ist, doch wohl falsch. Vor einigen Jahren wurden zwei Seeotter in einem Aquarium fotografiert, die Pfote in Pfote dahintrieben. Obwohl zahlreiche solcher Bilder im Internet kursieren, gibt es keinerlei verlässliche Belege dafür, dass sich Seeotter im offenen Ozean so verhalten.

Pelzjagd auf Seeotter: Die Geschichte einer Ausrottung

Richtig ist, dass die Tiere ihre Jungen umarmen, während sie auf dem Rücken schwimmen. Es ist ebenfalls richtig, dass sie manchmal „Flöße“ bilden und dabei den Eindruck erwecken, als wären sie zu einem gemütlichen Dahintreiben unter Freunden zusammengekommen. Allerdings können Seeotter auch grausam sein. Es sind Raubtiere, fleischfressende, zähe Burschen. Mit ihren Kiefern und Zähnen zermalmen sie Muschelschalen und reißen kleineren, stachelbewehrten Tieren die Eingeweide heraus. 

Die Geschichte ihrer Beinah-Ausrottung ist ein brutales Ökodrama, das in den 1700er-Jahren begann, als russische Seeleute die Aleuten erkundeten und entdeckten, was die indigenen Völker der Pazifikküste längst wussten: Seeotter besitzen das dichteste Fell der Tierwelt. Auch die Küstenbewohner schätzten diese Pelze, bejagten die Otter jedoch auf nachhaltige Weise – ganz im Gegensatz zu den Neuankömmlingen, denen solche Traditionen fremd waren. Als der internationale Handel mit Robben- und Seeotterfellen 1911 durch ein Abkommen beschränkt wurde, waren von den Seeotterpopulationen, die einst den Pazifik umringt hatten – zwischen 150000 und 300000 Individuen von Baja California in Mexiko bis hinauf zu den nördlichen Inseln vor Alaska, Russland und Japan – nur noch wenige spärliche Cluster übrig.

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Foto von National Geographic

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