Grünes Licht für die Auswilderung von Luchsen im Erzgebirge

Vor 300 Jahren wurde der Luchs in Sachsen ausgerottet – nun steht dem drittgrößten Raubtier Europas in dem Bundesland ein Comeback bevor.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 20. Okt. 2023, 08:28 MESZ
Ein Luchs streift durch den Wald inmitten von Bäumen.

Zwar gab es in den vergangenen Jahrzehnten Luchssichtungen in Sachsen, dabei handelte es sich jedoch immer um Einzeltiere. Nun ist der Weg frei für die gezielte Ansiedlung einer Population von 20 Tieren. 

Foto von Archiv Naturschutz LfULG / N. Kappenstein

Wie das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) mitteilt, soll ab dem Frühjahr 2024 im Rahmen des Wiederansiedelungsprojekts RELynx Sachsen mit der Auswilderung von bis zu 20 Karpartenluchse (Lynx lynx carpathicus) im Erz- und Elbsandsteingebirge begonnen werden.

Möglich macht dies eine Ausnahmegenehmigung, die die Obere Jagdbehörde jetzt im Einvernehmen mit den zuständigen Naturschutzbehörden und nach Anhörung anerkannter Naturschutzverbände in Sachsen erteilt hat. Damit kann das Aussetzen der Tiere in dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Sachsens – in dem sie ursprünglich verbreitet waren – nun gezielt vorbereitet werden.

Raubkatze kehrt nach Deutschland zurück

An dem Projekt unter der Leitung des LfULG sind unter anderem das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und die Forstzoologie der TU Dresden beteiligt, die praktischen Maßnahmen werden vom Staatsbetrieb Sachsenforst unterstützt.

Galerie: Wiedergeburt der Ausgestorbenen

Die ersten Tiere, bei denen es sich um Wildfänge aus der Schweiz handelt, sollen im Staatswald des Forstbezirks Eibenstock im Westerzgebirge ausgesetzt und danach mithilfe von GPS-Senderhalsbändern und Wildtierkameras gezielt überwacht werden. Die TU Dresden will die Daten zu Sichtungen, Spuren- und Kotfunden sowie Rissen von Wildtieren sammeln und für Forschungszwecke nutzen.

Je nachdem, wie sich das Ausbreitungsverhalten entwickelt, könnte im nächsten Schritt eine zweite Wiederansiedelungsaktion im linkselbischen Gebiet der Sächsischen Schweiz folgen. Auch hierfür kämen Wildfänge – aus der Schweiz, der Slowakei oder Rumänien – in Frage, aber auch Tiere aus dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EAZA), die in menschenferner Gehegehaltung aufwachsen oder – nach einer entsprechenden Pflegephase – Waisenluchse, die mutterlos in der Wildnis aufgefunden wurden.

Ohne Hilfe ist ein erneutes Aussterben wahrscheinlich

Laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) lebten im Monitoringjahr 2019/2020 schätzungsweise 194 Luchse in Deutschland. Der Erhaltungszustand der Tiere gilt hierzulande als kritisch, auch weil ihre Fortpflanzungsrate niedrig ist und vor allem weibliche Tiere nur zögerlich neue Lebensräume besiedeln. Dass der Luchs auf natürliche Weise nach Deutschland zurückkehrt, ist somit unwahrscheinlich – und ohne Hilfe von außen wird die Art hierzulande vermutlich wieder aussterben.

„Der Luchs ist in Deutschland weiterhin sehr selten und die kleinen Bestände leben isoliert“, sagt Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen. „Ohne weitere Aussetzungen und die Biotopvernetzung wird der Luchs in Deutschland nicht überleben.“

Das Auswilderungsprojekt in Sachsen, das bis 2027 laufen soll, ist Teil einer bundesweiten Strategie zur Stabilisierung der Luchsvorkommen in Deutschland. Die Populationen, die sich dabei in der Region etablieren, sollen die natürlichen Bestände in den Karpaten mit den bislang isolierten Populationen im Böhmerwald und Nordostbayern verbinden.

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    Auch im Thüringer Wald sollen ab 2024 Luchse ausgewildert werden. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa ergab im Jahr 2021, dass 87 Prozent der Thüringer sich für die Wiederansiedelung aussprechen. Als RELynx Sachsen im September 2022 ins Leben gerufen wurde, gab es jedoch auch kritische Stimmen. Der Landesjagdverband Sachsen (LJVSN) veröffentlichte eine Stellungnahme, in der man sich besorgt um den Schutz und Erhalt des stark gefährdeten Birkhuhns zeigte, von dem es in Sachsen nur 50 Individuen gibt.

    Laut dem Luchsprojekt Österreich Nordwest stellen Luchse für die Vögel jedoch keine nennenswerte Gefahr dar, da sie keine typischen Beutetiere sind – auf dem Speiseplan der Raubkatzen stehen in erster Linie freilebende Wildtiere wie Rehe und junge Rothirsche. Fälle, in denen in Gehegen gehaltene Schafe, Ziegen und Wild von Luchsen gerissen wurden, sind äußerst selten. Um solche Vorfälle im Zuge der Wiederansiedelung zu vermeiden, will der Freistaat Sachsen Nutztierhalter bei der Prävention unterstützen. Sollte es doch zu einem Verlust kommen, der nachweislich von einem Luchs verursacht wurde, können Halter einen Schadensausgleich beantragen.

    Für Waldspaziergänger geht vom Luchs in der Regel keine Gefahr aus. Das bis zu 70 Zentimeter große „Pinselohr“ ist ein Meister der Tarnung und vorwiegend bei Nacht oder in der Dämmerung unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, eines von ihnen in freier Wildbahn zu treffen, ist also sehr gering – selbst dann, wenn RELynx Sachsen den erhofften Erfolg haben sollte.

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