Vegan vs. Carnivore: Wieviel Fleisch ist gesund?

Rein pflanzliche Ernährung oder nur Fleisch und tierische Produkte: Auf Social Media werden zwei Ernährungsformen diskutiert, die konträrer nicht sein könnten. Doch wie viel Fleisch braucht der Körper überhaupt?

Von Sarah Langer
Veröffentlicht am 15. Jan. 2025, 09:50 MEZ
Carnivore Ernährung vs. vegan

Wie gesund ist Fleisch wirklich?

Foto von Kyle Mackie / Unsplash

Die vegetarische und vegane Ernährungsform bieten die Möglichkeit, auf Fleisch oder auf tierische Produkte zu verzichten. Rund 78 Prozent der befragten Teilnehmer*innen gaben an, dass sie sich vegan ernähren, um gesund zu leben. Einer Umfrage von POSpulse in Deutschland aus dem Jahr 2020 zufolge ernähren sich etwa 81 Prozent der befragten Konsument*innen vegan, weil sie weniger Tierleid verursachen wollen. Aber auch die Umwelt und die eigene Gesundheit spielt bei der Entscheidung eine wichtige Rolle. Dem entgegen steht die carnivore Ernährung, die seit einiger Zeit auch auf Social Media großes Aufsehen erregt. Anhänger*innen essen lediglich Fleisch, bei leichteren Varianten sind auch Eier und Milch erlaubt. Eine carnivore Diät soll beim Abnehmen helfen und sogar Allergien, Depressionen, bipolare Störungen und andere Krankheiten heilen. Laut Aussagen der Carnivoren fühle man sich fitter und hätte mehr Energie. Doch was ist an solchen Statements wirklich dran und wie gesund sind solche Ernährungsform für den Körper wirklich?

Carnivore Ernährung: Welche Auswirkungen hat so viel Fleisch?

Der Ursprung der carnivoren Diät liegt bei dem Amerikaner Shawn Baker. Der ehemalige Chirurg testete sich über Jahre durch verschiedene Ernährungsformen und schwört seitdem auf die rein fleischliche Ernährung. 2019 schrieb er das Buch „The Carnivore Diet“, in dem er den Leser*innen den Weg zur „richtigen Ernährung“ näherbringt. Wissenschaftliche Studien gibt es zu dem Thema allerdings kaum, Ernährungsberater*innen und Wissenschaftler*innen raten von dieser Art der Ernährung jedoch eher ab.

Auch wenn der Fleischverzehr insgesamt in den letzten Jahren zurückging, liegt er immer noch weit über der empfohlenen Menge: 51,6 Kilo aß durchschnittlich jede*r Deutsche im Jahr 2023. Doch wieso gibt es nun einen carnivoren Gegentrend?

Dass Menschen Fleisch verzehren, hat seinen Ursprung vor über zwei Millionen Jahren: Weil oftmals, beispielsweise durch extreme Wetterbedingungen, pflanzliche Lebensmittel als Nahrungsquelle nicht verfügbar waren, gingen die Menschen jagen und ernährten sich von Fleisch. Eine Rolle spielt auch, dass Menschen erst vergleichsweise spät sesshaft wurden und pflanzliche Nahrung anbauen konnten. Der Fleischverzehr führte dazu, dass sich das menschliche Gehirn vergrößern konnte, da mehr Eiweiß, Eisen und Vitamin B12 zur Verfügung stand. 

Heute könne sich Fleisch positiv auf den Knochenbau auswirken, gerade im heranwachsenden Alter. Jedoch könnten diese Nährstoffe auch durch eine ausgewogene vegetarische Ernährung aufgenommen werden, wenn weiterhin Milchprodukte und Eier verzehrt würden, erklärt Professor Hans Hauner gegenüber der AOK. „Heute ist unser Nahrungsangebot so groß, vielfältig und nährstoffreich, dass wir nicht mehr auf den Verzehr üppiger Fleischmahlzeiten angewiesen sind“. 

Die Geschichte des Fleischs benutzen viele Carnivoren als Argument für ihren Ernährungsstil: Menschen seien Fleischfresser und nicht für (rein) Obst, Gemüse und Getreide gemacht. 

Dabei empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. nicht mehr als 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. Vergleicht man diese Empfehlung mit einer carnivoren Ernährungsform, liegt der Fleischgehalt deutlich über dem Wert: Zwischen 800 und 1000 Gramm Fleisch sollen am Tag verzehrt werden. Christina Holzapfel, Professorin an der Hochschule Fulda und Forschungsgruppenleitung am Institut für Ernährungsmedizin der TU München schätzt diesen Verbrauch für National Geographic ein: „Die carnivore Ernährung ist eine streng ketogene Ernährung basierend auf tierischen Produkten, bzw. alleinig Fleisch: 800 Gramm Fleisch am Tag zu essen und sonst nichts, ist eine extrem einseitige Ernährung, die über längere Zeit zu einem Nährstoffmangel führt. In Fleisch sind nicht alle Nährstoffe, beziehungsweise nicht alle Nährstoffe in ausreichender Menge vorhanden.“ 

Durch den Verzicht auf alle anderen Nahrungsmittel würden kein Obst, keine Hülsenfrüchte oder Vollkornprodukte gegessen. Diese enthielten jedoch viele wertvolle Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Der Fleischkonsum in Deutschland sei zu hoch – er liege bei mehr als 50 Kilo pro Kopf und damit mehr als dreifach über der empfohlenen Menge – und das müsse dringend reduziert werden, so die Ernährungsmedizinerin.

Carnivore Ernährung vs. vegan

Bei einer carnivoren Ernährung könnte dieses Steak nur ohne Kräuter, Butter, Pommes und Salat gegessen werden - denn alle dieser Nahrungsmittel sind tabu. 

Foto von FoodAndPhoto / stock-adobe.com

Das Problem der carnivoren Ernährung liege darin, dass ein Steak ohne Kräuter, Butter, Pommes und Salat gegessen werde – denn alle dieser Nahrungsmittel sind tabu. 

Doch wichtig sei laut Holzapfel auch: Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht gebe es keinen Grund, komplett auf Fleisch zu verzichten – solange keine ideologischen Hintergründe im Weg stünden. Es sollte jedoch auf die Menge und die Qualität geachtet werden. „Zu viel Fleisch führt dazu, dass zu viel Fett und somit auch zu viele gesättigte Fettsäuren aufgenommen werden. Diese erhöhen wiederum nachweislich das Risiko für Fettstoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Auch das Risiko für gewisse Krebsarten, allen voran Darmkrebs, sei erhöht, genauso wie für Gicht, da die Harnsäurewerte ansteigen können.

Etwas drastischer drückt es die WHO (Weltgesundheitsorganisation) aus: Sie stuft verarbeitetes Fleisch als „krebserregend“ ein, während unverarbeitetes rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Damit stehen Fleischwaren auf einer Stufe mit Tabakrauch.

„Fleisch allein kann keine Wunderheilungen vollziehen“

Doch wieso schwören trotzdem einige Menschen auf diese Ernährungsform? „Eine persönliche positive Veränderung durch fleischliche Ernährung ist rein subjektiv und hat mit wissenschaftlicher Evidenz wenig zu tun“, so Holzapfel. Auch, wenn es noch keine fundierten Studien zu der carnivoren Ernährung gebe, seien die negativen Auswirkungen von einem zu hohen Fleischkonsum oder von zu einseitigen Diäten schon lange bekannt. 

Dass in einigen Fällen positive Veränderungen auftreten, könne vor allem auch am Weglassen von verarbeiteten Lebensmitteln oder Snacks liegen. „Fleisch allein kann keine Wunderheilungen vollziehen“, so die Wissenschaftlerin. In den Sozialen Medien geht das Thema viral und wird stark diskutiert. Verschiedene Kanäle preisen das Fleischessen an. Wissenschaftliche Belege sucht man allerdings auch hier vergeblich. Auf dem Account „Die Carnitarierin“ redet Andrea Siemoneit über ihre carnivore Ernährung, über 22.000 Menschen folgen ihr. Sie schreibt beispielweise, dass Obst und Gemüse gezüchtet und gespritzt sei und so wie im Supermarkt in der freien Natur nicht mehr vorkomme. Dass Tiere für den Fleischgebrauch ebenfalls ge- und überzüchtet werden, mit Antibiotikum und anderen Medikamenten gefüttert werden und in der Natur auch nicht eingepfercht in engen Stallungen stehen würden, lässt sie außen vor. Ebenfalls wird häufig argumentiert, dass beim Ackerbau ebenfalls Tiere wie Insekte oder Nager sterben durch Pestizide und Fallen. Damit soll Tod und Leid der Nutztiere wie Schweinen oder Kühen relativiert werden. Dass fleischessende Personen jedoch selbst dafür verantwortlich sind, dass so viel Ackerbau gebraucht wird, wird nicht berücksichtigt. Denn die meisten pflanzlichen Anbauten werden zu Tierfutter verwertet. Desinformationen wie diese werden über Kanäle gestreut und von manchen Menschen dankend angenommen. Doch wie ist es eigentlich wirklich um die vegane Ernährung gestellt? 

Vegane Ernährung als Gegenspieler: Wie gesund ist diese Ernährungsform?

BELIEBT

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    Carnivore Ernährung vs. vegan

    Vegane Ernährung verzichtet auf alle Produkte mit tierischem Ursprung. Dadurch können leichte Mangelerscheinungen auftreten, die jedoch ganz einfach supplementiert werden können. 

    Foto von Joshua Resnick / stock-adobe.com

    Als komplett konträrere Ernährungsform gilt die vegane Ernährung, die gänzlich auf Produkte tierischen Ursprungs verzichtet. „Im Jahr 2023 verzichten mittlerweile etwa zwölf Prozent der Menschen in Deutschland auf den Konsum von Fleisch, rund drei Prozent leben vegan. Bei einer Bevölkerungszahl von 83,9 Millionen sind das etwa zehn Millionen vegetarisch und 2,5 Millionen vegan lebende Personen“, so das Bundeszentrum für Ernährung.

    Denn eine vegane Ernährung kann eine vollwertige Ernährungsform sein, wenn Vitamin B12 supplementiert wird. Das bestätigt auch Professorin Holzapfel: „Sowohl die vegane Ernährungsform als auch die omnivore Ernährungsform (Mischkost aus tierischen und pflanzlichen Produkten) sind Vollkostformen und stellen eine ausgewogene Ernährungsform dar.“ Es gelte zu berücksichtigen, dass bei einer strengen veganen Kost ein Nährstoffmangel von Vitamin B12 auftreten kann, der jedoch einfach zu beheben sei. „Beide Kostformen sind eine gesundheitsförderliche Ernährung, sofern sie ausgewogen sind.“ Ebenso sollten ungesunde, gezuckerte oder stark verarbeitete Lebensmittel auch in einer veganen Ernährung nicht vorkommen.

    Daneben sei die Aufnahme von Jod zu beachten, da dies vor allem in Fisch und Milchprodukten vorkomme. Veganer*innen sollten deshalb jodiertes Speisesalz in der Küche verwenden. Auch Meeresalgen können eine gute Alternative sein. Sollte trotzdem nicht genug Jod im Körper vorhanden sein, kann auch eine Jod-Supplementierung in Erwägung gezogen werden. 

    Viele Menschen nehmen diese Supplementierung in Kauf, um Tiere und Umwelt zu schützen. Denn auch ethische Gründe sind für vielen Menschen in großer Faktor, sich vegan zu ernähren.

    Fleischkonsum: So sehr leiden Tiere und die Umwelt 

    Und tatsächlich: Die Produktion und damit der Konsum von Fleisch stößt viel mehr CO2 aus als von pflanzlicher Ernährung. Das Bundesinformationszentrum für Landwirtschaft fasst zusammen: „Eine 2021 veröffentlichte Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) zeigt, dass 69 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland auf den Verbrauch tierischer Lebensmittel zurückgehen. Weltweit schätzt das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dass zwischen 21 und 37 Prozent der gesamten globalen Treibhausgasemissionen auf unsere Ernährung zurückgehen.“ Fleisch habe in Deutschland dabei einen Anteil von 44 Prozent, andere Tierprodukte 25 Prozent. Pflanzliche Lebensmittel würden nur ein knappes Drittel davon verbrauchen. 

    Zudem landet der Großteil des pflanzlichen Ackerbaus schlussendlich in der Fleischindustrie: Beim weltweiten Anbau von Soja werden ganze 70 % des Ertrages zur Fütterung von Nutztieren eingesetzt und nicht für den menschlichen Verzehr, zum Beispiel in Form von Tofu. Der WWF schreibt, dass in den letzten Jahren so Millionen Hektar an Lebensräumen vernichtet wurden, was einen drastischen Rückgang der Artenvielfalt weltweit nach sich ziehe. Ebenfalls werden Unmengen an Pestiziden für den Anbau benötigt. 

    Carnivore Ernährung vs. vegan

    Kühen werden ihre Kälbchen entrissen, um ihre Milch für Milchprodukte wie Käse abzugeben. Dafür werden sie zu oft trächtig als in der Natur vorgesehen und sind nach einigen Jahren durch diesen ständigen Stress erschöpft und unbrauchbar. 

    Foto von Alexander Zamaraev / stock-adobe.com

    Neben den Auswirkungen auf die Umwelt und damit auch auf den Klimawandel, spielt auch das Tierwohl eine besondere Rolle bei der veganen Ernährung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. erklärt, dass das Tierschutzgesetz, das seit 2002 in Deutschland gilt, nicht ausreiche, um Nutztiere anständig zu schützen. Außerdem werden, gerade in Massenbetrieben, Tieren eine große Menge Antibiotikum gefüttert, da sie aufgrund der Haltungsform oft an Krankheiten leiden. Diese Medikamentenrückstände und die damit einhergehenden resistenten Bakterien werden durch Fleischverzehr von Menschen aufgenommen. 

    Deshalb sei auch das EU-Bio-Siegel laut der Tierschutzorganisation PETA nur ein Vorteil für die Umwelt, nicht für das Tierleid. Weiterhin dürften Tiere unter schlechten Bedingungen gehalten und getötet werden. Selbst kleineren Schlachthöfen, die vorwiegend regionale Metzgereien beliefern, wird immer wieder Tierquälerei angelastet. 

    Wie empfehlenswert ist ein hoher Fleischkonsum aus medizinischer und ethischer Sicht also? Professorin Christina Holzapfel befürwortet die vegetarische oder omnivore Ernährungsform. Sollte aus ethischen Gründen nur die vegane Ernährung infrage kommen, sei dies unter einem Punkt in Ordnung: Sie rät dazu, regelmäßig Nährstoffchecks durchzuführen. Die carnivore Ernährung weise jedoch zu viele Mängel auf und könne nachhaltig krank machen. 

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