Seit wann leben Menschen mit Haustieren? Eine Reise durch die Mensch-Tier-Beziehung

Von den ersten domestizierten Wölfen bis zu modernen Haustieren: So hat sich die Rolle der Tiere im Leben des Menschen über die Jahrtausende hinweg verändert.

Von Sarah Langer
Veröffentlicht am 23. Sept. 2024, 10:04 MESZ
Seit wann leben Menschen mit Haustieren? Eine Reise durch die Mensch-Tier-Beziehung

Wie kam es so weit, dass Hunde kuschelnd auf der Couch unter einer Decke liegen?

Foto von Javier brosch / Adobe Stock

Die Domestizierung von Tieren begann vor etwa 15.000 Jahren, als die Menschen während der Altsteinzeit anfingen, Wölfe zu zähmen. Voraussetzung für die Domestizierung war, dass Jäger und Sammler-Kulturen zumindest für eine Zeit lang sesshaft wurden. 

Einige Tiere sollen sich daraufhin von allein den Menschen genähert haben. Trotzdem werde angenommen, dass der Prozess der Domestizierung über viele Generationen und hunderte Jahre andauerte, so Joris Peters, LMU-Professor für Paläoanatomie an der Tierärztlichen Fakultät. Anfänglich seien viele verschiedene Arten gehalten worden, da die Menschen noch einiges lernen hätten müssen: „Wir vermuten, dass die Tiere anfangs auf viel zu engem Raum – wahrscheinlich im Innenhof von Häusern – gehalten und auch nicht optimal ernährt wurden.“ 

Jahrtausendealte Beziehungen: Die Anfänge der Domestizierung

Gerade in der Frühphase der Domestizierung gab es demnach einige Probleme, was Forschende anhand von deformierten und gebrochenen Knochenüberresten von Schafen und Ziegen feststellen konnten. 

Das erste Tier, das mit dem Menschen zusammenlebte, war der Wolf. Er entwickelte sich allmählich zum Haushund, der zunächst nur als Jagdhelfer und Wächter diente, weniger als Familienmitglied. Archäologische Funde belegen trotzdem, dass die ersten zahmen Wölfe gemeinsam mit den Menschen in Siedlungen lebten und möglicherweise sogar ihre Nahrungsreste verzehren durften. Im Laufe der Zeit wurden bestimmte Eigenschaften gezielt gefördert, die den Umgang mit Menschen erleichterten: Eine geringere Aggressivität und eine höhere Anpassungsfähigkeit. 

Schon damals wurde also – wie heute auch – nach bestimmten Kriterien gezüchtet. Die Anforderungen damals gingen jedoch nicht so stark nach bestimmten äußerlichen Erscheinungsmerkmalen, sondern eher nach Charaktereigenschaften. Aus der römischen Antike fanden Archäolog*innen Grabstätten von alten Hunden, weshalb irgendwann auch eine emotionale Komponente im Zusammenleben eine Rolle gespielt haben muss. 

Haushunde stammen von Wölfen ab. Diese kamen vor langer Zeit zu den Menschen und wurden zu einem guten Team. 

Foto von AB Photography / Adobe Stock

Die Domestizierung von Nutztieren

Nach der von Hunden begann rund 5000 Jahre später die Domestizierung weiterer Tiere zu landwirtschaftlichen Zwecken: Schweine, Schafe, Ziegen, Rinder und auch teilweise Kamele wurden vor rund 10.500 Jahren domestiziert, als der Mensch im oberen Euphrat (heutiges Anatolien) in der Region des fruchtbaren Halbmondes sesshaft wurde. 

Diese Tiere waren nicht nur eine wichtige Nahrungsquelle, sondern dienten auch als Stofflieferanten für Wolle und Fell sowie als Lastentiere für den Transport von Waren. Die Einführung des Ackerbaus und dem damit verbundenen Stillstand der Menschen machte eine Versorgung mit tierischen Produkten notwendig, was die Domestizierung weiter vorantrieb.

Ein Teil der Wildtiere wurde eingefangen – man geht hierbei vor allem von Jungtieren aus – um sie als Nutztiere zu etablieren. Anfänglich wurden diese Tiere auch immer wieder mit Wildtieren gekreuzt, da sich in der schlechten Haltung tödliche Krankheiten rasant ausbreiteten und gerade die Jungtiersterblichkeit enorm stieg. Mit der Zeit wurde die Haltung und das Verständnis für Tiere immer besser, weshalb die eingefangenen Nutztiere sich mehr und mehr auch untereinander fortpflanzen konnten, so die LMU

Das Huhn, wahrscheinlich im zweiten Jahrtausend vor Christus im südostasischen Raum domestiziert, veränderte die Ernährung des Menschen nachhaltig durch die regelmäßige Versorgung mit Eiern und Fleisch. Das heutige Huhn stammt vom Bankivahuhn (Gallus gallus) und wurde „erst“ vor etwa 2.800 Jahren nach Europa gebracht. 

Auch das Pferd hatte als Nutztier einen großen Einfluss auf die Gesellschaft, als es vor etwa 5.500 Jahren domestiziert wurde. Vieles veränderte sich radikal: Schnelles Reisen wurde ermöglicht, die Kriegsführung revolutioniert und der Handel gefördert. 

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    Hühner als Begleiter kommen selten vor - meist sind sie nur Nutztiere, die unter einer schlechten Haltung leiden. 

    Foto von Halfpoint / Adobe Stock

    Die Evolution der Hauskatzen

    Während Hunde, Pferde und Co. also hauptsächlich aufgrund ihres direkten Nutzens domestiziert wurden, ist die Beziehung zwischen Menschen und Katzen ein bisschen komplexer. Die Domestizierung der Katze begann vor etwa 4.000 Jahren in Ägypten und anderen Teilen des Mittleren Ostens. 

    Dort wurden Katzen wegen ihrer Fähigkeit geschätzt, Nagetiere in landwirtschaftlichen Lagern zu kontrollieren. Doch dieser Nutzen war nicht ihr einziges Merkmal: Im alten Ägypten hatten Katzen sogar einen hohen sozialen Status und wurden in religiösen Zeremonien verehrt. Einige Pharaonen bestatteten ihre Katzen mit aufwendigen Ritualen und Grabbeigaben. In der ägyptischen Kunst finden sich zahllose Darstellungen von Katzen, was auf ihre große Bedeutung hinweist. In der restlichen Welt lebte die Katze lang einfach neben dem Menschen her, da sie auch ohne Domestizierung ihre gewünschte Arbeit als Jäger von Nagetieren erfüllte. 

    Haustiere als soziale Begleiter und Unterstützer

    Die Rolle von Haustieren hat sich im Laufe der Jahrtausende erheblich verändert. Während sie anfangs aus funktionalen Gründen gehalten wurden, werden Haustiere heute vor allem als Gefährten geschätzt. Ziervögel, Fische und Kleintiere wie Kaninchen oder Hamster halten ihre Besitzer*innen mittlerweile rein für Gesellschaft und Freude, weniger aus einem praktischen Nutzen. Heute lebt in Deutschland fast in jedem zweiten Haushalt ein Heimtier, so der Industrieverband Heimtierbedarf (IVH). 

    Wobei Haustiere den Menschen inzwischen emotionale und therapeutische von Nutzen sein können: Verschiedene Studien zeigen, dass regelmäßiger Kontakt mit Haustieren Stress reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden steigern kann, egal ob Zuhause oder auch am Arbeitsplatz. Hunde, Katzen und sogar Pferde werden zusätzlich in der tiergestützten Therapie eingesetzt, um Menschen bei psychischen und physischen Erkrankungen zu unterstützen. Bei älteren Leuten kann ein Haustier sogar dazu führen, den Verfall der kognitiven Fähigkeiten zu verlangsamen und Einsamkeit entgegenwirken.

    Die Auswahl an Haustieren ist mittlerweile unendlich groß - auch exotische Tiere sind mit dabei. Gut für die Tiere? Meistens nicht. 

    Foto von Eric Isselée / Adobe Stock

    Nötige Aufklärung bei Exoten und Haustier-Trends

    In den letzten Jahrzehnten hat sich die Auswahl an Haustieren stark diversifiziert. Heute halten Menschen auch viele exotische Tiere wie Reptilien, Amphibien und sogar Insekten. Diese Tiere bieten einzigartige Herausforderungen und erfordern spezielles Wissen und Pflege. Laut dem IVH gibt es in Deutschland rund 1,3 Millionen Terrarien.

    Jedoch bringt die Haltung exotischer Haustiere auch ethische und ökologische Fragen mit sich. Viele dieser Tiere stammen aus Wildfängen, was zu illegalem Handel und Gefährdung natürlicher Populationen führen kann. Zusätzlich gibt es auch bei Reptilien „Modetiere“, die gezüchtet werden, da sie gerade im Trend sind. Viele dieser Züchtungen sind undurchsichtig und schwer bis gar nicht nachzuvollziehen. Daher gewinnen die Aufklärung und Regulierung in diesem Bereich zunehmend an Bedeutung. Auch die Haltung von Vögeln in zu kleinen Käfigen oder ein zu kleines Aquarium sind Dinge die zeitgemäß hinterfragt werden müssen. 

    Wissenschaftliche Erkenntnisse und Tierschutz

    Immerhin ist die Haltungsqualität der Tiere sicherlich über die Jahre gestiegen, denn die Wissenschaft hat die Beziehung zu Haustieren entscheidend geprägt. Durch intensives Studieren des Verhaltens und der Bedürfnisse von Haustieren wurden wichtige Erkenntnisse gewonnen, die dazu beitragen, deren Lebensqualität zu verbessern. Diese Forschung hat zur Etablierung von Standards in der artgerechten Tierhaltung geführt und zu Tierschutzgesetzen inspiriert. 

    Auch über das Verhalten der Tiere wird stetig geforscht, um anfängliche Irrtümer, wie beispielsweise die Alphatheorie bei Hunden, zu widerlegen und die Kommunikation und damit auch das Zusammenleben mit den Tieren und deren Leben an sich zu verbessern. 

    Die steigende Sensibilisierung für das Wohlergehen von Haustieren hat auch zur Förderung von Adoption und Tierrettung beigetragen. Organisationen weltweit setzen sich dafür ein, heimatlose und misshandelte Tiere zu schützen und zu versorgen. Dies hat wiederum das Bewusstsein für die Verantwortung, die mit der Haustierhaltung einhergeht, geschärft. Jedoch werden nach wie vor auch viele Tiere, wie beispielsweise Hunde, ausgesetzt oder passend zu Trends gezüchtet. Das geht nicht selten mit starken gesundheitlichen Problemen und Einschränkungen einher – wie zum Beispiel vom Mops und anderen Kurzschnauzen bis hin zum Silbernen Labrador

    Tatsächlich gibt es viele Nutz- wie auch Haustiere, die – auch in Deutschland – misshandelt werden oder unter schrecklichen Bedingungen leben. Eine solche Haustierhaltung verstößt gegen die deutschen Tierschutzstandards und teilweise auch gegen Tierschutzgesetze. Der Deutsche Tierschutzbund und der Verein PETA arbeiten stetig daran, derartige Verletzungen aufzudecken und sie zu eliminieren. Im Ausland, wie beispielsweise in Griechenland oder der Türkei, sind die Bedingungen noch verheerender: Seit Sommer 2024 sollen Straßenhunde in der Türkei getötet werden, um den Bestand zu verringern. 

    Hierzulande werden Haustiere in großen Mengen gezüchtet, während in anderen Ländern tausende von Tiere auf der Straße ums Überleben kämpfen müssen. 

    Foto von evannovostro / Adobe Stock

    Wie sieht die Zukunft der Haustierhaltung aus?

    So schön das Zusammenleben mit Tieren ist, die wenigen Gesetze und Überwachungen führen zu enormem Tierleid. Doch wie könnte eine Zukunft der Haustiere aussehen? Sie könnte von technologischen Entwicklungen und einem zunehmenden Bewusstsein für Tierschutz geprägt sein. Smart Homes und Wearables für Tiere, die Vitalparameter überwachen, sind längst keine Sci-Fi mehr. Auch die genetische Forschung könnte neue Wege eröffnen, Haustiere gesund zu halten und die Züchtung verantwortungsvoller zu gestalten. Schärfere Gesetze würden Qualzucht verbieten, illegalen Welpenhandel eindämmen und den Tierschutz weiter fördern. 

    Auch die Nachhaltigkeit in der Haustierhaltung spielt aufgrund des fortschreitenden Klimawandels eine immer größere Rolle. Der ökologische „Pfotenabdruck“ von Haustieren ist nicht zu unterschätzen. Eine Studie der Technischen Universität Berlin hat 2020 errechnet, dass ein 15 Kilogramm schwerer Hund im Laufe von 13 Lebensjahren etwa 8,2 Tonnen CO₂ ausstößt. Die größten Klimakiller sind hierbei die Herstellung von Tierfutter, die Entsorgung von Abfällen und die generelle Ressourcenverwendung. Jedoch gibt es auch hier Innovationen, wie beispielsweise Futter auf Insekten- oder gar vegetarischer Basis. Nicht jedes Tier kann vegetarisch ernährt werden, bei Hunden ist dies jedoch grundsätzlich möglich. Der Deutsche Tierschutzbund rät, das mit dem/der Tierärzt*in abzusprechen, spricht sich jedoch auch für vegetarische oder sogar vegane Ernährung bei Hunden aus. 

    Angesichts der sich ständig wandelnden Gesellschaft bleibt die Beziehung zwischen Menschen und Haustieren eine Konstante, die sich immer an neue Gegebenheiten anpasst. Diese einzigartige Beziehung hat nicht nur die Evolution der Tiere geprägt, sondern auch signifikante kulturelle, soziale und wissenschaftliche Entwicklungen vorangetrieben. Die emotionale Verbindung, die seit Jahrtausenden besteht, bleibt ein deutliches Zeichen der gegenseitigen Abhängigkeit und Wertschätzung, die das Mensch-Tier-Verhältnis auszeichnet.

    Cover National Geographic 9/24

    Foto von National Geographic

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