Tierschutzbund besorgt: Sugar Glider sind keine Haustiere
Tierheime kämpfen immer mehr mit der Aufnahme von exotischen Wildtieren – zum Beispiel von Kurzkopfgleitbeutlern. Warum die kleinen Beuteltiere besonders oft leiden.

Sugar Glider Pippin im Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes.
Sie sind äußerst niedlich, nur bis zu 16 Zentimeter groß und 140 Gramm leicht – und definitiv keine Haustiere: Sugar Glider (Petaurus breviceps), zu deutsch Kurzkopfgleitbeutler, stammen ursprünglich aus Australien und Neuguinea. Hierzulande, fernab ihres natürlichen Lebensraumes, erfreut sich die Haltung der Beuteltiere einer wachsenden Beliebtheit.
Die Pflege der Tiere jedoch komplex – und eine artgerechte Haltung in den eigenen vier Wänden kaum zu stemmen. Angesichts der Aufnahme dreier Kurzkopfgleitbeutler in seinem Tierschutzzentrum macht der Deutsche Tierschutzbund nun auf die Überforderung von privaten Haustierbesitzer*innen sowie Tierheimen aufmerksam.

Perfektes Kindchenschema: Sugar Glider Rosie sieht mit ihren großen, schwarzen Augen in die Kamera. Sie und zwei Artgenossen wurden vom Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes aufgenommen.
Sugar Glider: Perfekt angepasst an den australischen Regenwald
In ihrem Lebensraum, den Regenwäldern und Buschlandschaften Australiens und Neuguineas, gleiten Kurzkopfgleitbeutler bis zu 60 Meter weit von Baum zu Baum. Die Fähigkeit, diese großen Entfernungen in der Luft zurückzulegen, verdanken sie ihrer Flugmembran: Die dünne behaarte Tragfläche reicht von ihren Handgelenken bis zu den Knöcheln und lässt ihre Körper im Gleitflug rechteckig erscheinen.
Obwohl die Kurzkopfgleitbeutler in einigen Regionen Australiens sogar die häufigsten Beuteltiere ausmachen, bekommen Menschen die nachtaktiven Tiere kaum zu Gesicht. Tagsüber schlafen sie in Gruppen in einem für Menschen übelriechenden Nest aus Blättern, für dessen Konstruktion die Tiere ihren Urin als ,Klebstoff‘ nutzen. Düfte und Gerüche haben generell einen hohen Stellenwert im Leben der Beuteltiere: Mit Sekreten aus ihren Duftdrüsen reiben sie sich gegenseitig ein. Vor allem das dominante Männchen der Gruppe verteilt seinen Geruch, sodass sich die Gruppenmitglieder daran erkennen können.
Tierschutzbund: Exoten wie Sugar Glider sind keine Haustiere
Kurzum: Die kleinen Tiere sind ein Leben gewohnt, wie es in Deutschland, geschweige denn in Käfighaltung, nicht möglich ist. Eine Haltung in Gefangenschaft wird den Wildtieren Henriette Mackensen, Leiterin des Heimtierreferats beim Deutschen Tierschutzbund, nicht gerecht.
“Viele der Exoten vegetieren in unzureichenden Haltungsbedingungen vor sich hin. ”
Und dennoch boomt die Haltung der Tiere. „Dass exotische Tiere wie Sugar Glider in Deutschland uneingeschränkt gezüchtet, gehandelt und gehalten werden dürfen, ist ein riesiges Tierschutzproblem“, sagt Mackensen. Oftmals erfolgt die Anschaffung der exotischen Tiere unüberlegt – zum Beispiel, weil sie aufgrund ihrer großen Augen dem Kindchenschema entsprechen und deshalb auf Social Media gut ankommen.
Doch dort beginnt das Problem bereits, denn helle Aufnahmen setzen die nachtaktiven Tiere unter extremen Stress. Des Weiteren unterschätzen viele Menschen den Aufwand, der mit der Pflege von Kurzkopfgleitbeutlern einhergeht: Auf dem Speiseplan der Sugar Glider stehen etwa Nektar, Baumsäfte und Insekten. Eine artgerechte Ernährung ist laut dem Deutschen Tierschutzbund in Haltung kaum umzusetzen. Die Organisation weist darauf hin, dass viele der Tiere aufgrund falscher Fütterung unter Unterernährung oder Fettleibigkeit, Skelett- und Zahnerkrankungen und an Vitamin- und Mineralstoffmangel leiden. Auch ihre Pflege ist aufwändiger, als viele es zunächst vermuten. Das Fazit von Henriette Mackensen ist eindeutig: „Diese Tiere gehören in ihren natürlichen Lebensraum; als Haustier sind sie völlig ungeeignet.“
Tierheime können Exoten nicht gerecht werden
Kommen die Halter*innen von Exoten wie Sugar Glidern an ihre Grenzen, suchen sie im besten Fall Hilfe bei Tierheimen oder setzen – im schlimmsten Fall – ihre Haustiere aus. So auch im Fall der kürzlich in Bremen gefundenen Axotlotl. Immer häufiger werden exotische Haustiere mittlerweile in der freien Wildbahn gefunden.
Doch auch Tierheime kommen an ihre Grenzen. Die meisten Einrichtunfen hadern bereits mit der Aufnahme von gängigen Haustieren wie Hunde und Katzen – die wenigsten Tierschutzeinrichtungen sind baulich sowie personell für die Versorgung der speziellen Ansprüche von exotischen Säugetieren und Reptilien ausgelegt. So auch im Fall von Rosie, Pippin und Merry: Die drei Sugar Glider wurden nach dem Tod ihres Halters zunächst von einem Tierheim in Süddeutschland aufgenommen, bevor der Deutsche Tierschutzbund aushalf. „Auch wir müssen improvisieren, wenn solche Tiere hilfebedürftig zu uns kommen“, sagt Patrick Boncourt, Fachreferent am Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes. Mit Improvisation meint Boncourt vor allem Investitionen: Räumlichkeiten müssten umgebaut werden, Personal geschult werden und qualifizierte Veterenärmidiziner*innen gesucht werden. „Und das jedes Mal von Neuem bei jeder einzelnen dieser mittlerweile zahlreich gehandelten exotischen Tierarten.“
Für Rosie, Pippin und Merry wurde eine Unterkunft im Reptilienhaus gefunden. Dort stimmen die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit am ehesten mit denen ihres natürlichen Lebensraumes überein. Trotzdem gibt es in Deutschland bisher noch kein einheitliches Konzept für die Unterbringung von Wildtieren wie ihnen. Damit sich ihr Schicksal nicht unentwegt wiederholt, fordert der Deutsche Tierschutzbund ein Verbot von Zucht, Handel und Haltung von solcher Exoten.
