Deutscher Jugendlicher ist dabei, eine Billion Bäume zu pflanzen

Felix Finkbeiner begann sein Projekt im Alter von 9 Jahren und will die Wälder der Erde wiederherstellen.

Von Laura Parker
Veröffentlicht am 24. Apr. 2018, 12:36 MESZ
Felix Finkbeiner
Felix Finkbeiner, hier zu sehen auf einem Foto aus dem Jahr 2011, hat sich das Pflanzen von Bäumen zur Lebensaufgabe gemacht. Damit ist er nicht allein.
Foto von Benno Kraehahn

Es kommt nicht oft vor, dass Kinder eingeladen werden, um vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen. Aber genau dort stand Felix Finkbeiner, das deutsche Wunderkind mit Harry-Potter-Brille, Pilzkopf und einer nüchternen Frage über den Klimawandel.

„Wir Kinder wissen, dass Erwachsene die Herausforderungen und die Lösungen kennen“, sagte er. „Was wir nicht wissen, ist, warum so wenig unternommen wird.“

Die Kinder hatten sich drei mögliche Gründe für dieses Versäumnis überlegt, erzählte er. Einer davon ist die andere Wahrnehmung der Bedeutung des Wortes „Zukunft“.

„Für die meisten Erwachsenen ist das eher eine theoretische Frage. Für viele von uns Kindern ist es eine Frage des Überlebens“, sagte er. „[Das Jahr] 2100 ist noch innerhalb unserer Lebzeiten.“

Eine andere Erklärung ist die Leugnung des Klimawandels. Die dritte Möglichkeit wird in einer Parabel über Affen deutlich, die auf eine Art und Weise ins Schwarze trifft, wie es nur eine Botschaft kann, die von einem Kind vorgetragen wird:

„Wenn man einen Affen entscheiden lässt, oder er sofort eine Banane haben will oder später sechs Bananen, wird der Affe immer die Banane wählen, die er sofort haben kann“, sagte er. „Deshalb haben wir Kinder verstanden, dass wir nicht darauf vertrauen können, dass allein die Erwachsenen unsere Zukunft retten werden. Damit das gelingt, müssen wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.“

Zum Zeitpunkt seiner Rede führte Finkbeiner bereits im vierten Jahr eine bemerkenswerte Umweltbewegung an, die sich seither zu einem globalen Netzwerk aus Kinderaktivisten entwickelt hat, die die Erderwärmung durch eine Wiederaufforstung des Planeten verlangsamen wollen.

Heute ist Finkbeiner 20 Jahre alt, und Plant-for-the-Planet – die Umweltinitiative, die der gründete – hat zusammen mit der Billion Tree Campaign der UN mehr als 14 Milliarden Bäume in über 130 Ländern gepflanzt. Die Gruppe hat sich nun ein noch höheres Pflanzziel gesteckt: eine Billion Bäume – etwa 150 für jeden Menschen der Erde.

Die Organisation veranlasste außerdem die erste globale Baumzählung, deren Ergebnisse der NASA bei ihren Studien zur CO2-Speicherfähigkeit von Wäldern helfen. Auf vielerlei Art hat Finkbeiner mehr als jeder andere Aktivist erreicht, wenn es darum geht, neue, junge Mitglieder für die Bewegung zu gewinnen. Plant-for-the-Planet hat mittlerweile eine Armee von 55.000 „Klimagerechtigkeitsbotschaftern“, die in eintägigen Workshops trainiert haben, um in ihren Heimatorten als Klimaaktivisten tätig zu sein. Die meisten von ihnen sind zwischen neun und zwölf Jahre alt.

„Felix ist sowohl inspirierend als auch wortgewandt“, sagte Thomas Crowther. Der Ökologe führte während seiner Zeit an der Universität Yale in Connecticut die Baumzählung mithilfe von Computermodellen durch. „Viele Leute können nur eines dieser beiden Dinge gut. Felix kann beides wirklich gut.“

ES GEHT NICHT UM EISBÄREN

Plant-for-the-Planet entstand im Rahmen eines Schulreferats zum Klimawandel in der vierten Klasse in Finkbeiners Heimatort Uffing am Staffelsee, südlich von München. Aus der Sicht des damals Neunjährigen bedrohte die globale Erwärmung sein Lieblingstier, den Eisbären. Aber seine Google-Suchen führten ihn in andere Gefilde: zu Artikeln über Wangari Maathai. Die Kenianerin hatte die Grüngürtel-Bewegung angeführt, die mit Bepflanzungsaktionen der Bodenerosion in Kenia entgegenwirkte. Ihr Engagement sorgte dafür, dass dort bislang mehr als 30 Millionen Setzlinge gepflanzt wurden, und wurde 2004 mit einem Nobelpreis gewürdigt.

„Ich verstand, dass es nicht wirklich um Eisbären ging, sondern darum, die Menschen zu retten“, sagte Finkbeiner bei einem Telefoninterview in Großbritannien, wo er Internationale Beziehungen studiert. Sein Schulbericht über Bäume war ein voller Erfolg. Als dramatischen Abschluss setzte er das Ziel, in Deutschland eine Million Bäume zu pflanzen. Niemand rechnete damit, dass daraus etwas werden würde.

Finkbeiners Lehrerin bat ihn, sein Referat noch einmal vor anderen Schülern und dem Schulleiter zu halten. Zwei Monate später pflanzte er seinen ersten Baum auf dem Schulhof – einen kleinen, unscheinbaren Zierapfel. Wenn er damals gewusst hätte, wie viel internationale Aufmerksamkeit dieser Baum erhalten würde, hätte er wohl darauf bestanden, dass seine Eltern einen etwas majestätischeren ersten Baum besorgt hätten, erzählt er etwas reumütig.

Im Nachhinein war der unschuldig wirkende Neunjährige mit dem rhetorischen Talent und der Herausforderung, eine Million Bäume zu pflanzen, für die weltweiten Medien einfach unwiderstehlich. Finkbeiners Projekt sprach sich schnell herum. Ehe er sich‘s versah, sprach er vor dem Europäischen Parlament und besuchte UN-Konferenzen in Norwegen und Südkorea. Zu dem Zeitpunkt, als er 2011 im Alter von 13 Jahren seine Rede vor der UN in New York hielt, hatte Deutschland seinen millionsten Baum gepflanzt und Plant-for-the-Planet war offiziell gestartet. Das Projekt hatte eine Website und einen Vollzeitangestellten.

Die UN übertrug der Initiative die Führung ihrer Billion Tree Campaign zur Pflanzung von einer Milliarde Bäumen.

„Ich wusste, dass er dieses legendäre Kind ist“, sagte Aji Piper, ein 17-jähriger „Baumbotschafter“ in Seattle, der Finkbeiner 2015 traf. Piper, ein Aktivist und Mitkläger in einem Verfahren zum Klimawandel gegen die US-Regierung, sieht Finkbeiner als Vorbild an.

„Wir haben gesehen, dass er Reden hielt. Er war so jung. Sehr beeindruckend. Das ist das Kompetenzniveau, das ich mal erreichen will.“

Finkbeiner hat auch eine Antwort für die Skeptiker, die an der Wissenschaft zum Klimawandel zweifeln:

„Wenn wir auf die Wissenschaftler hören und entsprechend handeln und in 20 Jahren feststellen, dass sie falsch lagen, haben wir keinen Fehler gemacht“, erzählte Finkbeiner 2016 auf einer Urban Future-Konferenz in Australien. „Aber wenn wir auf die Skeptiker hören und in 20 Jahren feststellen, dass sie falsch lagen, wird es zu spät sein, um unsere Zukunft zu retten.“

DIE ZÄHLUNG DER BÄUME

Die Baumstudie wurde durchgeführt, als die Ambitionen von Plant-for-the-Planet weiterwuchsen. Eines der größten Projekte ist aktuell eine Aufforstung auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan. Dort hat die Gruppe eine Baumschule mit 300.000 Setzlingen einheimischer Bäume angelegt und plant, bis 2020 10 Millionen Bäume zu pflanzen.

Die größeren Ambitionen warfen auch neue Fragen auf. Machten die 14 Milliarden bis dahin gepflanzten Bäume einen Unterschied? Würden die 10 Millionen in Mexiko einen machen? Können die Neupflanzungen mit der fortschreitenden Entwaldung auf der Welt mithalten? Keiner konnte das so recht beantworten. Wissenschaftler hatten schon länger mit dem Gedanken gespielt, eine Baumzählung durchzuführen, aber bis dato hatte sich noch niemand dafür gefunden. Letztendlich übernahmen Tom Crowther und sein Team in Yale die Aufgabe.

„Felix hat eine einfache Frage gestellt: Wie viele Bäume gibt es?“, so Crowther.  „Plant-for-the-Planet hat mich definitiv inspiriert.“

Die zweijährige Studie wurde 2015 in „Nature“ veröffentlicht und fand heraus, dass es auf der Erde drei Billionen Bäume gibt – siebenmal so viel wie zuvor geschätzt. Außerdem ergab die Studie, dass sich die Zahl der Bäume seit Beginn des Ackerbaus vor etwa 12.000 Jahren fast halbiert hat – und dass jährlich etwa 10 Milliarden Bäume verschwinden. Eine Milliarde Bäume zu pflanzen ist daher zwar nett, hat aber keine große Wirkung.

„Ich dachte, das würde sie vielleicht entmutigen“, sagte Crowther. Aber weit gefehlt: „Sie sagten: Okay, dann müssen wir wachsen. Sie haben nicht gezögert. Sie kontaktieren Milliardäre auf der ganzen Welt. Das ist wirklich beeindruckend.“

Plant-for-the-Planet plant nun, eine Billion Bäume zu pflanzen – das sind 1.000 Milliarden. Diese Bäume könnten jedes Jahr eine zusätzliche Menge von 10 Milliarden Tonnen CO2 absorbieren. Finkbeiner zufolge wird das der Welt Zeit verschaffen, um mit der Reduzierung der Treibhausgase endlich Ernst zu machen.

Derweil wird er vor den Erwachsenen weiterhin Reden halten.

„Wir werden die Opfer des Klimawandels sein. Es liegt in unserem eigenen Interesse, dafür zu sorgen, dass die Kinder handeln“, sagte er. „Gleichzeitig denke ich nicht, dass wir die aktuelle Generation von Erwachsenen einfach abschreiben und 20 oder 30 Jahre darauf warten können, dass unsere Generation an die Macht kommt. Die Zeit haben wir nicht. Alles, was wir tun können, ist, sie in die richtige Richtung zu drängen.“

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