Blut und Knochen im Blumendünger: Sind vegane Dünger eine Alternative?

Wusstest Du von den tierischen Inhaltsstoffen wie Blut- und Knochenmehl in deinem Pflanzendünger? Über Hintergründe und Alternativen für Hobbygärtner haben wir mit dem Experten Prof. Schnug gesprochen.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 9. Juni 2020, 09:43 MESZ
Veganer Dünger ohne Knochenmehl

Was viele Verbraucher nicht wissen: Auf der Zutatenliste zahlreicher Pflanzendünger für Hobbygärtner stehen Fleisch- und Knochenmehle. 

Foto von Eric Prouzet, Unsplash.com

Ob auf dem Balkon oder im Garten, als Hobbygärtner greift man schnell und gerne zu handelsüblichen Düngemitteln um das Nährstoffangebot für Kulturpflanzen zu ergänzen. Schließlich will man das Beste für die grünen Mitbewohner und ein Blütenmeer und reiche Ernte das ganze Jahr lang. Doch warum verstecken sich Fleisch- und Knochenmehle im Dünger? Ist veganer Dünger eine nützliche Alternative oder doch nur ein teurer Trend?

Traditionelles Düngen mit Blut

Das Düngen mit Blut und Knochen von Tieren gilt als Geheimtipp und ist eine jahrhundertealte Tradition. „Das stammt noch aus Zeiten, in denen kommerzielle Düngemittel kaum bekannt, oder nicht vorhanden waren, als es noch keine industriell hergestellten Düngemittel gab. Dieser Geheimtipp sorgte dann dafür, dass schlecht mit Mineralstoffen versorgte Pflanzen besser wuchsen“, weiss Prof. mult. Dr. mult. Ewald Schnug, Leiter des Instituts für Pflanzenbau- und Bodenkunde - Bundesforschungszentrum für Kulturpflanzen am Julius-Kühn-Institut und Ehrenpräsident des Internationalen Wissenschaftlichen Zentrums für Düngemittel (CIEC). „Früher gingen Händler über die Dörfer und kauften Knochen, um sie als Knochenmehl zur Düngung weiter zu verkaufen. Damals wurden im Grunde genommen Organismen wiederverwertet.“

Faktisch sind alle dreizehn für das Leben höherer Pflanzen notwendigen, mineralischen Nährelemente in Blut und Knochen enthalten: Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan, Zink, Kupfer, Chlor, Bor und Molybdän. „Wenn man so will, in der für höheres Leben optimalen Zusammensetzung. Was aber noch lange nicht heißt, in einer für die Düngung idealen Zusammensetzung“, erklärt Prof. Schnug. Denn beim Düngen geht es um den abgestimmten Ausgleich auf einen vorhandenen Mangel.  Während ihres Wachstums entzieht jede Pflanze dem Boden Nährstoffe und Mineralsalze. Im natürlichen Kreislauf der Natur zerfallen die Pflanzen und Bakterien plus Kleinlebewesen sorgen dafür, dass aus ihnen wieder nährstoffreicher Humus wird. Wird der Kreislauf unterbrochen, kann es zu einem Mangel kommen. „Wenn der Boden für meinen Anbau nicht genug Nährstoffe hat, muss ich Dünger zufügen. Es kann auch sein, dass durch eine Stresssituation wie eine Krankheit ein Nährstoff oder ein Nährelement besonders gebraucht wird. Das muss dann separat in mineralischer, also anorganischer Form zugefügt werden, weil Pflanzen Dünger nur so aufnehmen können. In der professionellen Pflanzenernährung, wie auch  in der Ernährungsmedizin, analysiert man idealerweise erstmal, was dem Organismus fehlt. Kleingärtner können Bodenproben in offizielle Labore schicken und untersuchen lassen, ob Phosphor oder Kalium fehlt. Meistens ist aber von allem genug drin. Wenn man ganz besorgt ist, kann man im Labor anrufen und bekommt dort gesagt, welche Blätter man für eine Analyse einschicken soll.“

Düngt man bedarfsgerecht, schadet das der Umwelt nicht. Die meisten Hobbygärten sind aber überdüngt.

Foto von Neslihan Gunaydin, Unsplash.com

Umweltfreundlich düngen

So könnte man sicher gehen, dass die Pflanzenernährung auf den Bedarf abgestimmt ist und nicht überdüngt wird. „Ernährung kann ganz schnell in eine Richtung nicht richtig auf den Bedarf abgestimmt sein“, bestätigt Prof. Schnug. „Wir wissen aus Untersuchungen, dass Hobbygärten zu einem hohen Prozentsatz schlichtweg überdüngt sind. Wie wenig eine Pflanze an Stoffmengen aufnimmt hat man nicht im Gefühl. Und dann gilt die alte Regel: Mehr hilft mehr. Es kommt Kombidünger zum Einsatz, da ist von allem ein bisschen drin. Das klingt nach optimaler Zusammensetzung, es gibt aber keine optimale Zusammensetzung. Es gibt eine, die am ehesten passt. Aber Volldünger, mit voller Hand ausgestreut, ist immer zu viel“.

Bedarfsgerechte Düngung ist nicht umweltschädlich. Doch der Aufwand Bodenproben einzuschicken, ist für Hobbygärtner zu hoch. Man kennt das aus eigener Erfahrung: Eigentlich will man schnell düngen und den Pflanzen mit dem guten Gefühl etwas getan zu haben, beim Wachsen zusehen. Deshalb greifen Hobbygärtner zu handelsüblichen Pflanzendüngern.

Dünger aus der Fabrik

Der Chemiker Justus von Liebig verstand als Erster, dass Pflanzen organische Reststoffe erst nach der Mineralisierung (Lösung) enthaltene Verbindungen als gelöste Salze aufnehmen können. In seinem Werk „Die Chemie in der Anwendung auf Agricultur und Physiologie“ prophezeit Liebig 1840: „Es wird eine Zeit kommen, wo man den Acker, wo man jede Pflanze, die man darauf erzielen will, mit dem ihr zukommenden Dünger versieht, den man in chemischen Fabriken bereitet.“

Was Liebig in der Theorie beschrieb, wurde im 20. Jahrhundert Wirklichkeit. „Der große Durchbruch in der Pflanzenernährung war die Erkenntnis, dass Pflanzen die Knochenphosphate gar nicht aufnehmen können, sondern dass man diese erst mit Säure behandeln muss. Das enthaltene Phosphat muss gelöst werden, damit die Pflanzen es aufnehmen können. Das gibt dann unter anderem sogenannte Superphosphate, die neben Stickstoffdüngern noch heute die wichtigsten Dünger sind. Seit den 1950ger Jahren kommen Düngemittel überwiegend aus Chemiefabriken“, so Prof. Schnug.

Doch wie und warum kommen dann überhaupt noch Fleisch- und Knochenmehle, kurz FKM, in den handelsüblichen Pflanzendünger? Der Professur kennt die Antwort und die wirtschaftlichen Strukturen hinter dem großen Geschäft: „Die Hersteller von Pflanzendüngern müssen eine Phosphat- und Stickstoffquelle einbringen. Blut- und Knochenmehle sind reich an Stickstoff und Phosphor. Der Zukauf aus einer Fabrik wäre teuer, billiger als über Schlachtnebenprodukte kommt man nicht ran. Denn wir haben ein Problem in unserer Gesellschaft: die Überschüsse an tierischen Abfällen. Von einem Tier essen wir nur noch ganz wenige Teile und mit dem Rest müssen wir irgendwo hin. Früher hat man die Reste als Eiweißfutter verfüttert, doch seit dem Verbot von Fleisch-Knochenmehlen aus Schlachtnebenprodukten in der Tierfütterung als Konsequenz der BSE-Krise, wandern diese als Nährstoffträger in Düngemittel, hier bevorzugt in Produkte des Hobbygärtnerbedarfs. Schön verklauselt als organischen Ursprungs, was ja pflanzlich aber auch tierisch sein kann. Das sind aber nichts anderes als Schlachtnebenprodukte, Kategorie 2 Material, das zu Fleisch-/Knochenmehl verarbeitet wird, aber eigentlich `fit for human consumtion´, also essbar wäre. Die Schlachtabfälle gibt es `geschenkt´ oder es kann sogar sein, dass Hersteller noch Geld für die Abholung bekommen. Für die Schlachthöfe ist das immer noch günstiger, als sie zu verbrennen. Hinter den kleinen bunten Säckchen und Flaschen im Hobbygärtnerbedarf steckt eine gewaltige Marktmacht. Allzuoft ist es aber derselbe Dünger den Landwirte LKW- oder Zugweise kaufen, nur kleiner abgepackt und mit einer erheblich höheren Verpreisung.“

Veganer Dünger als Alternative

Wer nicht mit Schlachtabfällen düngen will, kann auf veganen Dünger zurückgreifen, der inzwischen immer mehr angeboten wird. Prof. Schnug stellt zunächst einmal klar, dass der Begriff des veganen Düngens nicht existiert: „Es gibt keine veganen Dünger. Es gibt Düngemittel, das aus Pflanzenresten, also Pflanzenmaterial hergestellt wird. Dazu gehört auch Gründüngungmit speziell zur Verbesserung von Böden angebauten Pflanzen, wie z.B. Senf.. Das kann man als vegane Düngung bezeichnen. Auch wenn der Name Blödsinn ist“, lacht er.  Eine sinnvolle und umweltverträgliche Alternative für Hobbygärtner sieht Prof. Schnug im Düngen mit Hausmitteln wie Eierschalen, Kartoffelwasser oder Kompost. „Die Hausmittel sind nicht schlechter als industrielle Dünger. Aber auch hier geht es um eine vorherige Bedarfsklärung. Holen Sie sich im Internet eine Tabelle, wie viele und welche Nährstoffe in Eierschalen und im Kartoffelwasser stecken. Und eine Tabellen welche und wie viele Nährstoffe ihr Gemüse oder ihre Blumen brauchen.“

Vegane Ernte auch mit Schlachtabfällen

Doch egal ob man sich für Gründüngung oder Schlachtabfälle als Nährstoffquelle für seine Pflanzen entscheidet, die Ernte bleibt vegan. Eine Frage, die, wenn auch vielleicht nicht ganz ernsthaft gestellt, für Vegetarier und Veganer wichtig sein kann. „Natürlich ist die Tomate immer noch vegan, Pflanzen nehmen ja nur mineralische Nährstoffe auf und nicht Gewebe. Führt man sie in organischer Verbindung zuführen, müssen sie mineralisiert und durch mikrobiellen Abbau freigesetzt werden. Die Tomate bleibt also vegan“, beantwortet Prof. Schnug die Frage, und fügt hinzu: „Doch es gibt sicherlich spirituelle Leute, die davon ausgehen, dass auch Energieüberträge stattfinden. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die wir nicht erklären können. Um das nicht abzutun, müsste man einen Anthroposophen fragen“.

Angela Hofmann, Koordinatorin für Landwirtschaft bei der ganzheitlich orientierten Entwicklungsinitiative SEKEM und Anthroposophin, kommt jedoch zum gleichen Schluss: „Im Naturkreislauf geht alles Lebendige, wenn das Leben darin einmal aufgehört hat, wieder zur Erde zurück. Dazu gehören auch Blut, Knochen, Haare und Federn, ja sogar Kadaver. Wohin sollten auch sonst alle Tiere nach ihrem Tod gehen? Wir haben also natürlicherweise in jedem Boden Blut und Knochen von Kleintieren, ob wir es mit Absicht hineingeben oder nicht. Wenn wir diese Materialien nun noch vermehrt als Dünger dazugeben, macht es meiner Meinung nach keinen Unterschied. Also wäre eine mit FKM gedüngte Tomate durchaus als vegan zu bezeichnen.“

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