Kann man Regenwald schützen, indem man Bäume fällt?

Und damit auch noch Geld verdienen? Die Genossenschaft The Generation Forest sagt klar: ja. Über das ungewöhnliche Konzept eines deutsch-panamaischen Projektes zum Schutz tropischer Wälder.

Es gilt sie zu schützen: Die Flora und Fauna unserer Regenwälder ist stark bedroht. Durch das Generationenwaldkonzept finden sie zu neuer Stärke.

Foto von The Generation Forest / Emir Lebedev
Von The Generation Forest
Veröffentlicht am 17. Mai 2022, 14:55 MESZ

Am Boden streift ein Jaguar beinahe lautlos durchs dichte Pflanzenwerk. Ein Stockwerk höher krächzen zwei bunte Aras in den Ästen der Tropenhölzer. In der höchsten Etage, den Baumkronen des Regenwalddaches, trifft man Faultiere neben blätterfressenden Insekten, Baumsteigerfrösche und Baumschlangen.

In Panama sind all diese Tiere heimisch – und damit Teil eines der reichsten Ökosysteme der Welt: dem Tropenwald. Rund 40 Prozent des Landes sind von ihm bedeckt. Dabei tummeln sich auf einem Hektar bis zu 400 verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Das Besondere: Unter ihnen befinden sich auch viele endemische Arten, also Tiere und Pflanzen, die es nur hier gibt auf der Welt. Die Artenvielfalt der panamaischen Wälder ist größer als in jedem anderen zentralamerikanischen Land.

Der Wert tropischer Wälder

Tropenwälder in der Nähe des Äquators sind bekannt für ihre außergewöhnlich große Biodiversität. Sie sind für die globale Artenvielfalt von großer Bedeutung, denn mehr als die Hälfte der auf dem Land lebenden Tier- und Pflanzenarten haben ihren Lebensraum in tropischen Wäldern – dabei bedecken diese nur acht Prozent der Landfläche unserer Erde.

Der Grund: Das ganze Jahr über herrschen dort hohe Temperaturen und teils starke Niederschläge – ideale Bedingungen für das Entstehen neuer Arten und das Gedeihen von Flora und Fauna. Die mittelamerikanischen Wälder sind durch ihr reiches Angebot an diversen ökologischen Nischen ein Paradies für verschiedenste Arten. Es sind so viele, dass Forschende mit dem Beschreiben der neu hinzukommenden nicht hinterherkommen.

Die wichtigen Ökosysteme sind allerdings schon seit Jahrzehnten durch den Klimawandel und menschliches Eingreifen extrem gefährdet: Allein zwischen 1990 und 2015 verschwanden 290 Millionen Hektar ursprünglichen Waldes, in Panama waren es rund 70 Prozent der landeseigenen Waldflächen. Rodungen für die Viehzucht sind der häufigste Grund. Für die Einheimischen erscheint ihr Wald wertlos, weil sie mit ihm kein Geld verdienen können. Damit werfen sie eines der größten Probleme unserer Zeit auf: Wie können wir ökologisches Handeln und ökonomischen Nutzen in Einklang bringen?

Wie Generationenwälder helfen können

Eine Antwort darauf haben Andreas Eke und Iliana Armién. Der Hamburger Geograph und die panamaische Forstingenieurin gründeten 2016 die Genossenschaft The Generation Forest und stützten ihre Arbeit auf 26 Jahren Erfahrung in der nachhaltigen Aufforstung tropischer Wälder. Mit ihr haben sie es sich seitdem zur Aufgabe gemacht, gerodete Waldflächen in Panama wiederaufzuforsten – mit Generationenwäldern. Heißt: Auf vorwiegend entwaldeten Flächen werden neue Baumsorten angepflanzt, die für den internationalen Handel von Interesse sind. Die Mitglieder der Genossenschaft können Waldfläche erwerben und verdienen am Verkauf des Holzes – so wird Wald geschützt und in Wert gesetzt.

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    The Generation Forest
    Links: Oben:

    Mitgründerin Iliana Armién überprüft das Wachstum eines Stachelzeders.

    Rechts: Unten:

    Auf der Finca „La Conexión“ werden Setzlinge per Hand gepflanzt.

    bilder von The Generation Forest / Emir Lebedev

    Wie das funktionieren kann? Bäume werden selektiv aus den angepflanzten Mischwäldern entnommen und das FSC-zertifizierte Holz wird verkauft, ohne dabei das Ökosystem zu schädigen. Damit gibt The Generation Forest tropischen Wäldern einen ökonomischen Nutzen. Ab ca. 1.400 Euro kann man bei The Generation Forest Anteile erwerben und damit bereits 500 m2 Lebensraum und das Klima schützen.

    Wirtschaftlich umzudenken – hin zu einer nachhaltigeren Ökonomie, die Klima- und Umweltschutz berücksichtigt –, das fordern Eke und Armién. Der Schlüssel dazu: Biodiversität. Diese zu erhalten und auszubauen ist gerade in Tropenwäldern besonders einfach, da sie sich durch ihre günstigen Standortbedingungen in puncto Artenvielfalt schnell regenerieren können. Durch ihre hohe Biodiversität sind die Wälder auch effizient gegen den globalen Klimawandel und ziehen am erfolgreichsten CO2 aus der Atmosphäre.

    Schützenswert ist die Biodiversität auch aufgrund der Ökosystemdienstleistungen, ohne die wir Menschen nicht auf diesem Planeten leben könnten. Dazu gehören zum Beispiel die Bereitstellung von Nahrung, medizinischen Wirkstoffen oder Erholungsräumen. Werden Tropenwälder abgeholzt, kann das fatale Folgen für unser Klima und das Leben auf der Erde haben: Bis zu einem Grad Celsius wärmer wäre die Welt, gäbe es die Tropenwälder nicht.

    Eine Symbiose von Ökonomie und Ökologie

    Armién und Eke ist mit ihrem Generationenwald eine Kombination aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem wichtig. Mit 26 Jahren Erfahrung in nachhaltiger Aufforstung von Tropenwäldern durch ihren eigenen Forstbetrieb kennen sich Eke und Armién mit den Gegebenheiten der gerodeten Flächen aus. Sie wollen bewusst keine Tropenholzplantage anpflanzen. Eke erklärt: „Plantagen schützen den Boden nicht, sondern laugen ihn aus. Auch haben sie keine Habitatfunktion.“ Heißt: Sie sind keine Lösung, um die tropischen Waldlandschaften wiederherzustellen.

    Ein dauerhaft bestehender, nachhaltig wachsender Mischwald mit einer ausgeprägten Artenvielfalt anstelle einer kurzfristig gewinnbringenden Monokultur – das ist die Vision von The Generation Forest. „Machen wir das, um Geld zu verdienen oder um die Welt zu retten? Das Tolle ist, wir brauchen da gar nicht zu unterscheiden. Wir machen beides“, sagt Eke über das Projekt.

    Grüne Klimaschützer: 20 Tonnen CO₂ bindet ein Hektar Generationenwald jedes Jahr. 

    Foto von The Generation Forest / Emir Lebedev

    Um ihre Vision realisieren zu können, pflanzen Eke, Armién und ihr Team heimische Edelhölzer wie Mahagoni, Rosenholz oder spanischen Zeder auf entwaldeten Flächen an. 20 verschiedene Baumarten sorgen für Diversität und eine größere Widerstandsfähigkeit des Waldes gegenüber klimatischen Veränderungen. Armién pflanzt sie mit über die Jahre gezüchteten Samen in ihrer Baumschule.

    Nach zwölf Jahren beginnt die erste kommerzielle Ausdünnung im Generationenwald. Starken Bäumen wird mehr Platz eingeräumt und es werden neue Setzlinge gepflanzt. „Indem schon frühzeitig, nach der ersten Durchforstung, die nächste Generation von Bäumen gepflanzt wird, bildet sich ein am Regenwald orientiertes Ökosystem mit mehreren Stockwerken. Dieses bleibt auch nach der Entnahme einzelner Bäume intakt“, sagt Armién.

    Aufgrund der günstigen Standortbedingungen wachsen tropische Wälder bis zu viermal schneller als europäische. Dadurch hat sich im Generationenwald bereits nach 20 Jahren ein intaktes Ökosystem gebildet – mit jungen und älteren Bäumen verschiedener Arten. Sogar die durch Rodung vertriebenen Tiere kehren zurück und sorgen durch das Verteilen von Samen dafür, dass wiederum mehr Pflanzen wachsen können. Besonders überrascht war das Team, als ein Jaguarpaar in der Fotofalle einer Umweltorganisation gesichtet wurde. „Da wussten wir, dass unser Kalkül aufgegangen ist“, erinnert sich Eke.

    Ein kleiner Panamaperückenaffe thront auf einer Astgabel. Die Wälder Panamas sind die Heimat von über 400 Tier- und Pflanzenarten.

    Foto von The Generation Forest / Emir Lebedev

    Mit ihren Generationenwäldern schaffen sie Lebensraum für seltene, gefährdete und ganz neue Arten und verknüpfen so bestehende und neue Waldflächen zu einem großen Ökosystem. Neben der Förderung von Biodiversität helfen die Wälder dem globalen Klima: Sie sorgen für Abkühlung, weil sie Wolken erzeugen, die Luft zu befeuchten und kühlende, organische Verbindungen freisetzen. Ein Hektar Generationenwald bindet insgesamt 20 Tonnen CO2 jährlich. Ihre Projekte sollen eine nachweisliche Wirkung erzielen. Aus diesem Grund ließ sich die Genossenschaft gleich nach zwei VERRA Standards zertifizieren: Zusätzlich zum Verified Carbon Standard (VCS) wurden die Aufforstungsprojekte im Rahmen des Climate, Community and Biodiversity Standards (CCBS) in Bezug auf ihre Wirkung für das Klima, die Biodiversität und Arbeit mit der lokalen Bevölkerung bewertet.

    Ein Investment, das sich nicht nur für den Investor lohnt

    Neben der ökologischen und der ökonomischen Komponente wird auch ein sozialer Faktor mit dem Projekt unterstützt: Je mehr Menschen nachhaltig in The Generation Forest investieren, desto mehr Waldfläche kann aufgeforstet werden – wodurch wiederum Arbeitsplätze geschaffen werden können, die vor Ort dringend benötigt werden. „Einige unserer indigenen Arbeiter*innen werden von uns ausgebildet, andere studieren sogar“, erklärt Eke. Faire Löhne und langfristige Arbeitsplätze bilden die Basis der Zusammenarbeit.

    Durch die Ausbildung, die sie im Projekt bekommen, übertragen Einheimische ihr neu gewonnenes Wissen auch auf ihre eigenen Waldflächen – mit denen sie nun auch Geld verdienen können. Nachahmende und Unterstützende des Projekts zu finden, ist ein großes Ziel von Armién und Eke.

    Neun Aufforstungsprojekte hat The Generation Forest mittlerweile in den Regionen Darién und Colón auf die Beine gestellt. Bis Ende 2022 will die Genossenschaft mindestens 1.000 Hektar Tropenwald aufgeforstet haben. Andreas Eke schlussfolgert: „Gemeinsam können wir weitere große Projekte realisieren und die jahrzehntelange Tendenz der Abholzung umkehren. Wir können diesen wunderbaren Planeten endlich wieder mit viel Wald bedecken“ – für mehr Artenvielfalt, Klimaschutz und ein wirtschaftliches Umdenken.

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