Energiewende: Effizientere Solarmodule könnten Gasimporte ersetzen – und der Landwirtschaft helfen
Eine Kombination aus gängiger Photovoltaik und neuen Solaranlagen könnte zukünftig Gasimporte überflüssig machen, den Bedarf an Stromspeichern senken und die Landwirtschaft klimafest machen. Wie das funktionieren kann.
Vertikal installierte, bifaziale Solarmodule auf einer landwirtschaftlichen Fläche. Durch den Abstand zwischen den Panels steht die Fläche weiterhin für den Anbau von Nutzpflanzen zur Verfügung.
Im Zuge der Energiewende wurde Erdgas in Deutschland oft als Brückentechnologie bezeichnet. Auf dem Weg in eine Zukunft, in der wir unsere Energie vollständig aus Sonnen- und Windkraft beziehen, sei eine solche laut Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), auch zwingend notwendig. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien ginge trotz allem politischen Willen nicht schnell genug voran.
Dass der fossile Brennstoff durch diese Bezeichnung verharmlost wird, ist allerdings riskant. Laut eines aktuellen Forschungsberichts der TU Berlin gefährdet der Ausbau der Erdgas-Infrastruktur nicht nur die Energiewende: Die Klimabilanz des Gases ist zudem ähnlich schlecht wie die von Kohle und Öl. Erdgas sei demnach keinesfalls eine bessere oder umweltschonendere Lösung als die anderen fossilen Brennstoffe. Will man klimafreundlich Energie erzeugen, ist die effiziente Nutzung und der schnelle Ausbau von Solar- und Windenergie alternativlos.
Forschende der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig haben nun einen neuen Ansatz erforscht, mit dem dies schneller gelingen könnte: In einer Modellstudie untersuchten sie die Effizienz und Wirksamkeit senkrecht stehender, bifazialer Solarmodule, die nach Westen und Osten ausgerichtet sind. Ihr Ergebnis: Die Anlagen könnten nicht nur das bestehende Energiespeicher-Problem lösen, sondern auch den Zukauf größerer Mengen Erdgas in Zukunft überflüssig machen.
Photovoltaik: Das Problem mit den Speichern
Solarenergie ist im Gegensatz zur Energie aus fossilen Brennstoffen günstig und CO2-neutral – und schafft vor allem keine Abhängigkeiten von anderen Ländern. Deutschland ist bei der Gasversorgung beispielsweise zur Hälfte auf russisches Gas angewiesen, von welchem in Zukunft – als Reaktion auf europäische Sanktionen bezüglich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – nur noch 20 Prozent der maximalen Kapazität geliefert werden soll. Um diese kontroverse Abhängigkeit aufzulösen und trotzdem ausreichend Energie zur Verfügung zu haben, könnte in Zukunft vermehrt auf Photovoltaik gesetzt werden.
Bislang gängige Modelle von Solarmodulen werden meist in Südausrichtung in einem Neigungswinkel von 20 bis 35 Grad aufgestellt. So kann vor allem in der Mittagszeit und im Sommer viel Strom erzeugt werden. Das Problem: Die Schwankungen in der Energieversorgung sind groß, da diese jahres- und tageszeitabhängig ist. Zusätzlich mangelt es bislang noch an effizienten Stromspeichern, die überschüssige Energie ohne Verluste aufbewahren. Das führt dazu, dass in der Mittagszeit zu viel, morgens und abends aber eher zu wenig Solarstrom verfügbar ist.
Die gängigen Solarmodule sind in Südrichtung mit einem Neigungswinkel von 20 bis 35 Grad ausgerichtet. Dadurch erzeugen sie um die Mittagszeit eine große Menge überschüssiger Energie, die bisher nur schwer und mit deutlichen Verlusten gespeichert werden kann. Bifaziale Solarmodule sollen dieses Problem lösen.
Bifaziale Solarmodule haben enormes Potenzial
Um dieses Problem zu lösen, haben Sophia Reker und ihr Team von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der HTWK bifaziale Solarmodule getestet. Diese sind dazu in der Lage, den ganzen Tag über Strom zu erzeugen – und damit Versorgungslücken füllen. „Bifaziale Solarmodule können Sonnenenergie von beiden Seiten nutzen. In Ost-West-Ausrichtung installiert, wird morgens und abends der meiste Strom erzeugt. Damit ließe sich der Bedarf an Stromspeichern reduzieren und gleichzeitig der Flächenbedarf für die Stromerzeugung geringhalten“, erklärt Reker.
Auch die Einspeisungsspitzen in der Mittagszeit könnten auf diese Weise ausgeglichen werden. Eine kombinierter Einsatz beider Photovoltaikanlagenarten würde die Tagesschwankungen deutlich reduzieren, sodass in Zukunft weniger Stromspeicher benötigt würden.
Positive Nebeneffekte für die Landwirtschaft
Jens Schneider, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, erklärt, dass bifaziale Solarmodule zwar etwas teurer als herkömmliche Solarpanels seien, die Anzahl von Stunden mit verfügbarer Solarenergie aber erhöhen würden. Das reduziert den Energiebedarf aus anderen Quellen und könnte im besten Fall die Energiegewinnung aus Kohle, Öl oder eben der Brückentechnologie Gas in Zukunft überflüssig machen. Pro installiertem Watt und Jahr könnten die bifazialen Module so 999 Wattstunden Energie erbringen – nur rund 20 Wattstunden weniger als die gängigen Panels.
Positive Nebeneffekte haben die neuen Solarmodule auch für die Landwirtschaft. Zum einen können landwirtschaftliche Flächen doppelt genutzt werden: Durch die senkrechte Installation der Solarpanels im Abstand von acht bis zehn Metern zueinander, können die vorhandenen Flächen weiterhin zum Nutzpflanzenanbau dienen – aber gleichzeitig auch zur Energiegewinnung. „Das schafft zusätzliche Verdienstmöglichkeiten für Landwirte und erhöht das Flächenpotenzial für erneuerbare Energien in Deutschland so sehr, dass wir nur in geringem Maße zusätzlich Energie importieren müssten“, sagt Schneider.
Zum anderen können die Panels unter ihnen gesäte Nutzpflanzen vor direkter Sonneneinstrahlung und Wind schützen – in Hinblick auf die durch den Klimawandel zunehmenden Hitzeperioden und Dürren ist das ein nicht zu vernachlässigender Nebeneffekt. Die Bundesregierung hat sich mit einem Gesetzespaket sogar dazu verpflichtet, diese sogenannte Agri-Photovoltaik in Zukunft besonders zu fördern.