Anhaltende Dürre: Gewässer geben weltweit spektakuläre Funde frei

Ob alte Kriegsschiffe, Percey Shelleys Lieblingsvilla oder jahrhundertealte Hungersteine: Die aktuelle Hitzewelle fördert durch die Austrocknung der Gewässer vergessene Geheimnisse zutage – und zeigt, wie schlecht es um unsere Flüsse und Seen steht.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 25. Aug. 2022, 08:57 MESZ
Dolmen-Formation mit einem Teil des ausgetrockneten Sees im Hintergrund.

Die Dolmen von Guadalperal sind nach der langen Zeit, die sie unter Wasser verbracht haben, mittlerweile porös. Das konnten Archäologen bereits während der Dürreperiode 2019 feststellen. Auch aktuell gibt der ausgetrocknete Stausee die Formation wieder frei.

Foto von CC BY 4.0 / Pleonr

Aktuell folgt eine Hitzewelle auf die nächste – und macht Gewässern weltweit zu schaffen. Nicht nur der Rhein erreichte kürzlich Rekord-Tiefstände, auch in der Schweiz, Serbien oder China trocknen Seen und Flüsse aus. Für die Ökosysteme und deren Bewohner ist das verheerend – gerade wenn sinkende Pegel mit steigenden Wasser- und Außentemperaturen zusammenkommen.

Doch neben Fischsterben und durch Trockenheit ausgelöste Waldbrände wird uns die anhaltende und katastrophale Dürre noch auf ganz andere Weise bewusst gemacht: durch das Auftauchen längst vergessener Artefakte, die zuvor am Grund von Flüssen oder Seen verborgen waren.

Ein Überblick über die Funde der letzten Wochen, die durch das aus den Hitzewellen resultierende Niedrigwasser offenbart wurden.

Hungersteine im Rhein

Dass nicht nur Tiere und Pflanzen von der Wasserknappheit betroffen sind, sondern auch wir Menschen, machen wohl die sogenannten Hungersteine am eindrucksvollsten deutlich. Bereits seit über 600 Jahren werden diese Steine in Flüssen abgelegt, um Pegelstände zu markieren und auf Niedrigwasserereignisse und die damit verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen. Beim erstmaligen Platzieren der Steine sowie beim wiederholten Auftauchen werden die Steine auch deshalb oft mit der Jahreszahl oder mahnenden Inschriften versehen.

Hungerstein im Rhein bei Tetschen mit der Inschrift „Wenn du mich siehst, dann weine“.

Foto von CC BY-SA 3.0 / Bernd Gross

Der Hungerstein mit der wohl treffendsten Inschrift liegt bei Tetschen in Tschechien in der Elbe: „Wenn du mich siehst, dann weine“. Die Steine markieren neben den historischen Niedrigständen der Flüsse auch die Gefahren für Binnenschifffahrt und Landwirtschaft. Ihr Name – Hungersteine – zeugt dabei von den Hungersnöten vergangener Zeiten, die sich als Folge der Niedrigwasserstände ereigneten.

Aktuell treten vor allem im Rhein Hungersteine an die Oberfläche. So beispielsweise bei Worms-Rheindürkheim, wo der niedrige Pegel des Rheins zwar bisher keinen Rekordwert erreicht hat, aber dennoch gleich mehrere Steine mit Inschriften, darunter eine aus dem Jahr 1857, freigelegt wurden. Zwischen Linz und Remagen ist außerdem bereits seit Juli der sogenannte Hungerfelsen von Kripp freigelegt; bei Leverkusen kann man aktuell Hungersteine aus den Jahren 1959 und 2003 bestaunen.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Die Dolmen von Guadalperal sind nach der langen Zeit, die sie unter Wasser verbracht haben, mittlerweile porös. Das konnten Archäologen bereits während der Dürreperiode 2019 feststellen. Auch aktuell gibt der ausgetrocknete Stausee die Formation wieder frei.

    Foto von CC BY 4.0 / Pleonr

    Das „Spanische Stonehenge“

    Die Dolmen von Guadalperal sind ein megalithisches Monument, das vor etwa 7.000 Jahren in der Stadt Cáceres in Spanien errichtet wurde und aus mehr als 150 stehenden Steinblöcken besteht. Entdeckt wurde die Anlage bereits in den 1920er-Jahren vom deutschen Archäologen Hugo Obermaier. Doch nur 40 Jahre später, im Jahr 1963, verschwand die mittlerweile als „Spanisches Stonehenge“ bekannte Formation im Wasser, als entlang des Flusslaufes des Tagus ein Stausee entstand. 

    Das Gebilde tauchte bereits 2019 erstmals wieder auf, als eine beispiellose Dürre die Region – und den Stausee Valdecañas – heimsuchte. Auch in diesem Jahr sind die Hitzeperioden so extrem, dass die Dolmen frei sichtbar am Rande des ausgetrockneten Sees stehen.

    Kriegsschiffe in der Donau

    Die Donau hat ebenfalls Rekord-Niedrigstände zu vermelden – und gibt seit einigen Tagen die Sicht auf eine Vielzahl deutscher Kriegsschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg frei. Jene blieben 1944 nach dem Rückzug der deutschen Truppen am Flussgrund zurück und tauchen nun massenhaft wieder auf. Vor allem in der Nähe von Prahovo in Ostserbien häufen sich die Wrackfunde: aktuell sind es etwa 20.

    Übrig sind von den Schiffen unzählige Rümpfe, Masten und Kommandobrücken, die nicht nur durch ihre Platzierung nahe der Schifffahrtsrinne gefährlich werden. Laut BBC enthalten die Wracks zusätzlich teilweise noch Munition, die für die Umwelt eine weitere Gefahr darstellt. Und die nun aufgetauchten Wracks sind nicht die einzigen. Seit Jahren schon versucht Serbien derartige Kriegsrelikte aus dem Fluss zu entfernen. Doch die Bergung ist teuer – und die Wracks, wie aktuell eindrücklich zu sehen ist, scheinbar unzählig.

    Nantgwyllt in der Elan Valley in Wales. Das Herrenhaus stand vermutlich über 300 Jahre, bevor es der kontrollierten Flutung eines Teiles der Valley weichen musste.


     

    Foto von Abery, P. B., 1877-1948 / The National Library of Wales

    Romantisches Herrenhaus in Wales

    Ein historischer Fund ganz anderer Art wurde derweil in Wales gemacht. Dort gab der sinkende Pegel des Flusses Elan die Überreste des alten Herrenhauses Nantgwyllt frei, das im frühen 19. Jahrhundert schon den Dichter Percey Shelley begeisterte. Die Elan Valley – die Region, in der das Herrenhaus damals stand – wurde 1903 durch die Errichtung mehrerer Staudämme teilweise kontrolliert geflutet. Jetzt ist der Pegelstand des Flusses erstmals so tief gesunken, dass Teile der damals gefluteten Landschaft wieder frei liegen – darunter Gartenmauern, Steinbrücken und Fußabdrücke der einstigen Villa.

    Nantgwyllt wurde vermutlich in den Jahren nach 1579 erbaut, nachdem die wohlhabende Familie Powell das Land kaufte. Im Jahr 1812 kam Percey Shelley mit seiner Frau Harriet als Gast nach Nantgwyllt. Ihm soll der Aufenthalt und das romantische Äußere des Herrenhauses so sehr gefallen haben, dass er vergeblich versuchte, die Villa zu kaufen. In Briefen schrieb er über die Landschaft: „Dieses Land ist so romantisch; hier gibt es Felsen von ungewöhnlicher Höhe und malerische Wasserfälle.”

    Doch Shelley scheiterte und das Haus blieb zunächst im Besitz der Powells. 1903 wurde die Villa dann größtenteils abgerissen, um den Bau mehrerer Staudämme entlang des Flusses Elan und die Flutung des Gebiets, auf dem auch die Villa stand, zu ermöglichen. Die Überreste, die damals im Wasser verschwanden, sind nun wieder zu sehen – und zeigen, wie extrem die Dürre aktuell Einfluss auf Europas Gewässer nimmt.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved