Windenergie: Können Vögel und Windräder koexistieren?

Der Bau von Windrädern ist ein wichtiger Schritt in Richtung gesunder Energie, weg von fossilen Brennstoffen. Doch konkurrieren dabei Klima- und Artenschutz oder können Vögel und Windräder koexistieren?

Von Sarah Langer
Veröffentlicht am 6. März 2024, 09:06 MEZ
Windenergie: Können Vögel und Windräder koexistieren?

Artenschutz und Klimaschutz - kann das nebeneinander existieren?

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Um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten und den Klimawandel einzudämmen braucht es die Gewinnung erneuerbarer Energie durch Windräder. Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“, das am 1. Februar 2023 in Kraft getreten ist, will der Bundesgesetzgeber den Ausbau von Windenergie beschleunigen, indem für die einzelnen Bundesländer Flächenziele formuliert wurden. Bis 2032 sollen insgesamt 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergienutzung ausgewiesen sein.

Doch wie beeinflusst der Ausbau der Windenergie die heimischen Vogelarten in Deutschland und auch europaweit wirklich? Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordert mehr Forschung zur Verträglichkeit von Vögeln und Windkraftanlagen. Eine abgestimmte Strategie ist entscheidend, um eine Balance zwischen erneuerbarer Energieerzeugung und dem Schutz von Zug- und heimischen Vögeln zu gewährleisten.

Vögel können durch Windkraftanlagen sterben oder ihren Lebens- und Brutplatz verlieren. Betroffen sind nicht nur heimische Arten, sondern auch Zug- und Wasservögel. Hierbei komme es vor allem auf den Standort der Windparks an, das sagt auch Andreas von Lindeiner, Landesfachbeauftragter Naturschutz vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Man könne aber bereits bei der Planung untersuchen lassen, ob der Windradpark sich in den Flugbahnen oder Lebensräumen bestimmter Vogelarten befindet und könne so das Vorhaben dementsprechend anpassen. 

Windkraftanlagen schränken den Lebensraum der Vögel ein

Windenergie kann grundsätzlich nicht an Orten wie Naturschutzgebiete, Nationalparks oder Kernzonen von Biosphärenreservaten erbaut werden. Bei Vogelschutz- und FFH-Gebieten ist es wichtig, dass die Erhaltungsziele der Tiere durch die Windräder nicht beeinträchtigt werden. 

Trotzdem schätzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Zahl der in Deutschland durch Windenergieanlagen getöteten Vögel auf 10.000 bis 100.000: „Das entspräche bei rund 29.000 Windenergieanlagen bundesweit einer Quote von ein bis vier Vögeln pro Windenergieanlage und Jahr. Andere menschengemachte Faktoren sind für Vögel wesentlich fataler: 100 bis 115 Millionen getötete Vögel jedes Jahr in Deutschland nur durch Glasflächen an Gebäuden, etwa 70 Millionen im Straßen- und Bahnverkehr, 20 bis 100 Millionen Vögel werden Opfer von Hauskatzen.“

Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schätzt die Zahl der durch Windräder verendeten Vögel auf 100.000. Die Zahlen genau zu dokumentieren sei jedoch schwierig, da nur gefundene Kadaver wirklich dokumentiert werden können. Es sei eine höhere Dunkelziffer möglich, da es gerade bei Offshore-Anlagen auf dem Meer schwierig sei, aussagekräftige Zahlen zu erhalten, da tote Vögel ins Meer stürzten. 

Trotz des Risikos sind auch Naturschützer für Windradparks

Trotz dieser Zahlen sind auch Naturschützer, wie der LBV, für den Ausbau von Windradparks, da die Biodiversität durch die Folgen des Klimawandels einen noch viel höheren Preis zahlen müsse. Es sollte jedoch sichergestellt sein, dass sich die Arten weiterhin ausreichend vermehren könnten. Die EU-Vogelschutzrichtlinie aller Mitgliedstaaten verpflichtet zur Arterhaltung. Vogelschützer fordern deshalb ein regelmäßiges Monitoring, das genau aufzeigt, welche Arten durch Windkraft gefährdet sind. 

Die Erhaltungsziele der Vogelarten dürfen nicht gefährdet werden - viele Tiere stehen in Deutschland nämlich schon auf der Roten Liste. 

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Wie wichtig Artenschutz ist, zeigt die Rote Liste: 43 Prozent aller in Deutschland brütenden Vogelarten gelten bereits als bedroht. Neben Windparks wirken sich auch fehlende Lebens- und Brutplätze, die Landwirtschaft, der Klimawandel, Lichtverschmutzung und auch eine Monokulturbewirtschaftung negativ auf eine gesunde Entwicklung der Tierbestände aus. Windparks artenschutzkonform zu bauen, ist also eine wichtige Maßnahme, um den Bestand der Tiere nicht noch weiter zu senken oder sie sogar auszurotten. 

Auch das Umfliegen von Windrädern kann für die Vögel Folgen haben

51 Forschende aus 15 Ländern haben 1454 Vögel 27 verschiedener Arten mithilfe von GPS-Trackern in Europa beobachtet und spannende Daten geliefert. Dabei wurde auch das Flugverhalten der Vögel nahe den Windrädern untersucht. Die Tiere seien schlau genug, um mit einer Entfernung von circa einem Kilometer den Windradanlagen auszuweichen, auch, wenn sich dort für sie gute Windbedingungen zum Gleiten gezeigt hätten. Jedoch würde so ihre Flugroute verlängert, was sich gerade bei Zugvögeln nicht zu vernachlässigend auf ihre Kraftreserven auswirke. Auch bei der Futtersuche können sie an den neuen Orten in Konflikt mit anderen dort lebenden oder rastenden Tieren kommen. 

„Wenn wir die Risiken für die Biodiversität - wie zum Beispiel das Kollisionsrisiko für Vögel - in einem frühen Stadium des Planungsprozesses besser einschätzen können, können wir die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Tierwelt begrenzen und gleichzeitig unsere Klimaziele erreichen", erklärt Jethro Gauld, Hauptautor der Studie und Doktorand an der School of Environmental Sciences der University of East Anglia. Aus bisherigen Untersuchungen gehe hervor, dass es mehr Standorte für den Windradbau gäbe, als für die Energiebeschaffung benötigt werde. Möglichkeiten, gewisse Hotspots für Vögel zu meiden, seien also vorhanden. 

Gefährdungskarte soll Risiko minimieren

Jedoch halten Vogelarten wie Löffler, Uhus, Singschwäne, iberischer Adler und Weißstörche ihre Flughöhe, was zu einem Kollisionsrisiko mit Windkraftanlagen auf 15 bis 135 Meter führt. Die Studie konnte eine „Gefährdungskarte“ erstellen, auf der wichtige Zugrouten an Küsten oder in der Nähe von Brutplätzen und die dazugehörigen Kollisionsschwerpunkte ausfindig gemacht wurden: die westliche Mittelmeerküste Frankreichs, Südspanien, die marokkanische Küste und die Meerenge von Gibraltar, Ostrumänien, die Sinai-Halbinsel und die deutsche Ostseeküste. Laut der Forschenden solle hier der Neubau von Windkraftanlagen auf ein Minimum reduziert und beim Bau Maßnahmen zur Verringerung des Risikos beachtet werden. 

BELIEBT

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    Auch Offshore-Anlagen sind betroffen, da gerade Zugvögel oft Strecken am Meer entlang zurücklegen. 

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    An Hotspots wie Flugrouten oder Brutplätzen soll das Bauen von Windradparks minimiert werden

    Der Greifvogel Schwarzmilan überfliegt vor allem die Straße von Gibraltar, die „das wichtigste Nadelöhr für den Vogelzug in Westeuropa, aber auch ein Hotspot für Windparks“ ist, so Carlos Santors vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und von der Bundesuniversität von Pará in Brasilien. „Auf Basis von Schätzungen einer anderen Studie zu Kollisionen und der Anzahl der derzeit in der Region Tarifa betriebenen Windrädern gehen wir davon aus, dass jedes Jahr mehr als hundert Gänsegeier sowie Dutzende von Schlangenadlern und Turmfalken sterben.“ 

    Die Daten einer weiteren Studie, in der GPS-Daten von 126 Schwarzmilanen rund um Windkraftanlagen untersucht wurden, zeigten, dass auch diese Vögel bereits einen Kilometer vor den Windrädern ausweichen. „Die Vögel erkennen also die Gefahr, die von den Windkraftanlagen ausgeht, und halten einen entsprechenden Sicherheitsabstand ein", sagt Santos. 

    Um jedoch weitere aussagekräftige Daten zu sammeln, müsste man viele weitere Tiere mit Sendern ausstatten. Und auch, wenn die Vögel nicht mit den Windrädern kollidieren, können sie dadurch einen wichtigen Lebensraum oder auch eine Flugroute verlieren. Umgerechnet betreffe dieser „funktionale Lebensraumverlust“ durch die unsichtbaren Barrieren einer Fläche von mehr als 140 Hektar um jede einzelne Windturbine. Um diesen Verlust kleinzuhalten und die Tiere nachhaltig zu schützen werden europaweit weitere Daten gesammelt und in den Neubau von weiteren Windparks einbezogen, damit Windparks und Vögel in Zukunft so problemlos wie möglich koexistieren können.

    Auch die Technik könnte dabei helfen. In der Praxis ließe es sich nämlich nicht komplett vermeiden, Windräder in „Risikozonen“ zu bauen, erklärt Elke Bruns vom Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende KNE. Der „IdentiFlight“ könnte helfen: In den USA solle dieses System schon gut funktionieren. Das System wurde in Deutschland an Orten mit sehr hohem Vogelaufkommen getestet und schnitt gut ab. „Es erkennt Vögel rechtzeitig und im gesamten Radius um das Windrad“, erklärt Biologe Rieger von der Fachhochschule Eberswalde. Eine Kamera erkennt, um welche Art von Vogel es sich handelt und kann ein Abschaltsignal an die Windräder weitergeben. Im Jahr 2024 sollen erste Windräder in Bayern mit diesem System starten. 

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